Vertragsstrafenversprechen im Formulararbeitsvertrag

Ein in einem vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsvertrag enthaltenes Vertragsstrafenversprechen, worin sich der Arbeitnehmer für den Fall, dass er den Arbeitsvertrag ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet, verpflichtet, als Vertragsstrafe für jeden Tag der vorzeitigen Beendigung einen Betrag in Höhe des durchschnittlichen Tagesverdienstes der letzten drei Monate, höchstens jedoch bis zu einem Brutto-Monatsgrundgehalt, zu zahlen, umfasst nicht den Fall, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung bei (noch) bestehendem Arbeitsvertrag verweigert.

Vertragsstrafenversprechen im Formulararbeitsvertrag

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners1. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut2. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten3.

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Vorliegend war die Vertragsstrafenklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung nach diesen Grundsätzen auszulegen und zu prüfen. Bei der entsprechenden Klausel des Arbeitsvertrages handelte es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, da die Klausel eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung war, die die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrages gestellt hatte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind zwar Vertragsstrafenabreden in Formularverträgen nach § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig, in formularmäßigen Arbeitsverträgen folgt aber aus der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden4. Dabei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen5.

Die bloße Nichtleistung der vertraglich geschuldeten Leistung ist jedoch grundsätzlich keine Kündigung und stellt damit schon keine Vertragsbeendigung im Sinne dieses Vertragsstrafenversprechens dar.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann6. Die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich beschreibt. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält7.

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Bei der Beurteilung, ob eine Regelung dem Transparenzgebot genügt, ist nicht auf den flüchtigen Betrachter, sondern auf den aufmerksamen und sorgfältigen Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr abzustellen8.

Nach diesen Grundsätzen genügt die Vertragsstrafenklausel des Arbeitsvertrages nur dann dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn das die Vertragsstrafe auslösende Fehlverhalten des Arbeitnehmers präzise beschrieben ist. Dies steht einer sich vom Wortlaut lösenden und den Anwendungsbereich erweiternden Auslegung entgegen. Wenn die Arbeitgeberin mit der Formel „Beenden Sie den Vertrag …“ eine iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hinreichend bestimmte Vertragsklausel verwendet hat, so gilt dies nur für den Fall, dass die Klausel auf den Sachverhalt der „Vertragsbeendigung“ beschränkt wird. Ein Arbeitsvertrag wird aber weder im Zeitpunkt des Zugangs einer fristgemäßen Eigenkündigung noch durch die Einstellung der Arbeitsleistung rechtlich beendet. Ebenso trat keine Vertragsbeendigung dadurch ein, dass sich der Arbeitnehmer schon mit seinem Kündigungsschreiben deutlich von seiner Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis auf Dauer losgesagt hat, obwohl ihm bewusst war, dass ein rechtlich wirksamer Beendigungstatbestand noch nicht eingetreten ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2014 – 8 AZR 130/13

  1. BAG 19.03.2008 – 5 AZR 429/07, Rn. 23, BAGE 126, 198[]
  2. BAG 27.07.2010 – 3 AZR 777/08, Rn. 21, AP BGB § 307 Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 48[]
  3. BAG 7.06.2011 – 1 AZR 807/09, Rn. 24, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 55; 8.12 2010 – 10 AZR 671/09, Rn. 15, BAGE 136, 294[]
  4. vgl. BAG 4.03.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 = AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1[]
  5. BAG 14.08.2007 – 8 AZR 973/06, Rn. 23, AP BGB § 307 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 28[]
  6. BAG 3.04.2007 – 9 AZR 867/06, Rn. 29, BAGE 122, 64 = AP TVG § 4 Nachwirkung Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 22[]
  7. BAG 14.08.2007 – 8 AZR 973/06, Rn. 26, AP BGB § 307 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 28[]
  8. Palandt/Grüneberg 73. Aufl. § 307 BGB Rn. 23[]
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