Die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Gesellschafter (hier: christliche Kirche und kirchennaher Verein) durch eine gemeinnützige GmbH ist keine der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeit, wenn die Tätigkeit der GmbH einer bestimmten Personengruppe (hier: allen christlichen Kirchen) zugutekommt und sich eine Wirkung zugunsten der einzelnen Gesellschafter nur mittelbar aus diesen Vorteilen ableitet. Eine aus zwei Gesellschaftern bestehende gemeinnützige GmbH kann ein Personenzusammenschluss i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL und eine Einrichtung ohne Gewinnstreben i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL sein. Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt nur vor, wenn ein identifizierbarer Leistungsempfänger vorhanden ist, der einen Vorteil erhält, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt.

Tätigkeiten einer gemeinnützigen GmbH zugunsten ihrer Mitglieder können mithin unter bestimmten Voraussetzungen nicht umsatzsteuerpflichtig sein. Diese Entscheidung des Bundesfinanzhof könnten positive Auswirkungen für andere Personenzusammenschlüsse haben, die derartige „Leistungen“ an ihre Mitglieder erbringen. Gemeinsame Einrichtungen, die politische, gewerkschaftliche, religiöse, patriotische, weltanschauliche, philanthropische oder staatsbürgerliche Ziele verfolgen, könnten ebenfalls profitieren.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall gründeten eine Kirche und ein kirchennaher Verein (einer anderen Kirche) eine gemeinnützige GmbH, die mit journalistischen Mitteln den Verkündigungsauftrag erfüllen sollte. Die GmbH belieferte wie eine Nachrichtenagentur ca. 15 Tageszeitungen als Kunden mit Meldungen, die christliche Wertvorstellungen und ethische Positionen verbreiten sollten, gegen eine geringe „Schutzgebühr“. Der verbleibende Finanzbedarf wurde durch Zuwendungen der kirchlichen Gesellschafter gedeckt.
Die GmbH ging davon aus, dass sie keine Leistungen an ihre Gesellschafter erbringe und die Verlustübernahme durch ihre Gesellschafter auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhe. Das Finanzamt wie auch das Finanzgericht Baden-Württemberg1 waren hingegen der Meinung, dass die GmbH an ihre Gesellschafter umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen in Form der „Medienarbeit“ erbracht habe, für die sie die Zuwendungen der Gesellschafter als Entgelt erhalte. Im Revisionsverfahren wandte die GmbH erstmals ein, dass ihre Leistungen jedenfalls nach Unionsrecht umsatzsteuerfrei sein müssten. Auf diese Rüge hob der Bundesfinanzhof die Vorentscheidung auf und verwies den Rechtsstreit an das Finanzgericht Baden-Württemberg zurück:
Dabei wies der Bundesfinanzhof wies darauf hin, dass das Unionsrecht insoweit zwei mögliche Steuerbefreiungen enthalte, die in den Streitjahren (2011 bis 2013) beide nicht in nationales Recht umgesetzt waren – es könne sich sowohl um steuerfreie Leistungen eines Personenzusammenschlusses an seine gemeinnützigen Mitglieder gegen Erstattung der genauen Kosten als auch um steuerfreie Leistungen einer Einrichtung ohne Gewinnstreben an ihre Mitglieder zu religiösen Zwecken gegen einen satzungsgemäß festgelegten Beitrag handeln. Davon unabhängig muss das Finanzgericht aber auch prüfen, ob die GmbH tatsächlich der Umsatzsteuer unterliegende Leistungen an ihre Gesellschafter erbracht hat. Der BFH entschied, dass die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Gesellschafter durch eine gGmbH keine der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeit ist, wenn die Tätigkeit der GmbH einer bestimmten Personengruppe (hier: allen christlichen Kirchen) zugutekommt und sich der Vorteil für den einzelnen Gesellschafter nur mittelbar aus diesen allgemeinen Vorteilen für alle Kirchen ableitet.
