Das Recht auf ein faires Verfahren vermittelt einem bedürftigen Betroffenen, der sich gegen eine gerichtlich angeordnete Überstellungshaft wenden will, keinen unbedingten Anspruch auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe, um ihn von Gerichtsgebühren zu entlasten, die für die Übersendung der Gerichtsakten an seinen Verfahrensbevollmächtigten anfallen.
In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall reiste die betroffene eritreische Staatsangehörige am 28.03.2022 aus Österreich kommend nach Deutschland ein und wurde am gleichen Tag am Bahnhof F ohne Aufenthaltstitel oder Ausweispapiere aufgegriffen. Nach wiederholter Anordnung einer vorläufigen Freiheitsentziehung hat das Amtsgericht Hof auf Antrag der beteiligten Behörde mit Beschluss vom 06.05.2022 die Haft bis zum 25.05.2022 verlängert1). Mit Schriftsatz vom 13.05.2022 hat Rechtsanwalt F seine Bevollmächtigung gegenüber dem Amtsgericht angezeigt, Aktenübersendung unter Verwahrung gegen die dafür anfallenden Kosten sowie die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe beantragt und angekündigt, nach Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und anschließend gewährter Akteneinsicht die Beschwerde zu begründen. Das Beschwerdegericht hat mit Beschluss vom 05.07.2022 den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe abgelehnt und mit weiterem Beschluss vom 11.10.2022 die – nach Rücküberstellung der Betroffenen – auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung gerichtete und nicht weiter begründete Beschwerde zurückgewiesen2.
Der Bundesgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen:
Die Betroffene ist nicht deshalb in ihrem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 iVm Art.20 Abs. 3 GG)3 verletzt, weil das Beschwerdegericht ihr Verfahrenskostenhilfe weder für das Beschwerde- noch für das Verfahrenskostenhilfeverfahren gewährt hat.
Das Recht auf ein faires Verfahren vermittelt einem bedürftigen Betroffenen, der sich gegen eine gerichtlich angeordnete Überstellungshaft wenden will, keinen unbedingten Anspruch auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe.
Die Vorschriften über die Verfahrenskosten- und die Beratungshilfe eröffnen ihm – vor Geltung des § 62d AufenthG4 – hinreichende Möglichkeiten, von Gerichtsgebühren, die für die Übersendung der Gerichtsakten an seinen Bevollmächtigten anfallen, nach den danach geltenden Voraussetzungen entlastet zu werden.
Gemäß § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 GNotKG iVm KV 31003 fallen für die Übersendung von Akten zum Zweck der Akteneinsicht Gebühren in Höhe von 12 € an. Für diese Gebühr haftet nach § 26 Abs. 2 GNotKG der Verfahrensbevollmächtigte, der – wie hier – die Aktenübersendung beantragt hat. Sie ist nach § 11 Abs. 2 GNotKG sofort nach ihrer Entstehung fällig, wobei die Aktenübersendung gemäß § 14 Abs. 2 GNotKG nicht zwingend von der Einzahlung eines Vorschusses abhängig zu machen ist. Diese Regelung ist verfassungsgemäß, insbesondere verstößt sie nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens5.
Die Gebühr, die der Verfahrensbevollmächtigte nach § 670 Abs. 1 BGB von seinem Auftraggeber ersetzt verlangen kann, muss der Betroffene auch in Freiheitsentziehungssachen jedoch nicht stets selbst tragen. Hat eine beabsichtigte Rechtsverfolgung – wie hier die Beschwerde gegen die Anordnung von Überstellungshaft – Aussicht auf Erfolg und ist dem Betroffenen auf seinen Antrag daher Verfahrenskostenhilfe zu gewähren (§ 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO), werden die Kosten der Aktenübersendung von der Staatskasse getragen (§ 76 FamFG, § 45 Abs. 1, § 46 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3, § 55 RVG). Ein solcher Ersatzanspruch ist auch im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens aber nicht voraussetzungslos zu gewähren. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Gesetzgeber die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht hat, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint6. Mit den Regelungen über die Prozess- und Verfahrenskostenhilfe sind die nach Art. 3 Abs. 1, Art.20 Abs. 3, Art.19 Abs. 4 GG notwendigen Vorkehrungen getroffen, um auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen; eine vollständige Gleichstellung mit Bemittelten ist hingegen nicht geboten. Insbesondere muss der Unbemittelte – auch in Abschiebungs- oder Überstellungshaftsachen – nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt7.
