Zurechnung von Beteiligungseinkünften – und das Dividenden-Stripping

Mit der Zurechnung von Beteiligungseinkünften bei einem modellhaft aufgelegtem Gesamtvertragskonzept hatte sich aktuell der Bundesfinanzhof zu befassen. Konkret ging es dabei um Aktiengeschäfte zum Zweck des sog. Dividenden-Stripping:

Zurechnung von Beteiligungseinkünften – und das Dividenden-Stripping

Dem zugrunde lag ein Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV), in dem die Beteiligten über die körperschaftsteuerrechtlichen Folgen sog. Dividendenstripping-Geschäfte einer im März 2015 errichteten Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) stritten. Da nur die körperschaftsteuerrechtliche Ebene berührt ist, betrifft das Verfahren nicht die kapitalertragsteuerlichen Folgen der Geschäfte und die sich in diesem Zusammenhang möglicherweise ergebende Problematik eines Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO.

Im Verlauf des Jahres 2016 (Streitjahr) erwarb die Unternehmergesellschaft in erheblichem Umfang jeweils kurz vor dem Dividendenstichtag dividendenberechtigte Aktien („cum Dividende“) von ausländischen Anteilseignern, ließ sich die Dividende -aufgrund der Vorlage des Bescheids nach § 60a AO- ohne Kapitalertragsteuerabzug auf ihr zuvor bei der D-Bank eröffnetes Konto/Depot auszahlen und verkaufte die Aktien anschließend wieder an die bisherigen Anteilseigner zurück. Die Transaktionen wurden im außerbörslichen Handel („OTC-„[over the counter]Geschäft) getätigt. Der Erwerb der Aktien war fremdfinanziert. Hierzu schlossen die Unternehmergesellschaft und die A-Ltd. einen Kreditrahmenvertrag (Facility Agreement), einen Pfandvertrag, eine Kontrollvereinbarung über ein Sicherheitenkonto unter Beteiligung der D-Bank (Kreditsicherungsvertrag) sowie Future-Vereinbarungen, mit denen das Marktrisiko abgesichert werden sollte. Nachdem das Finanzamt durch die Steuerfahndung von den Aktiengeschäften Kenntnis erlangt hatte, versagte es der Unternehmergesellschaft die zuvor gewährte Gemeinnützigkeits-Steuerbefreiung wegen Verstoßes der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Gemeinnützigkeitserfordernisse und erließ am 24.04.2017 einen Vorauszahlungsbescheid für 2016 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, in dem sie eine Körperschaftsteuer-Vorauszahlung festsetzte. Die Höhe der dabei vom Finanzamt angesetzten körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage orientierte sich an den der Unternehmergesellschaft aufgrund der erworbenen Aktien zugeflossenen Zahlungen der Beteiligungsgesellschaften.

Weiterlesen:
Wirtschaftliches Eigentum in einer logischen Sekunde

Dagegen legte die Unternehmergesellschaft Einspruch ein und beantragte die AdV des angefochtenen Bescheids. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, ebenso das in der Folge angerufene Hessische Finanzgericht1. Auf die vom Hessischen Finanzgericht zugelassene Beschwerde der Unternehmergesellschaft hob der Bundesfinanzhof die finanzgerichtliche Entscheidung auf und verwies das AdV-Verfahren zurück an das Hessische Finanzgericht:

Dabei war für den Bundesfinanzhof ernstlich zweifelhaft, dass die der Unternehmergesellschaft seitens der jeweiligen Beteiligungsgesellschaften zugeflossenen Zahlungen Bezüge (Dividenden oder Kapitalerträge) i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 oder Satz 4 EStG sind, die, weil sie aus „Streubesitz“-Beteiligungen resultieren, gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG nicht nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit wären, wohingegen die jeweiligen Veräußerungsverluste und sonstigen Gewinnminderungen im Zusammenhang mit den Anteilen gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG bei der Einkommensermittlung außer Betracht zu bleiben hätten.