Das Finanzgericht hat nicht geprüft, ob die Umsätze der GmbH steuerfrei sind. Die Vorentscheidung ist bereits deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Nach Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL, auf den sich die GmbH erstmals im Revisionsverfahren ausdrücklich berufen hat -was zulässig ist2, da es sich dabei nicht um neuen Sachvortrag, sondern um die Rüge der Verletzung von Bundesrecht i.S. des § 118 Abs. 1 FGO handelt3-, sind u.a. die folgenden Umsätze steuerfrei:
„f) Dienstleistungen, die selbstständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt;
…
l) Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben, welche politische, gewerkschaftliche, religiöse, patriotische, weltanschauliche, philanthropische oder staatsbürgerliche Ziele verfolgen, an ihre Mitglieder in deren gemeinsamen Interesse gegen einen satzungsgemäß festgelegten Beitrag erbringen, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt“.
Der nationale Gesetzgeber hat Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL in § 4 Nr. 29 UStG umgesetzt4. Dies erfolgte durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (Jahressteuergesetz 2019 – JStG 2019)5 , die in den hier gegenständlichen Streitjahren gemäß Art. 12 Nr. 5 Buchst. h JStG 2019 noch nicht anwendbar war.
Eine vollständige Übernahme des Art. 132 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL in nationales Recht ist bisher nicht erfolgt6.
Auch wenn sich die GmbH ausdrücklich nur auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen hat, schließt dies eine Berufung auf Buchst. l nicht aus (implizite Berufung). Dass die GmbH eine Steuerbefreiung nicht aufgrund aller in Betracht kommender Steuerbefreiungen des Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL begehrt, erscheint dem Bundesfinanzhof fernliegend.
Ob die Voraussetzungen dieser beiden Steuerbefreiungen vorliegen, kann vom Bundesfinanzhof aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht nicht beurteilt werden. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat sich mangels Berufung der GmbH im finanzgerichtlichen Verfahren nicht mit diesen Bestimmungen befasst, so dass tatsächliche Feststellungen des Finanzgericht dazu vollständig fehlen.
Entgegen der Auffassung des Finanzamts kann nicht angenommen werden, dass die GmbH kein Personenzusammenschluss i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL ist. Auch Kapitalgesellschaften können Personenzusammenschlüsse in diesem Sinne sein7. Entscheidend ist nicht die Rechtsform des Zusammenschlusses, sondern der Umstand, dass er selbständiger Unternehmer ist8.
Diese Auslegung entspricht dem Zweck der Steuerbefreiung. Jemand, der bestimmte Dienstleistungen anbietet, soll keine Mehrwertsteuer aus dem Grund entrichten müssen, dass er genötigt ist, mit anderen Berufsausübenden im Rahmen einer gemeinsamen Struktur zusammenzuarbeiten, die Tätigkeiten übernimmt, die zur Erbringung dieser Dienstleistungen erforderlich sind9. Welche Rechtsform die gemeinsame Struktur hat, ist hierfür unerheblich. Entsprechend hat der EuGH in den Rechtssachen „DNB Banka“ vom 21.09.201710 und „Aviva“ vom 21.09.201711 die Anwendung der Steuerbefreiung jeweils nicht wegen der Rechtsform des Zusammenschlusses abgelehnt, sondern wegen dessen Tätigkeit.
Die hier klagende GmbH ist als gGmbH eine Einrichtung ohne Gewinnstreben i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL, die nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht religiöse Ziele verfolgt.
Auch erscheint es nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht als nicht ausgeschlossen, dass die Leistungen der GmbH i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL an ihre Mitglieder erfolgen, die insoweit nicht Steuerpflichtige sind, als sie den Verkündigungsauftrag der Kirchen erfüllen, und die Leistungen auch i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL deren gemeinsamen Interessen dienen.
