Das Finanzgericht darf im Allgemeinen erst dann eine Verletzung von Mitwirkungspflichten annehmen, wenn es den Beteiligten zuvor ausdrücklich und konkret zur Mitwirkung aufgefordert hat.

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedene Fall hatte das Finanzgericht den Kläger zu keinem Zeitpunkt aufgefordert, Kontoauszüge zu den unterhaltenen Konten vorzulegen. Eine Verletzung von Mitwirkungspflichten wird im Allgemeinen aber erst dann angenommen werden können, wenn ein Beteiligter auf ausdrückliche Aufforderung des Finanzgerichts (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FGO) eine ihm mögliche Äußerung zu Tatsachen oder die Herausgabe solcher Unterlagen verweigert, die sich in seinem Besitz befinden, sich bei ordnungsmäßiger Erfüllung der gesetzlichen Aufbewahrungspflichten oder bei ordnungsmäßiger Führung des Verfahrens in seinem Besitz hätten befinden müssen oder die er sich in zumutbarer Weise beschaffen könnte.
Schon der Wortlaut der gesetzlichen Regelungen spricht dafür, dass zunächst das Finanzgericht tätig geworden sein muss, bevor es das Verhalten eines Beteiligten dahingehend werten kann, dass diesem eine Verletzung von Mitwirkungspflichten zur Last fällt. Denn in § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO heißt es, die Beteiligten seien bei der gerichtlichen Sachaufklärung „heranzuziehen“. Das Gesetz weist die Pflicht zur Sachaufklärung damit dem Gericht zu, das den Beteiligten in diesem Rahmen konkrete Aufträge zuteilen darf. Damit übereinstimmend ordnet § 76 Abs. 1 Satz 3 FGO an, dass die Beteiligten sich „auf Anforderung des Gerichts“ zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären haben. Für die Annahme des FG, es gereiche dem Kläger sowohl prozessual als auch im Rahmen der Beweiswürdigung in erheblichem Umfang zum Nachteil, dass er auch ohne entsprechende gerichtliche Aufforderung seine Bankkontoauszüge nicht vorgelegt habe, spricht daher nichts.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. Oktober 2011 – X R 65/09