Die Drohung mit der Fortsetzung einer Steuerfahndungsprüfung berechtigt den Steuerpflichtigen nicht zur Anfechtung der daraufhin geschlossenen tatsächlichen Verständigung.

Zwar sind die Anfechtungsvorschriften der §§ 119, 123 BGB auf tatsächliche Verständigungen im Steuerverfahren grundsätzlich anwendbar [1]. Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB ist die vom Gegner ernst genommene Ankündigung eines künftigen Übels, das nach Bekundung des Drohenden und der Ansicht des Gegners vom Drohenden herbeigeführt werden kann und soll, wenn der Bedrohte die angesonnene Willenserklärung nicht abgibt [2]. Es genügt also, dass der Bedrohte ernstlich nach seiner subjektiven Vorstellung davon ausgeht, der Drohende könne den Eintritt des Nachteils beeinflussen [3].
Der Anfechtungsgrund der Drohung liegt nach Ansicht des Finanzgerichts Köln jedoch nicht vor, wenn eine Drohung des Inhalts anzunehmen wäre, die Steuerfahndung habe den Steuerpflcihtigen zur Unterzeichnung einer tatsächlichen Verständigung dadurch bestimmt, dass sie ihm mit der Weiterführung der bis dahin noch nicht verfolgten Ermittlungsansätze gedroht habe. Eine derart unterstellte Drohung ist nicht rechtswidrig.
Die Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB ist nach allgemeiner Auffassung dann widerrechtlich, wenn das Mittel, d.h. das angedrohte Verhalten, oder der Zweck, d.h. die abgenötigte Willenserklärung, oder jedenfalls die Verknüpfung von beidem widerrechtlich ist [4].
Das Nötigungsmittel, also die angedrohte Handlung, ist rechtswidrig, wenn es eine strafbare Handlung darstellt oder gegen die Sittenordnung verstößt. Dass die Steufa ankündigt, ihren Gesetzesauftrag zur Erforschung von Straftaten gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu erfüllen und weitere Ermittlungen durchzuführen, kann nicht rechtswidrig sein. Sollten sich dabei weitere Feststellungen zulasten des Klägers ergeben, so ist dies vom Gesetzeszweck gedeckt.
Der Zweck der Steufa-Drohung, die Abgabe einer abgenötigten Willenserklärung zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung, ist ebenfalls nicht rechtswidrig. Die tatsächliche Verständigung ist vielmehr ein von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkanntes Rechtsinstitut zur Verfahrensförderung, Verfahrensbeschleunigung und zur Herstellung von Rechtsfrieden [5]; von der tatsächlichen Verständigung kann auch bei Steuerfahndungsprüfungen bzw. nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens Gebrauch gemacht werden [6].
Auch die Zweck-Mittel-Relation begründet hier nicht die Widerrechtlichkeit der Drohung der Steufa. Die Drohung ist bei erlaubtem Mittel und Ziel nicht allein deswegen widerrechtlich, weil der Drohende keinen Rechtsanspruch auf die Erklärung des Bedrohten hat. Vielmehr ist in erster Linie zu prüfen, ob der Drohende an der Erreichung des von ihm erstrebten Erfolges ein berechtigtes Interesse hat, und ob die ausgesprochene Drohung nach der Auffassung aller billig und gerecht Denkenden ein angemessenes Mittel darstellt [7]. Bei der Prüfung der Inadäquanz von Zweck und Mittel sind demnach alle Umstände zu berücksichtigen, die dem Vorgang sein Gepräge geben; es sind nicht nur die Belange des Bedrohten, sondern auch die des Drohenden zu berücksichtigen [8].
Nach diesen auf die Anfechtungssituation einer tatsächlichen Verständigung entsprechend zu übertragenden Voraussetzungen rechtfertigen die gesamten Umstände gegenüber der Steufa hier nicht den Vorwurf verwerflichen Vorgehens. Die Steufa als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft (§ 404 Satz 2, 2. Halbsatz AO) hat an der Erreichung des von ihr erstrebten Erfolges ‑der Zustimmung des Klägers zur tatsächlichen Verständigung- ein berechtigtes Interesse, und die Drohung mit der Weiterführung der Fahndungsprüfung stellt nach der Auffassung aller billig und gerecht Denkenden ein angemessenes Mittel dar.
Gesetzliche Aufgabe der Steufa ist gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten. Wenn die Feststellungen in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren dem Grunde nach ausreichen, eine Steuerhinterziehung anzuklagen, es allerdings weiterer umfangreicher Sachaufklärung bedarf, die exakte Höhe der hinterzogenen Steuer festzustellen, entspricht es einem berechtigten Interesse der Steufa als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft (§ 404 Satz. 2, 2. Halbsatz AO), den Beschuldigten aus Gründen der Verfahrensökonomie zum Abschluss einer tatsächlichen Verständigung zu bewegen.
Denn Zweck der tatsächlichen Verständigung ist es, zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist, den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt i.S. des § 88 AO einvernehmlich festzulegen [9]. Dass die Steufa angesichts des grundsätzlichen Prüfungsauftrages, etwaige Straftaten vollständig aufzuklären einerseits und der dazu benötigten, offenbar tatsächlich nicht immer mehr vorhandenen personellen und zeitlichen Ressourcen eine tatsächliche Verständigung vorschlägt und ihm Gegenzug anbietet, weitere Ermittlungen zu unterlassen, stellt ein Angebot dar, das nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 08.10.2008 – I R 63/07, BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121; Peter Fischer, jurisPR-SteuerR 15/2010, Anm. 2)) gerade einen rechtlich zulässigen beschleunigten Abschluss des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens darstellen kann. Vor diesem Hintergrund vermag das Finanzgericht Köln nicht festzustellen, dass die Drohung mit der Weiterführung der Fahndungsprüfung nach der Auffassung aller billig und gerecht Denkenden kein angemessenes Mittel darstellt, zumal unstreitig noch nicht weiterverfolgte Ermittlungsansätze vorhanden waren.
Finanzgericht Köln, Urteil vom 20. Oktober 2011 – 15 K 3692/08
- BFH, Urteil vom 01.09.2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010; Rüsken in: Klein, AO, 10. Aufl. 2010, § 162 Rz. 33 unter Hinweis auf Buciek, DStZ 1999, 389[↩]
- BGH, Urteil vom 22.11.1995 – XII ZR 227/94, NJW RR 1996, 1281 ff., zu 2 der Gründe, m.w.N.; Jauernig, BGB, 8. Aufl., § 123 Rz 12; BAG, Urteil vom 22.10.1998 – 8 AZR 457/97, NJW 1999, 2059[↩]
- Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl. 2004, Rz. 26[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 23.09.1957 – VII ZR 403/56, BGHZ 25, 217; Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl. 2010, § 123 Rz 19 ff.[↩]
- BFH, Urteil vom 01.09.2009 – VIII R 78/06, BFH/NV 2010 m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 08.10.2008 – I R 63/07, BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121; Peter Fischer, jurisPR-SteuerR 15/2010, Anm. 2[↩]
- BGH, Urteil vom 23.09.1957 – VII ZR 403/56, BGHZ 25, 217[↩]
- BGH, Beschluss vom 12.07.1984 – III ZR 8/84, WM 1984, 1249 m.w. N.[↩]
- BFH, Urteil vom 08.10.2008 – I R 63/07, BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121[↩]
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