Soweit die GmbH vorträgt, die vom Finanzgericht angenommene Leistung sei i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL nur gegen genaue Erstattung der Kosten erfolgt, erscheint dies nach den Feststellungen des Finanzgericht zur Finanzierung der GmbH zwar naheliegend, aber nicht völlig zweifelsfrei. Auch könnte in § 14 des Gesellschaftsvertrags ein satzungsgemäß festgelegter Beitrag i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL zu sehen sein. Allerdings hat das Finanzgericht nicht festgestellt, ob und welche gesonderte Vereinbarung i.S. des § 14 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags die Gesellschafter der GmbH getroffen haben, so dass auch dies nicht hinreichend sicher feststeht.
Möglich erscheint außerdem, dass eine Steuerbefreiung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt.
Der Gesetzgeber des § 4 Nr. 29 UStG ist davon ausgegangen12, dass „mit dem Ziel, Wettbewerbsnachteile gegenüber Marktteilnehmern zu kompensieren, die ihre Dienstleistungen durch eigene Angestellte oder im Rahmen einer Organschaft erbringen“, nur „eine restriktive Auslegung der Wettbewerbsklausel in Betracht [kommt], die insbesondere der Vermeidung von Missbräuchen entgegen wirkt“. Dabei sei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Bildung eines Zusammenschlusses als solche nicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führe.
Diese enge Sichtweise des deutschen Gesetzgebers entspricht möglicherweise dem Unionsrecht; denn sie deckt sich weitgehend mit der Auffassung der Generalanwältin Kokott in den Rz 75 ff., 80, 84, 86, 88 ff., 92 ff. ihrer Schlussanträge in der Rechtssache „Kaplan International colleges UK“ vom 23.04.202013, zu der sich der Gerichtshof der Europäischen Union bisher noch nicht geäußert hat.
Auch unterscheidet sich der Streitfall insoweit von der Konstellation, die den BFH-Urteilen vom 23.04.2009 und vom 06.09.201814 zugrunde lag und Tätigkeiten betraf, die nicht speziell auf den kirchlichen Verkündigungsauftrag zugeschnitten waren. Bei der Erledigung verkündigungsnaher Tätigkeiten kann den Kirchen auch unionsrechtlich ein Recht auf Auswahl der Personen, die an ihrem Verkündigungsauftrag mitwirken, zustehen15. Das Finanzgericht wird prüfen müssen, ob dieser Umstand dazu führt, dass nicht jeder gewerbliche Unternehmer die hier vorliegende (wohl verkündigungsnahe) Tätigkeit ausüben kann. Auch dies könnte Auswirkungen auf die vom Finanzgericht vorzunehmende Wettbewerbsprüfung haben.
Soweit die GmbH (auch) Leistungen an Nichtmitglieder (z.B. Tageszeitungen, Mieter) erbracht hat, schließt dieser Umstand die Anwendung der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL nicht aus16. Nur die Dienstleistungen, die an Nichtmitglieder erbracht werden, sind von der Steuerbefreiung ausgeschlossen17.
Allerdings hält auch die steuersystematisch vorrangige Würdigung des Finanzgericht, die Leistungen der GmbH seien steuerbar, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Finanzgericht ist zwar im Rahmen der ihm obliegenden Würdigung von den abstrakten Rechtsgrundsätzen der Rechtsprechung ausgegangen, hat aber bedeutsame neue Teile dieser Rechtsprechung und wesentliche Begleitumstände des Streitfalls bisher noch nicht hinreichend berücksichtigt. Deshalb muss es seine Würdigung unter Berücksichtigung dieser Umstände nachholen.
Zutreffend hat das Finanzgericht angenommen, dass das für die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erforderliche Rechtsverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Leistungsempfänger, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, sodass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist, auch in einem Gesellschaftsvertrag bestehen kann18.
Weiterhin ist das Finanzgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG voraussetzt, dass der Leistungsempfänger identifizierbar sein und einen Vorteil erhalten muss, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt19.
