Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin im Sozialpsychiatrischen Dienst – und ihre Eingruppierung

Für die Eingruppierung einer Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin kommt neben § 22 Abs. 2 Unterabs. 1 Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT), der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts idF des ÄndTV Nr. 10 vom 29.04.2016 (TVÜ-VKA) nach wie vor maßgebend ist, ua. die Entgeltordnung des TVöD-V zur Anwendung.

Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin im Sozialpsychiatrischen Dienst – und ihre Eingruppierung

Die entscheidenden Tätigkeitsmerkmale in dem Anh. zu Anl. C TVöD-V/VKA lauten:

S 12

Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten.

S 14

Sozialarbeiterinnen/Sozialarbeiter und Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit, die Entscheidungen zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen und in Zusammenarbeit mit dem Familiengericht bzw. Vormundschaftsgericht Maßnahmen einleiten, welche zur Gefahrenabwehr erforderlich sind, oder mit gleichwertigen Tätigkeiten, die für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten erforderlich sind (z.B. Sozialpsychiatrischer Dienst der örtlichen Stellen der Städte, Gemeinden und Landkreise).

Dabei kann für das Bundesarbeitsgericht dahingestellt bleiben, ob es sich bei der der Sozialarbeiterin übertragenen Tätigkeit es sich um einen einheitlichen Arbeitsvorgang1 iSd. Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT handelt. Selbst wenn es sich bei der Bearbeitung und Betreuung der Gruppe der psychisch Erkrankten und der Abhängigkeitskranken um zwei Klientengruppen und damit ggf. um zwei Arbeitsvorgänge handeln sollte – wofür im Übrigen wenig spricht, wären diese gleichwohl tariflich einheitlich zu bewerten.

Die Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, …). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

Maßgebend für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist hiernach das Arbeitsergebnis2. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Nur wenn es tatsächlich möglich ist, Tätigkeiten von unterschiedlicher Wertigkeit abzutrennen, werden diese nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefasst. Wiederkehrende, gleichartige und gleichwertige Bearbeitungen können zusammengefasst werden; nicht zusammengefasst werden können jedoch Bearbeitungen, die tariflich unterschiedlich zu bewerten sind. Letzteres gilt jedoch nur, wenn die unterschiedlich wertigen Arbeitsleistungen von vorneherein – sei es aufgrund der Schwierigkeit oder anderer Umstände – auseinandergehalten werden können und voneinander zu trennen sind. Dafür reicht jedoch nicht die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Angestellte übertragen zu können, solange sie als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person übertragen sind. Tatsächlich trennbar sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist3.

Bei der Bearbeitung von Fällen durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bildet regelmäßig nicht jeder einzelne Fall einen Arbeitsvorgang, sondern erst die Befassung mit allen Fällen füllt diesen Rechtsbegriff aus4. Anderenfalls käme es zu einer tarifwidrigen Atomisierung solcher Tätigkeiten5. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der zugewiesene Personenkreis auch einheitlich bestimmt ist. Hat ein Sozialarbeiter verschiedene, voneinander abgrenzbare Personenkreise zu betreuen, zB Obdachlose/Nichtseßhafte, Flüchtlinge/Asylbewerber usw., deren Status und Hilfsansprüche rechtlich ganz unterschiedlich bestimmt sind, kommt bei getrennter Betreuung die Aufteilung der Tätigkeit in je einen Arbeitsvorgang für je eine Gruppe der betreuten Personen in Betracht6. Es ist deshalb auch bei Sozialarbeitern eine präzise Bestimmung der Arbeitsergebnisse vorzunehmen.

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Ausgehend von diesen Maßstäben kommt es hier nicht darauf an, dass die Sozialarbeiterin möglicherweise zwei zu unterscheidende Klientengruppen, die psychisch Erkrankte und die Abhängigkeitskranken, betreut. Ihre hierauf gerichteten Tätigkeiten sind jedenfalls tariflich einheitlich zu bewerten.

