Das Bundesverfassungsgericht hat aktuell eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die Ablehnung der Familiengerichte wendet, den Samenspender als Vater von mehreren in einer kalifornischen Fortpflanzungsklinik kryokonservierten Embryonen festzustellen.

Ausgangssachverhalt[↑]
Der beschwerdeführende Samenspenders lebt mit seinem Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie leben im gemeinsamen Haushalt mit zwei im Jahr 2012 von einer Leihmutter in Kalifornien geborenen Töchtern. Nach Angaben des Samenspenders wurden die Töchter mit seinen Spermazellen und Eizellen einer Spenderin in Kalifornien künstlich erzeugt. Parallel dazu sind neun Embryonen entstanden. Diese sind seither in einer kalifornischen Fortpflanzungsklinik kryokonserviert. Der Samenspender möchte die Embryonen „zur Geburt führen“. Die Eizellenspenderin habe kein Interesse daran, die Embryonen selbst auszutragen. Sie habe diese „freigegeben“, damit der Samenspender ihnen über Leihmütter zur Geburt verhelfen könne. Zwischenzeitlich wurden weitere der Embryonen kalifornischen Leihmüttern eingepflanzt.
Die familiengerichtlichen Entscheidungen[↑]
Das Amtsgericht Neuss wies den Antrag des Samenspenders auf Feststellung der Vaterschaft an den extrakorporal aufbewahrten Embryonen ab1. Kollisionsrechtlich sei deutsches Sachrecht anzuwenden. Das deutsche Abstammungsrecht, das an die durch die Geburt vermittelte Zugehörigkeit des Kindes zu einer bestimmten Frau als Mutter und einem bestimmten Mann als Vater anknüpfe, kenne keine pränatale gerichtliche Vaterschaftsfeststellung.
Die dagegen erhobene Beschwerde des Samenspenders wies das Oberlandesgericht zurück, da das maßgebliche deutsche Recht die Möglichkeit einer Vaterschaftsfeststellung vor der Geburt des Kindes nicht eröffne2.
Die zugelassene Rechtsbeschwerde des Samenspenders wies der Bundesgerichtshof ebenfalls zurück3: Die Würdigung des Beschwerdegerichts halte der rechtlichen Nachprüfung stand. Die vor den zuständigen deutschen Gerichten begehrte Feststellung der Vaterschaft für die kryokonservierten Embryonen sei nach dem anzuwendenden deutschen Recht nicht möglich. Eine Vaterschaftsfeststellung vor der Geburt des Kindes sehe das deutsche Abstammungsrecht nicht vor. Auch unmittelbar aus der Verfassung folge kein Anspruch auf Vaterschaftsfeststellung oder auf die Zuerkennung eines gleichwertigen Zuordnungsstatus. Zum einen sei nicht ersichtlich, inwiefern die Embryonen eines Schutzes durch den Samenspender bedürften, den dieser nicht bereits jetzt – wenn auch auf vertraglicher Grundlage im Verhältnis zu der kalifornischen Reproduktionsklinik – sicherstellen könnte. Zum anderen bedürfe es zur Gewährleistung des Schutzes für die Embryonen ohnedies nicht der Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses oder eines vergleichbaren Status. Der Samenspender werfe Fragen der Fürsorge auf, die nicht dem Abstammungsrecht zugeordnet seien.
DieEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts[↑]
Das Bundesverfassungsgericht sah die Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Begründung als unzulässig an und nahm sie nicht zur Entscheidung an:
Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt nicht den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Substantiierungsanforderungen.
Der Samenspender zielt darauf ab, einen abstammungsrechtlichen Status zu erlangen, um „elterliche“ Schutzverantwortung pränatal wahrzunehmen. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung die zuvörderst den Eltern obliegende Pflicht4. Ob sich die verfassungsrechtliche Schutzverantwortung auf kryokonservierte Embryonen erstreckt, ob danach sicherzustellen wäre, dass die Embryonen „einer Geburt zugeführt werden“ und ob eine solche etwaige Schutzverantwortung nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in erster Linie dem Mann obläge, mit dessen Spermazellen die kryokonservierten Embryonen geschaffen wurden, bedarf hier keiner Klärung. Der Beschwerdebegründung ist die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Elternrecht des Samenspenders auch unabhängig davon nicht zu entnehmen.
a)) Die Begründung der Verfassungsbeschwerde soll dem Bundesverfassungsgericht eine zuverlässige Grundlage für die weitere Behandlung des Verfahrens verschaffen5. Zur Begründung gehört, dass das angeblich verletzte Recht bezeichnet und der seine Verletzung enthaltende Vorgang substantiiert dargelegt wird6. Wesentlicher Zweck des Begründungserfordernisses ist es sicherzustellen, dass das Bundesverfassungsgericht ohne weitere Ermittlungen über die Sachentscheidungsvoraussetzungen befinden und sich darüber hinaus bei Verfassungsbeschwerden im Hinblick auf das Annahmeverfahren eine Meinung über die Erfolgsaussicht des Begehrens bilden kann7.
Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Insbesondere hat der Samenspender nicht plausibel aufgezeigt, dass die pränatale Zuordnung eines Vaterschaftsstatus oder eines vergleichbaren Status zum Schutz der im Ausland eingefrorenen Embryonen erforderlich sein könnte.
