Wochenarbeitszeit: 52,5 Stunden

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können arbeitsvertraglich wirksam nur eine Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden vereinbaren. Die getroffene Arbeitszeitvereinbarung ist nach § 3 ArbZG iVm. § 134 BGB unwirksam, soweit sie eine Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit vorsieht. Eine tatsächlich über diese Grenze hinaus erbrachte Arbeitsleistung ist gleichwohl zusätzlich zu vergüten.

Wochenarbeitszeit: 52,5 Stunden

Nach § 3 ArbZG darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. § 3 ArbZG ist ein Verbotsgesetz iSv. § 134 BGB1.

Die Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 52, 5 Stunden verstößt gegen § 3 ArbZG. Der Verstoß hat jedoch nach § 134 BGB nicht die Nichtigkeit der Arbeitszeitvereinbarung insgesamt, sondern deren Teilnichtigkeit zur Folge. Die Vereinbarung ist wirksam, soweit sie eine Arbeitsleistung von wöchentlich 48 Stunden vorsieht.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt, § 134 BGB. Dabei muss das Rechtsgeschäft selbst verbotswidrig sein. Das ist der Fall, wenn sein Inhalt gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, insbesondere der mit dem Rechtsgeschäft bezweckte Erfolg verbotswidrig ist2. Das Verbot braucht nicht unmittelbar im Gesetzeswortlaut Ausdruck gefunden zu haben. Es kann sich auch aus Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift ergeben. Maßgebend ist insoweit die Reichweite ihres Schutzzwecks3.

Die Arbeitszeitvereinbarung der Parteien ist nach § 134 BGB nur unwirksam, soweit sie im Widerspruch zu § 3 ArbZG steht. § 3 ArbZG soll den Arbeitnehmer vor Überforderung durch übermäßige zeitliche Inanspruchnahme schützen. Die Vorschrift begründet ein gesetzliches Beschäftigungsverbot aufgrund dessen es dem Arbeitgeber – nur – untersagt ist, Arbeitsleistung in einem die gesetzlichen Höchstgrenzen übersteigenden Umfang anzuordnen oder entgegenzunehmen4. § 3 ArbZG gibt damit eine Grenze für das Arbeitszeitvolumen vor, das wirksam als geschuldet vereinbart werden kann. Im Rahmen des gesetzlich Zulässigen bleibt eine gegen die gesetzlichen Höchstgrenzen verstoßende Arbeitszeitvereinbarung wirksam.

Die Arbeitnehmerin hat nach § 612 Abs. 1 BGB Anspruch auf Vergütung der wöchentlich über die gesetzlich zulässigen 48 Stunden hinaus geleisteten 4, 5 Arbeitsstunden, denn sie schuldete für das vereinbarte Arbeitsentgelt lediglich eine Arbeitsleistung in gesetzlich zulässigem Umfang.

Die Vergütung von Arbeitsstunden setzt – bei Fehlen einer anwendbaren gesetzlichen oder kollektivrechtlichen Regelung – entweder eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine Vergütungspflicht nach § 612 Abs. 1 BGB voraus5.

Eine anderweitige normative Regelung, die einen Vergütungsanspruch der Arbeitnehmerin begründen könnte, besteht nicht. Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Vergütung, der von der Arbeitnehmerin wöchentlich über 48 Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden, weder vereinbart noch ausgeschlossen.

Anspruchsgrundlage für das Begehren der Arbeitnehmerin ist § 612 Abs. 1 BGB.

§ 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Vergütung, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der Vergütungsabrede erfasst6 und damit Leistungen erbringt, die durch die vereinbarte Vergütung nicht entgolten sind, und weder einzel- noch tarifvertraglich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind7.

