Nach § 241 Abs. 2 BGB kann derjenige, der einem anderen gegenüber vertraglich verpflichtet ist, Wettbewerb zu unterlassen, dem anderen zur Auskunft verpflichtet sein, sobald er in ausreichendem Umfang Anlass gegeben hat zu vermuten, er habe seine Vertragspflicht verletzt1.

Das kann nur angenommen werden, wenn der begründete Verdacht eines wettbewerbswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers besteht.
Es ist anerkannt, dass nach Treu und Glauben Auskunftsansprüche bestehen können. Dafür müssen es die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über den bestehenden Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die Auskunft unschwer geben kann, die erforderlich ist, um die Ungewissheit zu beseitigen. Zudem darf die Darlegungs- und Beweissituation im Prozess durch materiell-rechtliche Auskunftsansprüche nicht unzulässig verändert werden. Ein billigenswertes Interesse an einer Auskunft kann zB bestehen, wenn sie erforderlich ist, um einen Leistungsanspruch, wie etwa einen Anspruch auf Schadensersatz, geltend zu machen2.
Im Bereich des Wettbewerbsrechts ist umstritten, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss, um einen begründeten Verdacht eines wettbewerbswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers, der – wie unter Rn. 70 ausgeführt – eine Voraussetzung eines Auskunftsanspruchs ist, annehmen zu können3.
Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts reicht es für einen Auskunftsanspruch grundsätzlich aus, wenn ein Arbeitnehmer erheblichen Anlass zu der Vermutung gegeben hat, er habe entgegen seiner Vertragspflicht Wettbewerb betrieben4. Verlangt wird insoweit grundsätzlich eine hohe Wahrscheinlichkeit5. Soweit in Einzelfällen eine geringe Wahrscheinlichkeit für ausreichend erachtet wurde, erfolgte dies – soweit ersichtlich – im Hinblick auf die Besonderheiten eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots6.
Während im Schrifttum vielfach ein „begründeter“7 oder „erheblicher“8 Anlass verlangt wird, was in der Sache keine wesentlichen Unterschiede bedeuten dürfte, sprechen sich andere Stimmen für das Erfordernis einer hohen Wahrscheinlichkeit der Konkurrenztätigkeit aus9.
Auch im vorliegenden Verfahren kann offen bleiben, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss, um einen begründeten Verdacht eines wettbewerbswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers annehmen zu können. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Arbeitgeberin im Zusammenhang mit den Kundinnen Sch und L Tatsachen vorgetragen hat, die die hohe Wahrscheinlichkeit zweier Wettbewerbsverstöße begründen und dass dies begründeten Anlass zu der Vermutung gab, dass der Arbeitnehmer auch in anderen Fällen gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen hat. Die konkreten Wettbewerbsverstöße begründen mithin den Verdacht der Wiederholung, weshalb sich der Auskunftsanspruch der Arbeitgeberin auch nicht auf die bereits benannten bzw. konkret behaupteten Vertragsverstöße beschränkt10. Dies gilt allerdings nur insoweit, als die Arbeitgeberin Auskunft über Geschäfte mit Personen verlangt, die zu ihrem – in der Anlage zum Tenor aufgeführten – Kundenkreis gehören. Für ein Auskunftsverlangen, das sich auf Geschäfte mit Personen bezieht, die im Klagezeitraum nicht zum Kundenstamm der Arbeitgeberin gehörten, ist demgegenüber kein Raum. Insoweit hat die Arbeitgeberin nicht im Ansatz etwas dafür vorgetragen, dass der Arbeitnehmer noch vor der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses entsprechend weitreichende geschäftliche Aktivitäten entfaltet hätte. Damit hat sie insoweit noch nicht einmal die geringe Wahrscheinlichkeit eines wettbewerbswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers dargetan.