Das den entsprechenden Tätigkeiten der Sozialarbeiterin zugrunde liegende Arbeitsergebnis ist die Erbringung von Hilfe- und Beratungsleistungen für psychisch Erkrankte und Abhängigkeitskranke in ihrem Gebiet. Dass es sich hierbei grundsätzlich um zwei unterscheidbare Personengruppen handelt, ist im Hinblick auf das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe S 14 Alt. 2 TVöD-V/VKA unerheblich. Nach § 1 Abs. 2 PsychKG NRW sind Abhängigkeitserkrankungen in vergleichbarer Schwere psychische Erkrankungen iSd. Gesetzes. Deshalb kann ihre jeweilige Bewertung auch dann nicht voneinander abweichen, wenn es sich dabei um zwei getrennte Arbeitsvorgänge handeln sollte.

Dass sich die jeweilige Beratungstätigkeit der Sozialarbeiterin nicht nur auf die Erkrankten selbst, sondern auch auf ihre Angehörigen erstreckt, macht sie nicht zu trennbaren Arbeitsvorgängen. Gerade die ausdrücklich vorgesehenen Hausbesuche und Außentermine sind ein zentraler Baustein des ganzheitlichen Konzepts einer Einbeziehung des sozialen Umfelds und insbesondere der Angehörigen des Erkrankten und integraler Bestandteil der im Mittelpunkt stehenden Beratungs- und Hilfeleistung für die Erkrankten. Im Übrigen ergibt sich dies auch aus der von dem Landkreis als Arbeitgeber angefertigten Stellenbeschreibung selbst. Diese unterscheidet zwar – wie der Landkreis (Arbeitgeber) zutreffend dargelegt hat – zwischen den Hilfen für psychisch Erkrankte einerseits und denen für Abhängigkeitskranke andererseits. Die Einbeziehung der Angehörigen ist jedoch zutreffend selbst von der Landkreis als Arbeitgeber jeweils den Hilfe- und Beratungsleistungen für die Erkrankten zugeordnet worden.

Die Annahme des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf7,

die Sozialarbeiterin erfülle nicht die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe S 14 Alt. 2 TVöD-V/VKA, ist jedoch nicht rechtsfehlerfrei.

Das Landesarbeitsgericht hat die Eingruppierungsfeststellungsklage der Sozialarbeiterin nach einer erneuten Prüfung mit der Begründung abgewiesen, die von ihr auszuübende Tätigkeit erfülle nicht die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe S 14 Alt. 2 TVöD-V/VKA. Ihre Tätigkeit sei für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten nicht erforderlich. Zwar würden nach § 12 PsychKG NRW derartige Entscheidungen vom zuständigen Amtsgericht „im Benehmen mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst“ angeordnet. Die konkrete Tätigkeit der Sozialarbeiterin, die im Sozialpsychiatrischen Dienst des Arbeitgebers beschäftigt sei, sei jedoch nicht auf die Herstellung dieses Benehmens ausgerichtet, sondern vielmehr lediglich koordinierender und begleitender Art. Einen Einfluss auf die Entscheidung über die Unterbringung habe sie nicht. Sie setze allenfalls den Entscheidungsprozess durch eine entsprechende Information, etwa an die Ordnungsbehörde oder einen Arzt, in Gang. Insoweit unterscheide sich ihre Rolle nicht von der eines besorgten Nachbarn, eines Angehörigen oder eines behandelnden Therapeuten. Sie habe selbst vorgetragen, dass sie mit der Beteiligung des Sozialpsychiatrischen Dienstes an der Entscheidung des Amtsgerichts nichts zu tun habe. Aber selbst wenn man zu ihren Gunsten davon ausginge, sie sei bei der Herstellung dieses Benehmens einbezogen, handele es sich nicht, wie vom Tätigkeitsmerkmal gefordert, um eine mit den in dem Tätigkeitsmerkmal der Alt. 1 der entsprechenden Entgeltgruppe genannten Tätigkeiten „gleichwertige“ Tätigkeit. Anders als in zahlreichen anderen Bundesländern erfolge die Entscheidung über eine zwangsweise Unterbringung in Nordrhein-Westfalen nicht auf Antrag des Sozialpsychiatrischen Dienstes, sondern lediglich im Benehmen mit diesem. Damit habe der Sozialpsychiatrische Dienst eine deutlich untergeordnetere Rolle als in anderen Bundesländern. Die Sozialarbeiterin habe eben keinen Einfluss auf die Unterbringungsentscheidung und damit auch keinen Anspruch auf eine höhere Entgeltgruppe.