Die über 48 Stunden hinausgehende Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin wurde von der Vergütungsabrede der Parteien nicht erfasst. Nach § 611 Abs. 1 BGB schuldet der Arbeitnehmer für die vereinbarte Vergütung qualitativ und quantitativ allein die vereinbarte Arbeitsleistung8. Der Arbeitgeber kann Arbeitsleistung allerdings nur im Rahmen des gesetzlich Zulässigen verlangen. Das vereinbarte Bruttojahresentgelt in Höhe von 32.500, 00 Euro stellt deshalb die Gegenleistung für die wirksam vereinbarte Arbeitszeit dar, dh. für 48 Arbeitsstunden wöchentlich.

Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

§ 612 BGB sieht nicht für jede Dienstleistung, die über die vertraglichen Pflichten hinaus erbracht wird, eine Vergütung vor. Vielmehr setzt die Norm stets voraus, dass die Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt9.

Die Leistung von Arbeitsstunden durch die Arbeitnehmerin über das geschuldete Maß hinaus war nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten. Besondere Umstände, die gegen eine objektive Vergütungserwartung sprechen könnten, ergeben sich weder aus der Tätigkeit und Stellung der Arbeitnehmerin noch aus der Höhe ihres Einkommens10.

Der Verstoß gegen § 3 ArbZG führt nicht zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs. Der Sinn des § 3 ArbZG besteht darin, eine Überforderung des Arbeitnehmers zu vermeiden11. Der Schutzzweck des § 3 ArbZG gebietet nicht, dem Arbeitnehmer Vergütung für Arbeitsleistungen zu versagen, die der Arbeitgeber trotz des Beschäftigungsverbots in Anspruch genommen hat. Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes untersagen es dem Arbeitgeber nicht, die über die gesetzlich zulässigen Höchstgrenzen hinaus erbrachten Arbeitsleistungen zu vergüten.

Für die Höhe der von der Arbeitgeberin geschuldeten Vergütung bleibt die vereinbarte Vergütung maßgebend. Die Vereinbarung einer Jahresvergütung bei gleichzeitiger Festlegung der regelmäßigen Arbeitszeit rechtfertigt den Schluss, dass sich die Jahresvergütung grundsätzlich auf die geschuldete Arbeitszeit bezieht und darüber hinausgehende Stunden anteilig zu vergüten sind12.

Der mit der Reduzierung der – vermeintlich – geschuldeten Arbeitsleistung auf das gesetzlich zulässige Maß verbundene Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma rechtfertigt keine andere Bewertung.

Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wird durch das Verhältnis von geschuldeter Arbeitsleistung und Vergütung bestimmt13. Für den Wert der Arbeitsleistung sollte nach den Vorstellungen der Parteien eine Arbeitszeit von 52, 5 Stunden wöchentlich in Relation zur vereinbarten Vergütung bestimmend sein.

Eine diesem Regelungsplan Rechnung tragende ergänzende Vertragsauslegung zur Ermittlung der Höhe der geschuldeten Vergütung14 scheidet aus, weil die vertragliche Regelung nicht lückenhaft ist. Der Verstoß gegen § 3 ArbZG hat nach §§ 134, 139 BGB allein die Teilnichtigkeit der Arbeitszeitvereinbarung zur Folge. Er lässt die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung im Übrigen unberührt15.

Eine andere Bemessung der Vergütung für die wöchentlich über 48 Stunden hinaus geleisteten 4, 5 Arbeitsstunden ist auch nicht unter Berücksichtigung der in § 313 BGB kodifizierten Rechtsgrundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage geboten.

Nach § 313 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB kann, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen, eine Anpassung des Vertrags nur verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann16. Eine Störung der Geschäftsgrundlage kann bei einem beiderseitigen Irrtum über die Rechtslage bei Abschluss des Vertrags anzunehmen sein, wenn ohne diesen beiderseitigen Irrtum der Vertrag nicht wie geschehen geschlossen worden wäre17. Eine Vertragsanpassung ist jedoch auch in diesem Fall nur bei erheblichen Störungen des Äquivalenzverhältnisses in Betracht zu ziehen.