Die Verfassungsbeschwerde stellt den dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt nur lückenhaft dar. Der Samenspender teilt hierbei grundlegende Umstände, denen er selbst eine potentielle Bedeutung für die verfassungsrechtliche Beurteilung beimisst, nicht mit. Dies gilt etwa hinsichtlich Angaben zu den Bedingungen und Vereinbarungen der In-Vitro-Fertilisation und der Kryokonservierung der Embryonen im Verhältnis zur Fortpflanzungsklinik und zur Eizellenspenderin sowie zu den hierüber geschlossenen Verträgen. Ebenso fehlt jeglicher Vortrag dazu, ob und in welchem Umfang (Mit-)Bestimmungs-möglichkeiten oder umgekehrt (Mit-)Bestimmungshindernisse des Samenspenders hinsichtlich des weiteren Schicksals der Embryonen bestehen. Weiterhin fehlt jegliche Darstellung, inwiefern in Kalifornien ein behördlicher und rechtlicher Rahmen betreffend den Umgang mit extrakorporal gelagerten Embryonen (nicht) zur Verfügung steht. Unter diesen Umständen ist nicht überprüfbar, ob der vom Samenspender geltend gemachte Schutzbedarf überhaupt bestehen kann.
Auch ist der Verfassungsbeschwerde nicht zu entnehmen, dass ein Schutz der Embryonen gerade durch pränatale Vaterschaftsfeststellung gesichert werden müsste. Das Beschwerdevorbringen setzt sich nicht mit der naheliegenden Frage auseinander, ob das einfache deutsche Recht nicht bereits adäquate Möglichkeiten zum Schutze von extrakorporal aufbewahrten Embryonen eröffnet8. Insbesondere fehlt jegliche Befassung mit den gesetzlich geregelten Möglichkeiten pränataler Pflegschaft zur fürsorglichen Wahrnehmung der Interessen des nasciturus (vgl. § 1912 BGB) und des nondum conceptus (vgl. § 1913 BGB). Dazu, ob gegebenenfalls auf Grundlage einer (analogen) Anwendung von § 1912 BGB oder § 1913 BGB die Möglichkeit einer Pflegschaft zur Wahrung der Interessen auch des extrakorporal aufbewahrten Embryos eröffnet sein könnte und weshalb entsprechende Fürsorgemöglichkeiten gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären, verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Vor diesem Hintergrund ist selbst bei Annahme eines verfassungsrechtlichen Schutzbedarfs nicht erkennbar, dass de lege lata keine ausreichenden Schutzvorkehrungen bereit stünden.
Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb die Feststellung des Vaterstatus oder eines vergleichbaren abstammungsrechtlichen Status als Erzeuger die Rechtsstellung des Samenspenders im Hinblick auf sein Ziel der Lebenserhaltung der im Ausland aufbewahrten Embryonen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht verbessern würde. Insbesondere ist weder dargetan noch ersichtlich, inwiefern es eines entsprechenden Status nach deutschem Recht bedarf oder ein solcher förderlich wäre, um die in Kalifornien kryokonservierten Embryonen „einer Geburt zuzuführen“. Insoweit fehlt etwa jeglicher Vortrag, weshalb seine Interessen durch die – im Übrigen weder vorgelegten noch ihrem Inhalt nach wiedergegebenen – Verträge mit der Fortpflanzungsklinik und der Eizellenspenderin nicht ausreichend gewahrt sein sollen. Dies gilt umso mehr, da nach dem eigenen Vortrag des Samenspenders die Eizellenspenderin die Embryonen „freigegeben“ hat, damit der Samenspender deren Austragung durch Leihmütter veranlassen kann, was nach seiner Darstellung in Bezug auf weitere der kryokonservierten Embryonen zwischenzeitlich geschehen ist.
Danach kann hier auch die verfassungsrechtlich ungeklärte Frage nach der territorialen Reichweite der Grundrechte offenbleiben. Dahinstehen kann auch, inwieweit sich der Samenspender, der sich bewusst unter das Rechtsregime eines anderen Staates begeben hat, um die Verbotstatbestände des nationalen Embryonenschutzgesetzes zu umgehen, verfassungsrechtlich darauf berufen könnte, nach deutschem Recht einen Status zu erlangen, der vermeintlich dem Schutz der im Ausland befindlichen Embryonen dienen soll.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Januar 2017 – 1 BvR 2322/16
- AG Neuss, Beschluss vom 26.02.2014 – 45 F 386/13[↩]
- OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.07.2015 – II-1 UF 83/1[↩]
- BGH, Beschluss vom 24.08.2016 – XII ZB 351/15[↩]
- vgl. BVerfGE 133, 59, 73 f., Rn. 42[↩]
- vgl. BVerfGE 15, 288, 292[↩]
- vgl. BVerfGE 81, 208, 214[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.02.1999 – 1 BvR 1840/98, Rn. 7 m.w.N., juris; Beschluss vom 22.08.2012 – 1 BvR 573/12 13 m.w.N.[↩]
- dazu Coester-Waltjen, FamRZ 2015, S.1982 m.w.N.[↩]