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Dem folgt das Bundesarbeitsgericht nicht. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen tragen die klageabweisende Hauptbegründung des Landesarbeitsgerichts nicht. Dessen Ausführungen sind auf der Basis der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen nicht frei von Rechtsfehlern.

Grundsätzlich ist der Sozialpsychiatrische Dienst an Entscheidungen über die Unterbringung psychisch Kranker zu beteiligen. Dass die Sozialarbeiterin in diese Beteiligung nicht eingebunden ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.

Die Beteiligung des Sozialpsychiatrischen Dienstes als institutionalisiertem Fachdienst der unteren Gesundheitsbehörde gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (ÖGDG NRW) an der Entscheidung über die Unterbringung psychisch Kranker ist gesetzlich vorgesehen. Die damit verbundenen Tätigkeiten sind insoweit auch erforderlich iSd. zweiten Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe S 14 TVöD-V/VKA.

Der Grund für die eingruppierungsrechtliche Privilegierung bestimmter Tätigkeiten von Sozialarbeiterinnen durch die Schaffung der Entgeltgruppe S 14 TVöD-V/VKA ist die Übernahme einer über das „Normalmaß“ hinausgehenden Verantwortung. Bei dem dort aufgeführten – hier nicht einschlägigen – ersten Tätigkeitsmerkmal handelt es sich um das „Treffen von Entscheidungen“ und die Einleitung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr bei der Wahrung des Kindeswohls. Das entspricht der Gesetzeslage, die solche Entscheidungen in der Sache dem kommunalen Träger der Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII übertragen hat, idR dem Allgemeinen Sozialen Dienst. Das zweite – hier streitige – Tätigkeitsmerkmal betrifft Tätigkeiten im Zusammenhang mit der „Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung von Menschen mit psychischen Krankheiten“. Da in diesem Bereich die Entscheidung nicht der Verwaltung, sondern dem Gericht übertragen ist, kann die Tätigkeit einer Sozialarbeiterin nicht, wie beim ersten Tätigkeitsmerkmal, auf das „Treffen von Entscheidungen“ gerichtet sein, sondern muss sich auf die „erforderliche“, mithin notwendige Beteiligung an einer solchen – fremden – Entscheidung richten.

Abschnitt IV (§§ 10 bis 26) PsychKG NRW enthält die für die Unterbringung maßgebenden Regelungen. Dort ist die Beteiligung des Sozialpsychiatrischen Dienstes am Unterbringungsverfahren an verschiedenen Stellen vorgesehen.

Dabei kann dahinstehen, von wem das gesetzlich geforderte, notwendige Benehmen mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst einzuholen ist. Nach § 12 Satz 1 PsychKG NRW wird die Unterbringung „auf Antrag der örtlichen Ordnungsbehörde im Benehmen mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst vom zuständigen Amtsgericht angeordnet“, was nach dem Wortlaut der Regelung nahelegt, dass dieses „Benehmen“ vom Amtsgericht einzuholen ist, da sich das Verb des Satzes („wird … angeordnet“) auf das Amtsgericht als anordnender Institution und die Apposition („im Benehmen mit …“) sich ihrerseits auf das Verb bezieht8. Demgegenüber hatte der Landesgesetzgeber die Regelung damit begründet, dass die – vom Ordnungsamt zu stellenden – Anträge auf Unterbringung „immer der fachlichen Einschätzung des Sozialpsychiatrischen Dienstes bedürfen“9, was für die Auffassung spräche, das Ordnungsamt als Verpflichteten zur Benehmensherstellung anzusehen.

