Es ist nicht klärungsbedürftig, sondern ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung in § 183 Abs. 3 AO, dass im Fall einer nach § 183 Abs. 1 Satz 1 AO erteilten Empfangsvollmacht die Bekanntgabe von (geänderten) Gewinnfeststellungsbescheiden an den bestellten Bevollmächtigten nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters solange auch diesem gegenüber wirksam ist, bis der ausgeschiedene Gesellschafter oder der Empfangsbevollmächtigte die Empfangsvollmacht gegenüber dem Finanzamt widerruft.

n der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht in seiner Entscheidung getan hat1.
Dies ist hier der Fall. Es ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung in § 183 Abs. 3 AO -und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs-, dass im Falle einer nach § 183 Abs. 1 Satz 1 AO erteilten Empfangsvollmacht -wie im Streitfall- die Bekanntgabe (geänderter) Gewinnfeststellungsbescheide an den bestellten Bevollmächtigten auch nach Ausscheiden eines Gesellschafters (ungeachtet der Regelung in § 183 Abs. 2 AO) wirksam ist, solange der Feststellungsbeteiligte die Empfangsvollmacht -wie im Streitfall- gegenüber dem zuständigen Finanzamt nicht widerruft2.
Das Finanzgericht München hat in der Vorentscheidung3 die nicht mit Verfahrensrügen angegriffene und den Bundesfinanzhof daher bindende Feststellung (§ 118 Abs. 2 FGO) getroffen, dass in der Feststellungserklärung für das Streitjahr 2008 die früheren Mitgesellschafter Z und H gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 AO zu Empfangsbevollmächtigten bestellt worden seien. Z und H hätten mit Billigung des hier klagenden Gesellschafters in einem Schreiben vom 24.06.2010 an das Feststellungsfinanzamt auch eine Änderung des Feststellungsbescheids zugunsten des Gesellschafters beantragt. Nur ergänzend und mit dem ausdrücklichen Zusatz, dass es selbst nicht von Zweifeln an der Erteilung der Empfangsvollmacht gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 AO ausgehe, hat das Finanzgericht angeführt, eine Empfangsvollmacht von Z und H lasse sich nach den Umständen des Streitfalls „jedenfalls“ auch auf eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht stützen.
Das Finanzgericht hat den Streitfall ferner dahin gewürdigt, dass der Gesellschafter die erteilte Empfangsvollmacht nach seinem Ausscheiden bis zum Ergehen des Feststellungsbescheids für das Streitjahr vom 18.11.2014 nicht widerrufen habe. Hierzu hat das Finanzgericht im Tatbestand der Vorentscheidung den Vortrag des Gesellschafters wiedergegeben, er habe dem zuständigen Betriebsprüfer für die Sozietät im Rahmen einer Außenprüfung die Beendigung seiner Gesellschafterstellung mitgeteilt und dies durch Verwendung seiner privaten E-Mail-Adresse bei Korrespondenz mit dem Betriebsprüfer und Mitteilung einer Anschrift in Bayern kenntlich gemacht. Das Finanzgericht ist jedoch in den Gründen der Vorentscheidung zu dem Ergebnis gekommen, diese Umstände hätten im Außenverhältnis nicht so verstanden werden müssen, dass der Gesellschafter an der seit mehreren Jahren bestehenden und praktizierten Empfangsvollmacht für Z und H nicht mehr habe festhalten und diese widerrufen wollen.
Die Würdigung des Finanzgericht, dass die Mitteilung des Ausscheidens des Gesellschafters nicht als Widerruf der Empfangsvollmacht verstanden werden musste, ist möglich, nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und für den Bundesfinanzhof bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Die vom Gesellschafter aufgeworfene zweite Rechtsfrage ist auf der Grundlage des vom Finanzgericht festgestellten Sachverhalts in einem Revisionsverfahren danach nicht zu beantworten. Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn von einem anderen als dem vom Finanzgericht festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, sind im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig4.
BFh, Beschluss vom 20. September 2022 – VIII B 65/21
- ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 05.12.2016 – X B 91/16, BFH/NV 2017, 287, Rz 11; vom 25.08.2020 – VI B 1/20, BFH/NV 2021, 13, Rz 4; vom 07.12.2021 – XI B 11/21, BFH/NV 2022, 355, Rz 9[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 28.03.2000 – VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074, unter II. 2.c; vom 07.02.1995 – IX R 3/93, BFHE 177, 22, BStBl II 1995, 357, unter 2.[↩]
- FG München, Urteil vom 19.04.2021 – 8 K 386/20[↩]
- vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 09.03.2016 – X B 142/15, BFH/NV 2016, 1030, Rz 9; vom 09.10.2020 – VIII B 162/19, BFH/NV 2021, 289, Rz 16, m.w.N.[↩]
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