Ebenso zutreffend hat das Finanzgericht dahin erkannt, dass der BFH im Urteil in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397 entschieden hat, dass ein steuerbarer Leistungsaustausch vorliegt, wenn ein Verein gegenüber einem Mitglied, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, journalistische Medienarbeit (insbesondere Herstellung, Erwerb, Verbreitung und Vertrieb von Rundfunkprogrammen) erbringt und hierfür einen als „Finanzzuweisung“ bezeichneten Jahresbetrag erhält. Den verbrauchsfähigen Vorteil hat der BFH dort20 darin gesehen, dass die Körperschaft für ihre Zahlung als Vorteil die Übernahme der journalistischen Medienarbeit und die Präsentation der christlichen Lehre in Rundfunk und Fernsehen erhalten hat. Dieser Beurteilung aus dem Jahr 2008 ist die Vorinstanz gefolgt und hat im Streitfall den Vorteil der Gesellschafter der GmbH in der Übernahme der journalistischen Medienarbeit in Form der Erstellung von Meldungen und deren „Zurverfügungstellen“ an Tageszeitungen gesehen.
Obwohl der Bundesfinanzhof diese Würdigung nur in den Grenzen des § 118 Abs. 2 FGO überprüfen kann21, ist er an diese Beurteilung im Streitfall nicht gebunden; denn das Finanzgericht hat sich bei seiner Würdigung nicht mit der späteren Rechtsprechung des EuGH und des BFH auseinandergesetzt.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat -nach Ergehen des BFH, Urteils in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397- in seinem Urteil „VNLTO“22 entschieden, dass die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder durch eine Vereinigung keine „der Mehrwertsteuer unterliegende“ Tätigkeiten sind, da sie nicht in der entgeltlichen Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen bestehen. Dementsprechend hat der Unionsgerichtshof -ebenfalls zeitlich nach dem BFH, Urteil in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397- im Urteil „SPÖ Landesorganisation Kärnten“ vom 06.10.200923 entschieden, dass Tätigkeiten der Außenwerbung (der Unterorganisation) einer politischen Partei, die die Verbreitung ihrer Anschauungen als politische Organisation bezweckt, nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen sind.
Der BFH hat sich dem angeschlossen und im Jahr 2018 zu einem Berufsverband entschieden, dass Leistungen einer Vereinigung zur Förderung bestimmter Branchenerzeugnisse, die die gemeinsamen Interessen der branchenangehörigen Mitglieder betreffen, die dem gesamten Wirtschaftszweig zugutekommen und bei denen sich eine Wirkung zugunsten der einzelnen Mitglieder nur mittelbar aus den Vorteilen ableitet, die allgemein dem gesamten Wirtschaftszweig erwachsen, nicht zu einer entgeltlichen Leistungserbringung an die Mitglieder führen24. Soweit den Ausführungen im BFH, Urteil in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397 etwas anderes zu entnehmen sein könnte, wäre dies durch das genannte Urteil überholt.
Ob diese neuere Rechtsprechung des EuGH und des BFH im Streitfall zu einer anderen Beurteilung führt, weil das „allgemeine Interesse der Mitglieder“ in der Verbreitung christlicher Wertvorstellungen und ethischer Positionen (als „Branchenerzeugnis“) bestehen könnte, hat das Finanzgericht nicht erörtert und den Streitfall nicht anhand dieser Grundsätze geprüft. Die Vorentscheidung ist auch deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit an das Finanzgericht zurückzuverweisen, damit es dies nachholen kann25.
Der Bundesfinanzhof weicht damit nicht von seinem Beschluss in BFH/NV 2020, 565 ab.
Der Bundesfinanzhof hat dort zwar die Würdigung der Vorinstanz bestätigt, wonach die Leistungen eines Fremdenverkehrsvereins an eine Stadt und einen Regionalverband gegen einen „Sachkostenzuschuss“, „Mietkostenzuschuss“ und „allgemeinen Zuschuss“ steuerbare Leistungen seien.
