Rückforderung gewinnunabhängiger Auszahlungen an später beitretende Kommanditisten einer Publikums-KG

Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften sind nach ihrem objektiven Erklärungsbefund nur anhand des schriftlichen Vertrags auszulegen. Die Vorstellungen und der Wille der Gründungsgesellschafter, die in dem Gesellschaftsvertrag keinen Niederschlag gefunden haben, sind nicht zu berücksichtigen1.

Rückforderung gewinnunabhängiger Auszahlungen an später beitretende Kommanditisten einer Publikums-KG

Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Rückforderung gewinnunabhängiger Auszahlungen an Kommanditisten hat der Bundesgerichtshof bereits mit seinem Urteil vom 12.03.20132 geklärt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegen die Regelungen in Gesellschaftsverträgen von Publikumsgesellschaften unabhängig davon, ob die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB eingreift, einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen. Hieraus folgt in Anlehnung an § 305c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen3.

Für den einer Publikumspersonengesellschaft beitretenden Gesellschafter müssen sich die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben. Denn die erst nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags beitretenden Kommanditisten müssen sich darauf verlassen können, nur solche Leistungen erbringen zu müssen, die dem Vertragstext unmissverständlich zu entnehmen sind3.

Im hier vom Bundesgerichthsof zu entscheidenden Streitfall ließ sich dem Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft bei der gebotenen objektiven Auslegung nach Wortlaut, Zusammenhang und Zweck aus der Sicht eines verständigen Publikumspersonengesellschafters nicht klar und unmissverständlich entnehmen, dass die an die Kommanditisten bewirkten gewinnunabhängigen Ausschüttungen aus der Liquidität den Kommanditisten als Darlehen der Fondsgesellschaft zur Verfügung gestellt worden sind. Ein Darlehensrückzahlungsanspruch besteht daher nicht.

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Die Gesamtregelung ist unklar, weil nach dem Gesellschaftsvertrag nicht jede Liquiditätsausschüttung ein Darlehen sein sollte, sondern nur bzw. auch ein Darlehen sein konnte. Als einzige im Gesellschaftsvertrag geregelte Voraussetzung, wann Liquiditätsausschüttung Darlehen an die Gesellschafter darstellen sollten, wird vorliegend in Gesellschaftsvertrag bestimmt: „solange Verlustsonderkonten bestehen“. Das im Gesellschaftsvertrag dargestellte Kontensystem der Kommanditgesellschaft sieht jedoch keine mit Verlustsonderkonten bezeichneten Gesellschafterkonten vor.

Der Umstand, dass hier nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages Liquiditätsausschüttungen auf gesonderten unverzinslichen Darlehenskonten der Gesellschafter zu erfassen sind, spricht angesichts der Ambivalenz von Buchungen auf Darlehenskonten der Gesellschafter – selbst isoliert betrachtet – nicht eindeutig für ein Darlehen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter4.

Dagegen wäre es nach der Bundesgerichtshofsrechtsprechung naheliegend gewesen, im Gesellschaftsvertrag die Voraussetzungen zu regeln, unter denen der Gesellschafter zur Rückzahlung der Ausschüttungen an die Gesellschaft verpflichtet sein sollte, wenn die Auszahlungen unter dem Vorbehalt einer Rückforderung hätten stehen sollen5.

Der Hinweis Revision darauf, die Rückzahlungsansprüche gegen die Kommanditisten seien in den Jahresabschlüssen der Publikums-KG auf der Aktivseite ausgewiesen, vermag an diesem Auslegungsergebnis nichts zu ändern. Für den einer Publikumspersonengesellschaft beitretenden Gesellschafter müssen sich die mit dem Beitritt verbundenen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Rechte und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben6. Denn die erst nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags beitretenden Kommanditisten müssen sich darauf verlassen können, nur solche Leistungen erbringen zu müssen, die dem Vertragstext unmissverständlich zu entnehmen sind7. Ist das hinsichtlich der hier eingeforderten Rückzahlung von Ausschüttungen nicht der Fall, kann dieses zutreffende Auslegungsergebnis nicht nachträglich durch eine vom Gesellschaftsvertrag abweichende Handhabung seitens der Gesellschaft verändert werden.

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Im vorliegenden Fall hat der Gesellschafter den gegen ihn geltend gemachten vermeintlichen Darlehensanspruch auch nicht anerkannt, so dass er nicht mit Einwendungen ausgeschlossen ist.

Allerdings kann der Feststellung einer Bilanz, die diese jedenfalls im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter für verbindlich erklärt, für darin ausgewiesene Forderungen gegen den Gesellschafter die Wirkung eines zivilrechtlich verbindlichen Schuldanerkenntnisses zukommen8. Ob es sich um ein konstitutives oder um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelt, beurteilt sich nach den Umständen im Einzelfall9. Dies gilt auch bei Personengesellschaften10.

Es ist zweifelhaft, ob dieser Rechtsgedanke auf eine Publikumsgesellschaft übertragbar ist. Die Frage muss hier nicht entschieden werden. Ein Anerkenntnis des Kommanditisten kann jedenfalls bereits deshalb nicht angenommen werden, weil für ihn nicht erkennbar war, dass und in welcher Höhe die Bilanz der Fondsgesellschaft eine gegen ihn gerichtete Darlehensforderung ausweist. Im exemplarisch vorgelegten Jahresabschluss 2006 wird unter B. II. 3. lediglich ohne nähere Differenzierung aufgeführt: „Forderungen gegen Gesellschafter 6.052.539, 78 EUR“. In der beispielhaft vorgelegten Aufgliederung zur Bilanz 2012 finden sich zwar nähere Ausführungen zu Darlehenskonten der Kommanditisten. Der Kommanditist wird dort jedoch weder namentlich genannt noch wird eine gegen ihn gerichtete Darlehensverbindlichkeit einzeln ausgewiesen. Unabhängig davon fehlt es an Vortrag zur Beteiligung des Kommanditisten bei der Beschlussfassung über die Feststellung der Jahresabschlüsse.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Juli 2017 – II ZR 127/16

  1. BGH, Urteil vom 16.02.2016 – II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 13; Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 13[]
  2. BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222[]
  3. BGH, Urteil vom 16.02.2016 – II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 14; Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14[][]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 17 ff.[]
  5. BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 23[]
  6. BGH, Urteil vom 12.03.2013 – II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14[]
  7. BGH, Urteil vom 16.02.2016 – II ZR 348/14, ZIP 2016, 518 Rn. 15[]
  8. BGH, Urteil vom 15.03.2011 – II ZR 301/09, ZIP 2011, 858 Rn. 7; Urteil vom 02.03.2009 – II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111 Rn. 15; Urteil vom 09.02.2009 – II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rn. 50 Sanitary[]
  9. BGH, Urteil vom 15.03.2011 – II ZR 301/09, ZIP 2011, 858 Rn. 7; Urteil vom 02.03.2009 – II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111 Rn. 15[]
  10. BGH, Urteil vom 02.03.2009 – II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111 Rn. 15[]
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