In ihrer E-Mail vom 15.01.2018 hat die Kundin Sch mitgeteilt, der Arbeitnehmer sei im Oktober 2017 telefonisch an sie herangetreten, um sie für die W GbR abzuwerben. Daraufhin hat die Kundin ihre Verträge mit der Arbeitgeberin auch tatsächlich mit Ablauf des 30.11.2017 gekündigt und nach ihren Darlegungen anschließend Leistungen der W GbR in Anspruch genommen. Aus der E-Mail der Kundin L vom 23.08.2018 geht hervor, dass der Arbeitnehmer sie „während seiner Amtszeit“ abgeworben habe. Der Arbeitnehmer hat weder bestritten, dass die Kundinnen die betreffenden Erklärungen abgegeben haben noch geltend gemacht, dass die E-Mails insoweit „gefälscht“ seien. Da es sich bei der W GbR nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts um eine Wettbewerberin der Arbeitgeberin handelt, hat der Arbeitnehmer erheblichen Anlass gegeben zu vermuten, er habe die ihm angelasteten Vertragsverletzungen begangen. Dies gibt seinerseits – wie auch das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – Anlass zu der Vermutung, dass der Arbeitnehmer auch in anderen Fällen gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen hat.
Allerdings hat die Arbeitgeberin sich, soweit sie vermeintliche Verstöße des Arbeitnehmers gegen das Wettbewerbsverbot konkret benannt hat, lediglich auf Vertragsverletzungen berufen, die ihre eigenen Kunden betrafen. Soweit sie Auskunft über Geschäfte mit Personen verlangt, die im Klagezeitraum nicht zu ihrem Kundenstamm gehörten, hat sie nicht im Ansatz Umstände vorgetragen, aus denen sich ein begründeter Anlass für die Vermutung ergeben könnte, dass der Arbeitnehmer im maßgeblichen Klagezeitraum wettbewerbswidrig Geschäfte auch mit Personen außerhalb ihres Kundenstamms abgeschlossen, angebahnt oder vermittelt hat.
Die Arbeitgeberin ist auch in entschuldbarer Weise über die Tatsachen im Ungewissen, auf die sich ihr Auskunftsbegehren insgesamt bezieht. Zwar kann sie ohne Weiteres ermitteln, ob und wann einzelne Kunden ggf. ein mit ihr bestehendes Vertragsverhältnis gelöst haben. Sie hat aber – bis auf die og., den Kunden F betreffenden Geschäfte – keine konkrete Kenntnis darüber, welche Geschäfte auf Initiative des Arbeitnehmers zwischen ihren Kunden mit dem Arbeitnehmer oder Dritten, insbesondere der W GbR, zustande gekommen sind, welche Vergütungen insoweit vereinbart wurden und welche Zahlungen an wen geflossen sind. Über Geschäfte mit Kunden, die sie nicht konkret benannt hat, ist sie ohnehin vollständig im Ungewissen.
Die Arbeitgeberin kann auch nicht darauf verwiesen werden, an ihre Kunden heranzutreten, um sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen. Abgesehen davon, dass ihre Kunden keine Auskunftspflicht trifft und es deshalb völlig offen ist, ob diese einem Auskunftsbegehren nachkommen würden, war der Arbeitgeberin ein derartiges Vorgehen auch nicht zuzumuten. Ein entsprechendes Auskunftsersuchen wäre geeignet, die noch bestehenden Kundenbeziehungen zu belasten, was die Arbeitgeberin nicht in Kauf nehmen musste.
Der Arbeitnehmer kann die begehrte Auskunft auch unschwer erteilen. Dass ihm bestimmte Informationen, die zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs erforderlich sind, etwa Informationen über an die W GbR geflossene Zahlungen, nicht zugänglich wären, hat er nicht behauptet. Er hat auch keine schützenswerten eigenen Interessen oder solche der W GbR daran vorgetragen, diese Informationen gegenüber der Arbeitgeberin nicht offenlegen zu müssen.