Will der Betroffene darüber hinaus das Risiko vermeiden, für den Fall mangelnder Erfolgsaussicht seiner Rechtsverfolgung die Kosten zu tragen, die mit der Prüfung der Erfolgsaussicht durch einen rechtlichen Beistand im Hinblick auf einen möglichen Verfahrenskostenhilfeantrag verbunden sind, so steht es ihm gegebenenfalls frei, für diese Prüfung Beratungshilfe gemäß § 1 Abs. 1 BerHG zu beantragen8. Die Gewährung dieser staatlichen Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens setzt lediglich voraus, dass andere Möglichkeiten für eine Hilfe nicht zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Betroffenen zuzumuten ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG), die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BerHG) und ihm Verfahrens- oder Prozesskostenhilfe ohne einen eigenen Beitrag zu gewähren wäre (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BerHG). Wird Beratungshilfe gewährt, kann der Rechtsanwalt die für die Aktenübersendung angefallenen Kosten nach § 44 Abs. 1, § 46 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3, § 55 RVG ebenfalls von der Staatskasse ersetzt verlangen. Verfahrenskostenhilfe für das Verfahrenskostenhilfeverfahren gibt es demgegenüber nicht9. Dies gilt umso mehr, als es einem Verfahrensbevollmächtigten jederzeit freisteht, die Akten auf der Geschäftsstelle des Gerichts einzusehen, und die Aktenübersendung vor allem seiner Arbeitserleichterung dient.
Nach diesen Maßstäben war das Landgericht Hof nicht gehalten, der mittellosen Betroffenen trotz fehlender Erfolgsaussichten Verfahrenskostenhilfe zu gewähren. Dass sie im Streitfall nicht in der Lage war, Beratungshilfe zu beantragen, bevor sie durch den von ihr bereits beauftragten Bevollmächtigten Beschwerde einlegen und Verfahrenskostenhilfe beantragen ließ, lässt die Rechtsbeschwerde nicht erkennen. Das Beschwerdegericht war im Übrigen auch nicht verpflichtet, dem Verfahrensbevollmächtigten die Akten unter Verzicht auf die Auslagenpauschale gemäß KV 31002 zu übersenden. Zum einen hatte dieser den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht ausdrücklich von der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abhängig gemacht, zum anderen hatte er sich geweigert, die für die Akteneinsicht anfallenden Gebühren zu übernehmen, für die er nach § 26 Abs. 2 GNotKG haftet.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. Oktober 2025 – XIII ZB 84/22
- AG Hof, Beschluss vom 06.05.2022 – 25 XIV 180/22 (B[↩]
- LG Hof, Beschluss vom 11.10.2022 – 22 T 78/22[↩]
- vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 05.05.1994 – 2 BvR 2653/93, StV 1994, 552 8]; vom 25.09.2018 – 2 BvR 1731/18 22 mwN; vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18, NJW 2021, 455 Rn. 32; BGH, Beschluss vom 10.07.2014 – V ZB 32/14, InfAuslR 2014, 442 Rn. 8[↩]
- vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11.06.2024 – XIII ZA 2/24, InfAuslR 2025, 136 Rn. 11[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.03.1996 – 2 BvR 386/96, NJW 1996, 2222 11 ff.][↩]
- vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 24.07.2002 – 2 BvR 2256/99, NJW 2003, 576 15 f.]; vom 02.07.2012 – 2 BvR 2377/10, NJW 2012, 3293 Rn. 11[↩]
- ebd.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 30.05.1984 – VIII ZR 298/83, NJW 1984, 2106 4][↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 30.05.1984 – VIII ZR 298/83, BGHZ 91, 311 3]; Beschluss vom 08.06.2004 – VI ZB 49/03, BGHZ 159, 263 6][↩]