Allerdings lagen -nach der für den Bundesfinanzhof gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Würdigung des Finanzgericht- im dortigen Fall individuelle Vorteile für die finanzierenden Leistungsempfänger vor. Soweit dies nicht der Fall ist, sind die Leistungen eines (Fremden-) Verkehrsvereins nicht steuerbar26. So könnte es auch im Streitfall liegen.
Infolge der Zurückverweisung muss zu den Formalrügen der GmbH nicht entschieden werden. Der Bundesfinanzhof weist für den zweiten Rechtsgang auf folgende Gesichtspunkte hin:
Entscheidend für das Vorliegen eines verbrauchsfähigen Vorteils ist nach der Rechtsprechung des BFH, dass der individuelle Leistungsempfänger aus der Leistung einen konkreten Vorteil zieht27. Für diese -vom Finanzgericht erneut vorzunehmende- Prüfung ist die Rechtsform des möglicherweise Leistenden, der dem Leistungsempfänger einen verbrauchsfähigen Vorteil verschaffen müsste, nicht erheblich28.
Die Tatsache, dass bei einer Gesellschaft der Gesellschaftszweck zugleich Neigungen, Interessen oder ggf. Verpflichtungen der Gesellschafter befriedigt, begründet als solche keinen Leistungsaustausch im konkreten Individualinteresse der Gesellschafter29. Eine Zahlung eines Gesellschafters ist vielmehr auch dann im Gesellschaftsverhältnis begründet, wenn sie nur dazu dient, die Gesellschaft mit dem für ihre Tätigkeit notwendigen Kapital auszustatten30.
Der EuGH hat im Urteil „Hong-Kong Trade“ vom 01.04.198231 einen Verband, der Unternehmern unentgeltlich Dienstleistungen erbrachte und durch einen festen Jahresbeitrag der Regierung von Hongkong sowie dem Ertrag aus einer Umlage in Höhe von 0, 5 % des Werts der nach Hongkong eingeführten und von dort ausgeführten Waren finanziert wurde, nicht als Steuerpflichtigen angesehen und damit konkludent entgeltliche Dienstleistungen des Verbandes an seine Geldgeber verneint32.
Bei der Prüfung der Frage, ob die Gesellschafter der GmbH einen Vorteil erhalten haben, der zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt, wird das Finanzgericht außerdem die Grundsätze des EuGH-Urteils „Apple and Pear Development Council“ vom 08.03.198833 zu beachten haben: Im dortigen Fall betrafen die Aufgaben des Council die Werbung, die Förderung und die Verbesserung der Qualität der in England und Wales erzeugten Äpfel und Birnen. Die Finanzierung erfolgte durch (Pflicht-)Beiträge. Der Unionsgerichtshof verneinte das Vorliegen einer Dienstleistung gegen Entgelt. Er führte zur Begründung aus, die Vorteile, die sich aus den Dienstleistungen des Council ergäben, kämen dem gesamten betroffenen Wirtschaftszweig zugute. Falls einzelne Apfel- und Birnenerzeuger Vorteile hätten, leiteten sie sie (nur) mittelbar aus den Vorteilen ab, die allgemein dem gesamten Wirtschaftszweig erwachsen. Außerdem bestehe keine Beziehung zwischen dem Umfang der Vorteile und der Höhe der Beiträge.
Ausgehend davon wird das Finanzgericht zu prüfen haben, ob der Vorteil der Gesellschafter der GmbH im Streitfall ebenfalls nur ein mittelbarer ist. Dafür könnte sprechen, dass die GmbH nicht etwa -wie z.B. die PR-Abteilungen der beiden Kirchen- Öffentlichkeitsarbeit für eine bestimmte Kirche oder einen bestimmten Verein betreibt, was einen verbrauchsfähigen Vorteil für die jeweilige Kirche bzw. den jeweiligen Verein begründete, sondern nur allgemein (und möglicherweise konfessionsübergreifend) in Form von Meldungen christliche Wertvorstellungen und ethische Positionen verbreitet, von denen die Gesellschafter der GmbH bzw. die dahinterstehenden Kirchen allenfalls mittelbar profitieren (wie alle anderen christlichen Kirchen auch).