Durch den Auskunftsanspruch der Arbeitgeberin, der sich – wie im Streitfall – auf die hohe Wahrscheinlichkeit bereits erfolgter Wettbewerbshandlungen des Arbeitnehmers stützt, wird auch die Darlegungs- und Beweissituation im Prozess nicht unzulässig verändert. Leistungsansprüche aus § 61 Abs. 1 HGB und damit konkurrierende Ansprüche lassen sich mit den von der Arbeitgeberin begehrten Informationen über abgeschlossene, angebahnte oder vermittelte Geschäfte und damit in Zusammenhang stehende Zahlungen bzw. Vergütungen allein nicht begründen. Die Arbeitgeberin muss im Streit auf der Leistungsstufe vielmehr insbesondere mit Blick auf entgangene Einnahmen die Umstände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls ergibt, dass ein Gewinn wahrscheinlich gewesen wäre. Ebenso muss sie zumindest greifbare Anknüpfungstatsachen vortragen und beweisen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind11.
Dem Auskunftsanspruch steht letztlich auch nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin sich bisher nicht festgelegt hat, ob sie auf der Leistungsstufe (wahlweise) Schadensersatz oder Gewinnherausgabe (Eintritt) fordern will. Zwar kann der Arbeitgeber nach § 61 Abs. 1 HGB bei einer Verletzung der dem Arbeitnehmer aus § 60 HGB obliegenden Verpflichtung nur entweder Schadensersatz fordern oder verlangen, dass der Arbeitnehmer die für eigene Rechnung getätigten Geschäfte als für seine Rechnung eingegangen gelten lässt und die aus den Geschäften bezogene Vergütung herausgibt oder einen Vergütungsanspruch abtritt12. Daraus folgt, dass beide Ansprüche nicht kumulativ verfolgt werden können. Eine Begrenzung des Auskunftsanspruchs ergibt sich daraus jedoch nicht, da dieser auch der Vorbereitung der Ausübung des Wahlrechts dient13.
Der Arbeitnehmer hat die begründeten Auskunftsansprüche der Arbeitgeberin nicht erfüllt. Er hat lediglich bestritten, gegen das im laufenden Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin bestehende Wettbewerbsverbot verstoßen zu haben. In diesem Bestreiten liegt keine „Negativauskunft“. Seinen prozessualen Äußerungen ist nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Erklärungen zumindest auch zum Zwecke der Auskunftserteilung erfolgten.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. November 2021 – 8 AZR 226/20
- st. Rspr., zB BAG 24.02.2021 – 10 AZR 8/19, Rn. 39 mwN[↩]
- zu den Voraussetzungen im Einzelnen: vgl. BAG 24.02.2021 – 10 AZR 8/19, Rn. 40 ff.; 27.05.2020 – 5 AZR 387/19, Rn. 31 mwN, BAGE 170, 327[↩]
- offengelassen von BAG 24.02.2021 – 10 AZR 8/19, Rn. 53[↩]
- BAG 12.05.1972 – 3 AZR 401/71, zu A I 1 a der Gründe[↩]
- BAG 21.10.1970 – 3 AZR 479/69, zu 2 c und d der Gründe[↩]
- vgl. etwa BAG 19.04.1967 – 3 AZR 347/66, zu II 4 der Gründe[↩]
- HWK/Diller 9. Aufl. § 61 HGB Rn. 10; BeckOK ArbR/Hagen Stand 1.09.2021 HGB § 61 Rn. 4; HK-ArbR/Schütte/Schlegel 4. Aufl. § 61 HGB Rn. 3[↩]
- MünchKomm-HGB/Thüsing 5. Aufl. § 61 Rn. 26; Wagner/Vogt in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas HGB 5. Aufl. § 61 Rn. 21[↩]
- zB ErfK/Oetker 22. Aufl. HGB § 61 Rn. 6; Schaub ArbR-HdB/Vogelsang 19. Aufl. § 54 Rn. 26; BeckOK HGB/Wetzel Stand 15.10.2021 § 61 Rn. 22; womöglich abschwächend BeckOGK/Ittmann HGB Stand 15.09.2021 Rn. 29: „in ausreichendem Umfang Anlass gegeben“[↩]
- vgl. etwa BAG 19.04.1967 – 3 AZR 347/66, zu II 3 der Gründe[↩]
- vgl. BAG 24.02.2021 – 10 AZR 8/19, Rn. 65 mwN[↩]
- vgl. BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, Rn. 12, BAGE 143, 203[↩]
- HWK/Diller 9. Aufl. § 61 HGB Rn. 10 mwN[↩]