Außergewöhnliche Belastungen -und die selbst erbrachten Pflegeleistungen

Selbst erbrachte Pflegeleistungen eines Angehörigen führen nicht zu einem Abzug eigener (fiktiver) außergewöhnlicher Belastungen.

Außergewöhnliche Belastungen -und die selbst erbrachten Pflegeleistungen

In dem hier entschiedenen Fall pflegte die Klägerin, die als angestellte Ärztin tätig ist, ihren schwer erkrankten Vater, der in die Pflegestufe 2 eingestuft war, selbst. Hierfür machte sie in ihrer Einkommensteuererklärung einen Betrag von etwa 54.000,- € als außergewöhnliche Belastungen geltend, den sie aus dem für Krankenhausärzte im Bereitschaftsdienst geltenden Stundensatz in Höhe von 29,84 € berechnete. Das Finanzamt erkannte demgegenüber nur den Pflegepauschbetrag (§ 33b Abs. 6 EStG) in Höhe von 924,- € an. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass es ihr nicht zum Nachteil gereichen dürfe, keinen Pflegedienst beauftragt zu haben. Das Finanzgericht Münster folgte dieser Auffassung nicht und wies die Klage ab:

Die selbst erbrachten Leistungen seien nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, da der klare Gesetzeswortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG nur „Aufwendungen“ erfasse. Hierunter fielen nur Geldausgaben und Zuwendungen von Sachwerten. Diese Beurteilung entspreche auch dem subjektiven Nettoprinzip, wonach bestimmte untypische Aufwendungen von der Besteuerung auszunehmen seien. Diese müssten sich allerdings vermögensmindernd auswirken. Auch aus § 33b Abs. 6 EStG könne nicht hergeleitet werden, dass eigene Pflegeleistungen grundsätzlich steuerlich abzugsfähig seien. Der Pflegepauschbetrag erfasse vielmehr typisierend mit Pflegeleistungen üblicherweise verbundene Aufwendungen (z. B. für Hygieneprodukte und Pflegematerialien), nicht aber eigene Dienstleistungen.

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Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG wird auf Antrag des Steuerpflichtigen die Einkommensteuer ermäßigt, wenn diesem zwangsläufig größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG.

Nach dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG können nur „Aufwendungen“ als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden. Der Begriff der Aufwendungen umfasst nur bewusste und gewollte Vermögensverwendungen, also insbesondere Geldausgaben und Zuwendungen von Sachwerten1. Auf dieser Grundlage hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass z.B. entgangene Einnahmen keine Ausgaben bzw. Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG sind2.

Die Klägerin hat keine Aufwendungen im Sinne des Gesetzes getragen. Vielmehr hat sie selbst Pflegeleistungen an ihren Vater erbracht. Eine solche unentgeltlich erbrachte eigene Arbeitsleistung fällt, soweit im Rahmen der Arbeit keine finanziellen Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG anfallen, nicht unter den Begriff der außergewöhnlichen Belastung.

Eine andere rechtliche Beurteilung würde nach Auffassung des Finanzgerichts gegen die Grundprinzipien des Einkommensteuerrechts verstoßen. Die Regelung des § 33 Abs. 1 EStG dient der Verwirklichung des sog. subjektiven Netto-Prinzips, welches seinerseits Element des sog. Leistungsfähigkeitsprinzips ist. Das Leistungsfähigkeitsprinzip besagt, dass jeder Steuerpflichtige nach Maßgabe seiner individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit zur Einkommensteuer herangezogen werden soll. Demzufolge müssen zum einen die Werbungskosten und Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die der Steuerpflichtige zur Erzielung von Einkünften aufwendet (sog. objektives Nettoprinzip). Zum anderen dürfen jene Einkünfte nicht der Einkommensteuer unterworfen werden, die der Steuerpflichtige zur Deckung seines Existenzminimums benötigt (sog. subjektives Nettoprinzip). Die Regelung des § 33 EStG soll in Ergänzung zum Grundfreibetrag bestimmte zusätzliche, nicht vom Grundfreibetrag erfasste untypische Aufwendungen von der Besteuerung ausnehmen, soweit diese eine bestimmte Zumutbarkeitsschwelle überschreiten. Dies dient der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Gestalt des subjektiven Netto-Prinzips. Es wird verhindert, dass Einkünfte des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden, obwohl ihm diese aufgrund besonderer rechtlicher, sittlicher oder tatsächlicher Verpflichtungen tatsächlich nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes frei zur Verfügung stehen. Da § 33 EStG eine solche geminderte finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigen soll, dürfen nach dem Sinn und Zweck der Norm grundsätzlich nur sich vermögensmindernd auswirkende Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Selbst erbrachte Arbeiten, wie z.B. auch die im vorliegenden Fall erbrachten Pflegeleistungen, mindern die finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nicht und bilden daher keine berücksichtigungsfähige Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch aus der Regelung des §§ 33b Abs. 6 EStG nicht abgeleitet werden, dass abweichend von den allgemeinen Grundsätzen selbst erbrachte Arbeiten als Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG anzuerkennen sind. Denn auch der Pauschbetrag für Pflegeleistungen gem. § 33b Abs. 6 EStG soll nicht die erbrachten Pflegeleistungen selbst, sondern vielmehr die mit den Pflegeleistungen typischerweise verbundenen Aufwendungen (z.B. für Hygieneprodukte, Pflegematerialien etc.) erfassen. Durch die Pauschbetragsregelung wird das Entstehen von mit der Pflege verbundenen Aufwendungen typisierend unterstellt3.

Da die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen schon dem Grunde nach nicht anerkannt werden können, braucht das Finanzgericht nicht zu prüfen, in welchem Umfang die Klägerin tatsächlich Pflegeleistungen erbracht hat.

Die von der Klägerin geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von 900,00 €, sind bereits in dem vom beklagten Finanzamt angesetzten Pflegepauschbetrag in Höhe von 924,00 € berücksichtigt. Die Klägerin ist insoweit nicht beschwert.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 15. April 2015 – 11 K 1276/13 E

  1. vgl. BFH, Urteil vom 15.03.1991 – III R 26/89, BFHNV 1991, 669[]
  2. BFH, Entscheidung vom 04.11.2009 – VI B 43/09, BFH/NV 2010, 852[]
  3. so ausdrücklich auch BFH, Urteil vom 29.08.1996 – III R 4/95, BStBl II 1997, 199[]