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Nach § 13 Abs. 2 PsychKG NRW gibt das Gericht vor „Unterbringungsmaßnahmen“, zu denen auch die Unterbringungsentscheidung selbst gehört (§ 312 Satz 1 FamFG), dem Sozialpsychiatrischen Dienst der unteren Gesundheitsbehörde Gelegenheit zur Äußerung. Das Gesetz bezieht sich dabei ausdrücklich auf § 320 iVm. § 315 Abs. 4 FamFG, in denen die Anhörungspflicht bezüglich weiterer fakultativ zu beteiligender Personen und Stellen angesprochen wird. Dabei kann dahinstehen, ob hieraus eine unmittelbare Verpflichtung des Amtsgerichts zur Beteiligung des Sozialpsychiatrischen Dienstes erwächst10 oder ob damit nur die Schaffung einer weiteren „Kann-Beteiligung“ iSv. § 7 Abs. 3 und Abs. 4 FamFG eröffnet werden soll11. Auch bei der Annahme einer – fakultativen – Beteiligung muss das Amtsgericht seinen Gestaltungsspielraum im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens ausüben12.

Nach § 14 Abs. 1 PsychKG NRW ist bei einer Anordnung der sofortigen Unterbringung durch die Ordnungsbehörde der Sozialpsychiatrische Dienst dann zwingend zu beteiligen, wenn die Behörde in der Beurteilung der dafür erforderlichen Voraussetzungen von einem vorgelegten ärztlichen Zeugnis abweichen will. Unabhängig davon hat sie in jedem Fall unverzüglich beim zuständigen Amtsgericht einen Antrag auf Unterbringung zu stellen. Wird bis zum Ablauf des auf die vorläufige Unterbringung folgenden Tages nicht sowohl die Unterbringung als auch deren sofortige Wirksamkeit angeordnet, ist der Betroffene zu entlassen (§ 14 Abs. 2 PsychKG NRW). Für die Entscheidung über den Antrag sieht das Gesetz keine ansonsten von § 12 PsychKG NRW abweichenden Verfahrensvorschriften vor.

Diese gesetzlich vorgesehenen verschiedenen Beteiligungsformen des Sozialpsychiatrischen Dienstes begründen grundsätzlich eine erforderliche institutionelle Heranziehung iSd. zweiten Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe S 14 TVöD-V/VKA. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die einzelnen Beteiligungsformen tatsächlich zu einem entscheidenden Einfluss auf die Unterbringungsentscheidung führen oder ob eine auch nur mögliche Beteiligung vom Amtsgericht im Einzelfall abgelehnt oder ob ihr zugestimmt wird. Es genügt, dass die Beteiligung an Unterbringungsentscheidungen rechtlich vorgesehen ist. Dies begründet eine Verpflichtung des Sozialpsychiatrischen Dienstes, im konkreten Fall eine Beteiligung sicherzustellen und wahrzunehmen. Dies kann die Herstellung des Benehmens mit der Ordnungsbehörde bei der Antragstellung sein, soweit man nicht von einer entsprechenden Verpflichtung des Amtsgerichts nach § 12 Satz 1 PsychKG NRW ausgeht. Auch die Möglichkeit der Heranziehung durch eine amtswegige Ermessensentscheidung des Amtsgerichts nach § 13 Abs. 2 PsychKG NRW begründet eine Beteiligungsverpflichtung des Sozialpsychiatrischen Dienstes, ebenso wie die Heranziehung bei der Abweichung der Ordnungsbehörde von einem ärztlichen Gutachten.

In welcher Form der beklagte Landkreis als untere Gesundheitsbehörde im Rahmen seiner Organisationsgewalt den Sozialpsychiatrischen Dienst strukturiert und die von ihm zu erbringenden verschiedenen Beteiligungsverpflichtungen organisiert, bleibt seiner eigenen Entscheidung überlassen. Ob und ggf. welche organisatorischen Untereinheiten oder bestimmte ausgewählte Personen oder Personengruppen des Sozialpsychiatrischen Dienstes – etwa die dort beschäftigten Ärzte – er mit der Durchführung und den Vollzug der verschiedenen Beteiligungsformen betraut, ist als Teil seiner organisatorischen Entscheidungsfreiheit hinzunehmen und nicht weiter im Rahmen eines Eingruppierungsprozesses überprüfbar.