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG u.a. Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG gelten als sonstige Bezüge auch Einnahmen, die anstelle der Bezüge i.S. des Satzes 1 von einem anderen als dem Anteilseigner nach § 20 Abs. 5 EStG bezogen werden, wenn die Aktien mit Dividendenberechtigung erworben, aber ohne Dividendenanspruch geliefert werden (sog. Dividendenkompensationszahlungen). Dieser Tatbestand erfasst Einnahmen, die den Bezug einer Gewinnausschüttung wirtschaftlich ersetzen (Ausgleichszahlung des Verkäufers anstelle der Dividende), und damit im Zusammenhang stehen, dass die im Rahmen des Erfüllungsgeschäfts zu Eigentum erworbene Aktie den im Verpflichtungsgeschäft versprochenen Anspruch auf Zahlung einer Gewinnausschüttung nicht (mehr) vermittelt2.

Weiterlesen:
Teilamortisationsleasing einer Immobilie - und das wirtschaftliche Eigentum

Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 EStG der Anteilseigner. Anteilseigner ist derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an dem Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind. Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. „Eigentümer“ i.S. dieser Regelung ist der zivilrechtliche Eigentümer oder der Inhaber des Wirtschaftsguts. Abweichend von § 39 Abs. 1 AO bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, dass die Zurechnung an die Person erfolgt, die die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass sie den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (sog. wirtschaftliches Eigentum).

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs3 setzt danach nicht nur der Dividendentatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, sondern auch derjenige des Satzes 4 (Dividendenkompensationszahlung) voraus, dass der Empfänger der Bezüge wirtschaftlicher Eigentümer i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO der Aktien geworden ist. 

Nach der im Rahmen des AdV-Verfahrens gebotenen summarischen Prüfung bestehen im Streitfall -entgegen der Auffassung des Hessischen Finanzgerichts- ernstliche Zweifel daran, dass die Unternehmergesellschaft zu irgend einem Zeitpunkt wirtschaftliche Eigentümerin der erworbenen Aktien geworden ist. Danach spricht alles dafür, dass den Aktiengeschäften der Unternehmergesellschaft ein von der A-Ltd. initiiertes und modellhaft aufgelegtes Gesamtvertragskonzept zugrunde liegt, das dem Erwerb von wirtschaftlichem Eigentum durch die Unternehmergesellschaft vor dem Dividendenstichtag -mit Blick auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG- oder zu einem späteren Zeitpunkt -mit Blick auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 4 EStG- von vornherein entgegensteht. Wie auch das Finanzgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, standen die Wertpapiererwerbe im untrennbaren Zusammenhang mit Finanzierungs, Wertpapierverpfändungs- und Sicherungsgeschäften sowie einem kurzfristigen Rückverkauf. Eine nennenswerte Inanspruchnahme der mit dem Innehaben der Wertpapiere verbundenen Rechte durch die Unternehmergesellschaft war in Anbetracht dessen offenkundig ausgeschlossen. Es liegt ein bloßer Durchgangserwerb vor4.

Weiterlesen:
Quotennießbrauch an einem Gesellschaftsanteil - und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

Das Hessische Finanzgericht hat den Erwerb wirtschaftlichen Eigentums durch die Unternehmergesellschaft damit begründet, die Unternehmergesellschaft habe -anders als die Anlegerin in dem dem BFH, Urteil in BFHE 246, 15 zugrunde liegenden Fall- zumindest noch das zwischen den Zeitpunkten des Erwerbs und der Veräußerung der Aktien bestehende Kursrisiko getragen. Diese Annahme steht jedoch im Widerspruch zu der vom Finanzgericht selbst getroffenen Feststellung, der zufolge im Rahmen des vorliegenden Gesamtvertragskonzepts zum Zweck der Absicherung des „Marktrisikos“ Future-Geschäfte abgeschlossen worden seien. Soweit das Finanzamt den Abschluss der Sicherungsgeschäfte nicht in Abrede stellt, jedoch noch dezidierten Vortrag der Unternehmergesellschaft zu den einzelnen Transaktionen verlangt, überspannt sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Rahmen des AdV-Verfahrens. Die Unternehmergesellschaft hat im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nochmals plausibel und substantiiert zu den Sicherungsgeschäften vorgetragen und damit hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie keine nennenswerten Kursrisiken zu tragen hatte.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 4. März 2020 – I B 57/18

  1. Hess. FG, Urteil vom 17.08.2018 – 4 – V 1131/17[]
  2. BFH, Urteil vom 16.04.2014 – I R 2/12, BFHE 246, 15, m.w.N.[]
  3. BFH, Urteil in BFHE 246, 15[]
  4. vgl. BFH, Urteil in BFHE 246, 15[]