Anhaltspunkte dafür, dass die Zuwendungen Entgelt von dritter Seite34 für die Leistungen der GmbH an die Tageszeitungen sein könnten, bestehen nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht nicht. Allerdings kann das Finanzgericht auch dieser Frage im Rahmen der Zurückverweisung nachgehen, falls neue Gesichtspunkte zu Tage treten sollten35.
Soweit die Tätigkeit der GmbH entweder nicht steuerbar oder steuerfrei sein sollte, wird das Finanzgericht unter Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze der Rechtsprechung des BFH36 über die zutreffende Höhe des Vorsteuerabzugs der GmbH zu entscheiden haben. Ein voller Vorsteuerabzug, von dem die GmbH bisher ausgegangen ist, bestünde in diesem Fall nicht.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. September 2020 – XI R 35/18
- FG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.09.2018 – 1 K 1967/17[↩]
- vgl. z.B. allgemein BFH, Beschluss vom 11.12.2013 – XI R 17/11, BFHE 244, 79, BStBl II 2014, 417, Rz 10, 49 ff., 77 ff.[↩]
- vgl. zur MwStSystRL Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 28; s.a. Seer in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz 16; Werth in Gosch, FGO § 118 Rz 17[↩]
- vgl. BT-Drs.19/13436, S. 151 ff.[↩]
- BGBl I 2019, 2451[↩]
- vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, Vor §§ 4 bis 9 Rz 39; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 4. Aufl., Kap. 7, D.IV.16 Tz.07.196; zum Streitstand bei § 4 Nr. 18a UStG s. Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 4 Nr. 18a Rz 11 ff.; Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 18a Rz 3; Rauch in Offerhaus/Söhn/Lange, § 4 Nr. 18a UStG Rz 3[↩]
- vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., Vor §§ 4 bis 9 Rz 34; Huschens in UStG-eKommentar, § 4 Nr. 29 Rz 12; verneinend für Stiftung, weil sie keine Mitglieder hat, EuGH, Urteil Stichting Uitvoering Financiële Acties vom 15.06.1989 – C-348/87, EU:C:1989:246, Rz 14; verneinend für GmbH mit nur einem Gesellschafter BFH, Urteil vom 02.12.2015 – V R 67/14, BFHE 251, 547, BStBl II 2017, 560, Rz 37[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Kommission/Luxemburg vom 04.05.2017 – C-274/15, EU:C:2017:333, Rz 61[↩]
- vgl. EuGH, Urteile Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing vom 11.12.2008 – C-407/07, EU:C:2008:713, Rz 37; Kommission/Deutschland vom 21.09.2017 – C-616/15, EU:C:2017:721, Rz 56[↩]
- EuGH, Urteil vom 21.09.2017 – C-326/15, EU:C:2017:719; s.a. Rz 37 der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 01.03.2017, EU:C:2017:145[↩]
- EuGH, Urteil vom 21.09.2017 – C-605/15, EU:C:2017:718[↩]
- BT-Drs.19/13436, S. 152[↩]
- EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin vom 23.04.2020 – C-77/19, EU:C:2020:302[↩]
- BFH, Urteile vom 23.04.2009 – V R 5/07, BFHE 226, 116; und vom 06.09.2018 – V R 30/17, BFH/NV 2019, 54[↩]
- vgl. EuGH, Urteile Egenberger vom 17.04.2018 – C-414/16, EU:C:2018:257, Rz 62 f.; IR vom 11.09.2018 – C-68/17, EU:C:2018:696, Rz 50[↩]