So kann die Anfertigung von Stellungnahmen oder die Teilnahme an Anhörungen usw. bestimmten einzelnen Personen – bei gleichzeitigem Ausschluss der anderen dort Beschäftigten – übertragen werden. Ist dies geschehen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass den von diesen Tätigkeiten ausgeschlossenen Beschäftigten des Sozialpsychiatrischen Dienstes Tätigkeiten übertragen worden sind, die „für die Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung …“ im tariflichen Sinne „erforderlich“ sind. Deshalb kann eine bloße Zuordnung zur organisatorischen Einheit „Sozialpsychiatrischer Dienst“ noch nicht allein ausreichen, um das tarifliche Anforderungsmerkmal zu erfüllen. Insoweit handelt es sich lediglich um die Bezeichnung eines Fachdienstes, nicht aber eine Tätigkeit oder gar ein „Regelbeispiel“13. Infolge der Zuordnung der Beschäftigten zu dem einen oder anderen Teil des Sozialpsychiatrischen Dienstes werden bei dieser Organisation dann auch zwei verschiedene Arbeitsvorgänge bestimmt14.

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Sollen die Tätigkeiten der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung des Sozialpsychiatrischen Dienstes an dem Entscheidungsverfahren über die Unterbringung psychisch Kranker nur von bestimmten Mitarbeitern des Sozialpsychiatrischen Dienstes – unter Ausschluss der Übrigen – vorgenommen werden, dann muss dies jedoch auch entsprechend festgelegt und organisatorisch umgesetzt sein. Allein der – tatsächliche – Umstand, dass einzelne Mitarbeiter nur selten oder noch nie an einer Unterbringungsentscheidung beteiligt waren, reicht insoweit noch nicht aus, um das Vorliegen des tariflichen Anforderungsmerkmals zu verneinen. Deshalb ist es ohne Bezug zu der konkreten Verwaltungsorganisation unzureichend anzunehmen, dass – wie das Landesarbeitsgericht und der Landkreis (Arbeitgeber) meinen – bereits eine geringe Anzahl von Unterbringungsentscheidungsfällen gegen die Erfüllung des tariflichen Anforderungsmerkmals sprächen. Das Tätigkeitsmerkmal verlangt nicht, dass die Beteiligung bei der Mehrheit oder zu einem bestimmten Prozentsatz der Unterbringungsentscheidungen erforderlich ist. Maßgebend ist die auszuübende Tätigkeit der einzelnen Sozialarbeiterin oder des einzelnen Sozialarbeiters unter Berücksichtigung der Behördenorganisation (§ 22 Abs. 2 BAT). Der öffentliche Arbeitgeber kann die Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben in einer weitestgehend von ihm selbst bestimmten Organisationsstruktur vornehmen. Organisiert er die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Arbeitsschritte durch die Zuordnung zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang im tariflichen Sinne, lassen sich die hierfür erforderlichen Einzelschritte nicht im Nachhinein durch eine gesonderte Zuordnung voneinander trennen.

Unter Berücksichtigung dieser tariflichen Anforderungen trägt die Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht dessen klageabweisende Entscheidung. Es kann aufgrund der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen – noch – nicht davon ausgegangen werden, dass die Sozialarbeiterin strukturell nicht an tatsächlichen „Zuarbeiten“ des Sozialpsychiatrischen Dienstes für die gerichtliche Entscheidung über eine Unterbringung beteiligt ist und deshalb ihre auszuübende Tätigkeit nicht das Tätigkeitsmerkmal von Entgeltgruppe S 14 Alt. 2 TVöD-V/VKA erfüllt. Hierfür fehlt es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage.

