Eine nach § 309 Abs. 1 AO erlassene und aufrechterhaltene Pfändungs- und Einziehungsverfügung kann nicht dahingehend eingeschränkt werden, dass dem Drittschuldner unter Rangwahrung gestattet wird, bis auf Widerruf an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen und keine Beträge mehr einzubehalten.

Aufgrund des untrennbaren Zusammenhangs zwischen Beschlagnahme und Pfandrecht ist ein einstweiliger Verzicht auf die Wirkungen des Pfandrechts ohne Aufhebung der mit der Pfändung bewirkten Verstrickung ausgeschlossen. Für eine solche Ruhendstellung der Pfändungsverfügung besteht in § 309 Abs. 1 AO keine Rechtsgrundlage.
Die einseitige Modifikation einer Pfändungsverfügung durch Einschränkung des Arrestatoriums mit dem Ziel einer Ruhendstellung der Vollstreckungsmaßnahme ist nicht möglich. Hierzu bietet § 309 Abs. 1 AO keine Rechtsgrundlage.
Ob das Hauptzollamt gegenüber dem Schuldner die beschränkenden Maßnahmen nach den §§ 257 und 258 AO hätte treffen können, kann offen bleiben, da es im Streitfall lediglich um die Rechtmäßigkeit der gegenüber der Klägerin als Drittschuldnerin erlassenen Pfändungsverfügung geht, die sich aus den nachstehenden Gründen als rechtswidrig erweist.
Eine Geldforderung wird nach § 309 Abs. 1 AO gepfändet, indem dem Drittschuldner eine Pfändungsverfügung zugestellt wird, in der die Vollstreckungsbehörde ihm schriftlich verbietet, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen (Arrestatorium). Bei der Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut bestimmt sich der Umfang der Pfändung gemäß § 309 Abs. 3 Satz 1 AO nach § 833a ZPO, wobei eine umfassende Pfändung faktisch zu einer Kontosperrung führt, so dass das Girokonto seine Zahlungsfunktion im bargeldlosen Zahlungsverkehr verliert. Dieser besonderen Situation hat der Gesetzgeber durch die Schaffung eines Pfändungsschutzkontos Rechnung getragen, das auf Antrag des Schuldners nach § 850l ZPO eingerichtet werden kann, der neben § 765a ZPO anwendbar ist1.
Die Pfändung des Guthabens eines Kontos bewirkt, dass das Kreditinstitut nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Vollstreckungsschuldner zahlen kann. Besondere Verbindlichkeiten gegenüber den Finanzbehörden werden durch die Pfändung jedoch nicht begründet2. Sollen diese Rechtswirkungen einer Pfändung wieder beseitigt und das Pfändungspfandrecht aufgegeben werden, kann dies durch Aufhebung der Pfändungsverfügung und damit des Arrestatoriums erreicht werden. Eine einseitige Modifikation der Pfändungsverfügung unter Aufhebung des Arrestatoriums, wie sie das Hauptzollamt mit der angefochtenen Verfügung erreichen wollte, kommt nach § 309 Abs. 1 AO nicht in Betracht.
Für die in der ZPO vorgesehenen Möglichkeiten der Aufhebung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsgericht oder ein anderes Vollstreckungsorgan hat der BGH entschieden, dass diese Möglichkeiten im Hinblick auf das streng formalisierte Verfahren als abschließend anzusehen sind3. Deshalb hat er den Pfandgläubiger ‑auch unter Beachtung der in § 843 ZPO vorgesehenen Verzichtsmöglichkeit, die nach § 316 Abs. 3 AO auch für das Vollstreckungsverfahren nach der AO besteht- nicht als befugt angesehen, die Rechtswirkungen der nach dem Gesetz vorgesehenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch eine einseitige Anordnung dahin zu modifizieren, dass unter Aufrechterhaltung der Verstrickung die sich aus dem Pfandrecht ergebenden Rechtswirkungen entfallen. Für eine vorläufige Aussetzung der Wirkung der Pfändung mit dem Ziel, dass diese im Fall eines vom Vollstreckungsgläubiger erklärten Widerrufs oder einer anderweitigen Pfändung der Forderung durch einen nachrangigen Gläubiger wieder auflebe, hat der BGH in § 765a ZPO ‑entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf4- und in den Vorschriften über die Pfändung von Geldforderungen des Schuldners keine Rechtsgrundlage zu erkennen vermocht. Darüber hinaus hat er darauf hingewiesen, dass ein einstweiliger Verzicht auf die Wirkungen des Pfandrechts ohne Aufhebung der mit der Pfändung bewirkten Verstrickung wegen des Zusammenhangs von Beschlagnahme und Pfandrecht ausgeschlossen sei.
Diese Rechtsgrundsätze lassen sich auf § 309 Abs. 1 AO, der die Pfändung von Geldforderungen für den Anwendungsbereich der AO regelt, übertragen. Auch wenn § 258 AO ‑anders als § 765a ZPO- neben der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung auch ihre einstweilige Beschränkung vorsieht, die zum Teil lediglich als eine Beschränkung auf einzelne Forderungen oder bestimmte Vollstreckungsgegenstände verstanden wird5, bietet jedenfalls § 309 Abs. 1 AO bei Pfändung einer Geldforderung keine rechtliche Grundlage für eine Modifizierung der Pfändungsverfügung, die unter Rangwahrung lediglich das Arrestatorium für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit suspendiert. Nach der in § 309 Abs. 1 AO enthaltenen Legaldefinition der Pfändungsverfügung ist das Arrestatorium neben dem an den Vollstreckungsschuldner gerichteten Gebot, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten (Inhibitorium), unverzichtbarer Bestandteil der Pfändung einer Geldforderung. Mit der Aufhebung des Arrestatoriums durch die Vollstreckungsbehörde wird daher die Pfändung aufgehoben und nicht lediglich beschränkt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Mai 2017 – VII R 5/16