- vgl. EuGH, Urteil Infohos vom 20.11.2019 – C-400/18, EU:C:2019:992, Rz 32, 35, 39 ff., 44[↩]
- EuGH, Urteil Infohos, EU:C:2019:992, Rz 43[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 05.12.2007 – V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II. 1.b aa und bb, Rz 29 f.; vom 03.03.2011 – V R 24/10, BFHE 233, 282, BStBl II 2011, 950, Rz 15; a.A. möglicherweise in einem vergleichbaren Fall Urteil des Finanzgericht Düsseldorf in EFG 2014, 676, Rz 25[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 14.01.2016 – V R 63/14, BFHE 253, 279, BStBl II 2016, 360, Rz 14; vom 06.04.2016 – V R 12/15, BFHE 253, 475, BStBl II 2017, 188, Rz 26; vom 10.08.2016 – XI R 41/14, BFHE 255, 300, BStBl II 2017, 590, Rz 32; vom 18.12.2019 – XI R 21/18, BFHE 267, 560, Rz 17; BFH, Beschluss vom 18.12.2019 – XI R 31/17, BFH/NV 2020, 565, Rz 13, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397, unter II. 2.b, Rz 25[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 28.06.2017 – XI R 12/15, BFHE 258, 532, Rz 39[↩]
- EU:C:2009:88, Rz 34[↩]
- EuGH, Urteil vom 06.10.2009 – C-267/08, EU:C:2009:619[↩]
- BFH, Urteil vom 13.12.2018 – V R 45/17, BFHE 263, 375, BStBl II 2019, 460, Rz 14[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil vom 18.03.2010 – V R 12/09, BFH/NV 2010, 1500, Rz 14[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 22.07.1999 – V R 74/98, BFH/NV 2000, 240, unter II., Rz 32; vom 26.10.2000 – V R 12/00, BFH/NV 2001, 494, unter II. 1.b, Rz 18[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 18.12.2008 – V R 38/06, BFHE 225, 155, BStBl II 2009, 749, unter II. 3.b, Rz 38; vom 28.05.2013 – XI R 32/11, BFHE 243, 419, BStBl II 2014, 411, Rz 49[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 22.04.2015 – XI R 10/14, BFHE 250, 268, BStBl II 2015, 862, Rz 22; EuGH, Urteil SPÖ Landesorganisation Kärnten, EU:C:2009:619, Rz 20[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.10.2008 – XI R 76/07, BFH/NV 2009, 795, unter II. 2.c aa, Rz 21[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 05.12.2007 – V R 63/05, BFH/NV 2008, 996, unter II. 1.a, Rz 38; in BFH/NV 2009, 795, unter II. 2.c aa, Rz 22[↩]
- EuGH, Urteil vom 01.04.1982 – C-89/81, EU:C:1982:121[↩]
- vgl. dazu auch BFH, Urteil in BFH/NV 2001, 494, unter II. 1.a, Rz 17[↩]
- EuGH, Urteil vom 08.03.1988 – C-102/86, EU:C:1988:120; vgl. auch BFH, Urteil in BFH/NV 2001, 494, unter II. 1.a und b, Rz 17 und 18[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteile vom 22.02.2017 – XI R 17/15, BFHE 257, 169, BStBl II 2017, 812; vom 22.01.2020 – XI R 26/19 (XI R 5/17), BFHE 268, 337, BStBl II 2020, 421[↩]
- s. dazu auch Sterzinger, Der Umsatz-Steuer-Berater 2019, 33, 35[↩]
- BFH, Urteile in BFH/NV 2001, 494, unter II. 2., Rz 20 ff.; vom 24.09.2014 – V R 54/13, BFH/NV 2015, 364, Rz 37; vom 16.09.2015 – XI R 27/13, BFH/NV 2016, 252, Rz 38; BFH, Beschluss vom 07.05.2020 – V R 40/19, DStR 2020, 1367, Rz 42, 45 ff.[↩]
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