Von einer die Anpassung der Vergütungsabrede rechtfertigenden Störung der Geschäftsgrundlage kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Der mit der Reduzierung der – vermeintlich – geschuldeten wöchentlichen Arbeitsleistung von 52, 5 Stunden auf das gesetzlich zulässige Maß von 48 Stunden – dh. um weniger als 9 % – unter Beibehaltung der vereinbarten Vergütung verbundene Eingriff in das Äquivalenzverhältnis ist nicht so schwerwiegend, dass der Arbeitgeberin ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar wäre.

Die Arbeitnehmerin hat ihren Vergütungsanspruch vorliegend auch nicht verwirkt.

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen (Zeitmoment). Es müssen vielmehr besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Durch die Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Die Verwirkung dient dem Vertrauensschutz. Weiterhin muss – als Zumutbarkeitsmoment – das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem in Anspruch Genommenen die Erfüllung des Anspruchs oder die Einlassung auf die Klage nicht mehr zuzumuten ist18.

Eine Verwirkung kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil sich aus dem Vorbringen der Arbeitgeberin und dem unstreitigen Sachverhalt keine Tatsachen ergeben, die geeignet wären, die Annahme zu rechtfertigen, der Arbeitgeberin sei es aufgrund eigener Dispositionen „unzumutbar“ geworden19, die Ansprüche der Arbeitnehmerin zu erfüllen, oder es sei ihr aufgrund sonstiger Umstände unzumutbar, sich auf die Klage einzulassen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. August 2016 – 5 AZR 129/16

  1. Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. Einf. Rn. 53; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 155 Rn. 4[]
  2. BAG 18.03.2009 – 5 AZR 355/08, Rn. 15, BAGE 130, 34[]
  3. vgl. BAG 19.03.2009 – 8 AZR 722/07, Rn. 25, BAGE 130, 90; 22.11.2012 – 2 AZR 371/11, Rn. 38, BAGE 144, 47; 19.08.2015 – 5 AZR 500/14, Rn. 31, 32, BAGE 152, 228[]
  4. vgl. BAG 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, Rn. 15, BAGE 116, 66[]
  5. vgl. BAG 25.03.2015 – 5 AZR 602/13, Rn. 16, BAGE 151, 180[]
  6. BAG 18.05.2011 – 5 AZR 181/10, Rn. 17; 25.03.2015 – 5 AZR 602/13, Rn. 17, BAGE 151, 180[]
  7. st. Rspr., BAG 29.01.2003 – 5 AZR 703/01, zu I 1 der Gründe; 6.12 2006 – 5 AZR 737/05, Rn. 16; 23.09.2015 – 5 AZR 626/13, Rn.20[]
  8. vgl. BAG 25.03.2015 – 5 AZR 874/12, Rn.20; 23.09.2015 – 5 AZR 626/13, Rn.20[]
  9. BAG 22.02.2012 – 5 AZR 765/10, Rn. 21[]
  10. vgl. BAG 22.02.2012 – 5 AZR 765/10, Rn. 21[]
  11. BAG 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, Rn. 15, BAGE 116, 66[]
  12. vgl. BAG 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, Rn. 15, 16, BAGE 116, 66[]
  13. BAG 27.04.2016 – 5 AZR 311/15, Rn. 25[]
  14. vgl. hierzu BAG 18.11.2015 – 5 AZR 751/13, Rn. 26 ff.[]
  15. vgl. Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 34 Rn.20[]
  16. BAG 23.04.2013 – 3 AZR 513/11, Rn. 36[]
  17. vgl. zum Wegfall der Geschäftsgrundlage BAG 12.01.2005 – 5 AZR 144/04, zu B I 3 a der Gründe[]
  18. BAG 25.04.2006 – 3 AZR 372/05, Rn.20, BAGE 118, 51; 22.02.2012 – 4 AZR 579/10, Rn. 43; 25.09.2013 – 5 AZR 936/12, Rn. 15[]
  19. vgl. BAG 25.09.2013 – 5 AZR 936/12, Rn. 28[]