Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen1.

Nach der Rechtsprechung des BFH gelten die Grundsätze über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für das Finanzamt in gleicher Weise wie für einen Steuerpflichtigen2. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder Bevollmächtigten steht demnach dem eigenen Verschulden des Finanzamt gleich3.
edes Verschulden -also auch eine einfache Fahrlässigkeit- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus4. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offenbleibt, dass die Fristversäumnis verschuldet war5.
Danach kommt in dem hier vom Bundesfinanzhof die vom Finanzamt beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist nicht in Betracht:
Die Löschung einer Ausschlussfrist aus dem Fristenkontrollbuch erfordert bei der Versendung eines -wie hier die Revisionsbegründungsschrift vom 03.02.2014 betreffend- fristwahrenden Schriftsatzes mittels Telekopie, dass ein von dem Telefaxgerät des Absenders ausgedruckter Einzelnachweis vorliegt, der die ordnungsgemäße Übermittlung des Schriftstücks belegt6.
Ein solcher Einzelnachweis liegt hier nicht vor. Denn nach dem eigenen Vorbringen des Finanzamt war dem ausgedruckten Sendebericht vom 03.02.2014 14:59 Uhr der Hinweis „Lesbarkeit evtl. beeinträchtigt auf Seite 02, 03, 08, 13“ zu entnehmen. Danach konnte von einem Einzelnachweis über die ordnungsgemäße Übermittlung der Revisionsbegründungsschrift vom 03.02.2014 selbst dann nicht ausgegangen werden, wenn -wie hier- der Sendebericht im Übrigen die Übertragung sämtlicher Seiten des zu übermittelnden Schreibens vermeintlich bestätigt.
Nachdem im Sendebericht vom 03.02.2014 14:59 Uhr darauf hingewiesen worden war, dass die Lesbarkeit der vom Finanzamt übermittelten Revisionsbegründungsschrift, insbesondere auch die der letzten Seite mit der Unterschrift, evtl. beeinträchtigt ist, bestand konkrete Veranlassung, der Sache nachzugehen und zu prüfen, ob der abgesandte fristwahrende Schriftsatz dem BFH leserlich zugegangen war. Das Finanzamt hätte, was am Montag, dem 3.02.2014, um 14:59 Uhr möglich und zumutbar gewesen wäre, durch entsprechende fernmündliche Rückfrage sich Klarheit darüber verschaffen müssen, ob die Revisionsbegründungsschrift fristwahrend übertragen worden ist, um ggf. hierauf innerhalb der noch nicht abgelaufenen Revisionsbegründungsfrist mit weiteren Übertragungsversuchen oder der Übermittlung von einem anderen Telefaxgerät aus reagieren zu können7.
Im Streitfall kommt hinzu, dass nach Darstellung des Finanzamt die technische Störung am Sendegerät bereits bekannt war. Das Finanzamt konnte angesichts dessen nicht (einfach) darauf vertrauen, das fristwahrende Schriftstück werde, wie es in der Vergangenheit trotz der Hinweise auf eine teilweise beeinträchtigte Lesbarkeit der übermittelten Schriftstücke der Fall war, ihren Empfänger, den BFH, schon leserlich erreicht haben. Es ist wie von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern im Rahmen ihres ordnungsmäßigen Bürobetriebs auch von der Finanzverwaltung zu erwarten, dass sie bei einer bereits bekannten Störung eines Sendegeräts in ihrer Verantwortungssphäre beizeiten von sich aus tätig wird, um die vollständige und ordnungsgemäße Übertragung eines fristwahrenden Schriftstücks sicherzustellen8. Das ist hier nicht geschehen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20. Mai 2015 – XI R 48/13
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Beschlüsse vom 25.06.2003 – XI B 186/02, BFH/NV 2003, 1589; vom 15.12 2011 – II R 16/11, BFH/NV 2012, 593; vom 13.09.2012 – XI R 13/12, BFH/NV 2013, 60, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. dazu BFH, Beschlüsse vom 07.11.1995 – VII R 34/94, BFH/NV 1996, 343; vom 12.09.2005 – VII R 10/05, BFHE 210, 227, BStBl II 2005, 880; vom 11.05.2010 – XI R 24/08, BFH/NV 2010, 1834; vom 15.12 2010 – IV R 5/10, BFH/NV 2011, 809; vom 06.11.2012 – VIII R 40/10, BFH/NV 2013, 397, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 12.05.1992 – VII R 38/91, BFH/NV 1993, 6; BFH, Beschluss in BFH/NV 2013, 397, m.w.N.[↩]
- vgl. dazu BFH, Beschlüsse vom 15.11.2012 – XI B 70/12, BFH/NV 2013, 401; vom 17.07.2014 – XI B 8/14, BFH/NV 2014, 1760[↩]
- vgl. dazu BFH, Beschluss in BFH/NV 2014, 1760; Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 08.04.2014 – VI ZB 1/13, Monatsschrift für Deutsches Recht 2014, 674, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2014, 1252, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. dazu BFH, Beschluss vom 19.03.1996 – VII S 17/95, BFH/NV 1996, 818[↩]
- vgl. dazu auch BFH, Beschluss vom 18.02.2004 – I R 45/03, BFH/NV 2004, 1108[↩]
- vgl. dazu auch BFH, Beschluss in BFH/NV 2004, 1108[↩]