Das Landesarbeitsgericht hat es zunächst versäumt, die tatsächliche Organisation des Arbeitgebers im Hinblick auf die Zusammenarbeit des Sozialpsychiatrischen Dienstes mit dem Gericht und der Ordnungsbehörde beim Verfahren über die Unterbringungsentscheidung festzustellen. Dies wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die Sozialarbeiterin zum einen mit der kompletten Fallbearbeitung iSe. „umfassenden Zuständigkeit“ – so das Landesarbeitsgericht – im Rahmen der Aufgaben des Sozialpsychiatrischen Dienstes betraut ist, und zum andern der Tatbestand des Berufungsurteils die Feststellung enthält, „die Tätigkeit der im Sozialpsychiatrischen Dienst tätigen Kolleginnen … (seien) inhaltlich identisch“, es also keine „Kolleginnen“ im Sozialpsychiatrischen Dienst des Arbeitgebers gibt, die eine anders geartete Tätigkeit verrichten bzw. auszuüben haben als die Sozialarbeiterin. Es ist deshalb offen, welche Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes eigentlich mit denjenigen Tätigkeiten betraut sind, die durch die gesetzliche Verpflichtung zur Beteiligung an den Unterbringungsverfahren und -entscheidungen begründet sind.

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Das Landesarbeitsgericht geht weiter ohne hinreichende Tatsachenfeststellungen davon aus, dass diese Aufgaben nicht zu den von der Sozialarbeiterin auszuübenden Tätigkeiten zählen. Es stützt sich für diese Annahme auf Angaben der Sozialarbeiterin in der mündlichen Verhandlung, nach denen sie keine Einzeltätigkeiten ausübe, die einen konkreten Einfluss auf die Unterbringungsentscheidung hätten.

Dies reicht jedoch nicht aus. Die von der Sozialarbeiterin iSv. § 22 Abs. 2 BAT auszuübende Tätigkeit entspricht der von dem Landkreis als Arbeitgeber erarbeiteten Stellenbeschreibung. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Angesichts der Tatsache, dass diese Stellenbeschreibung für sämtliche Kolleginnen des Sozialpsychiatrischen Dienstes identisch ist, bleibt unklar, welche Personen, insbesondere welche Sozialarbeiterinnen vom Sozialpsychiatrischen Dienst entsprechend diesen Vorgaben die gesetzlich angeordnete Zuarbeit zu den gerichtlichen Unterbringungsentscheidungen – ohne oder mit vorläufiger Unterbringung – leisten. Deshalb ist die Aussage der Sozialarbeiterin entweder widersprüchlich und hätte aufgeklärt werden müssen, oder der Sozialpsychiatrische Dienst des Arbeitgebers ist so organisiert, dass die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben nicht einmal vorgesehen ist, wovon allerdings nicht ohne weitere Anhaltspunkte auszugehen ist.

Die Revision der Sozialarbeiterin war auch nicht zurückzuweisen, weil sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellte (§ 561 ZPO).

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist nicht deswegen im Ergebnis zutreffend, weil die Hilfsbegründung durchgreift, wonach es überdies an der „Gleichwertigkeit“ mit den Tätigkeiten der ersten Alternative von Entgeltgruppe S 14 TVöD-V/VKA fehle. Das Landesarbeitsgericht geht insoweit von einem fehlerhaften Begriff der „Gleichwertigkeit“ iSd. Tätigkeitsmerkmals aus.

Das Landesarbeitsgericht hat sich hilfsweise darauf berufen, die von der Sozialarbeiterin beschriebenen Tätigkeiten seien nicht gleichwertig mit den in der Entgeltgruppe S 14 Alt. 1 TVöD-V/VKA genannten Entscheidungen und Maßnahmen, die die Jugendämter zur Vermeidung der Gefährdung des Kindeswohls treffen. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Sozialpsychiatrischen Dienste in Nordrhein-Westfalen (anders als etwa in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen) nach dem Landes-PsychKG kein eigenes Antragsrecht auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung über die Unterbringung haben. Die bloße Herstellung eines Benehmens, im Ausnahmefall nicht einmal diese, seien zu untergeordnet, um als gleichwertig im tariflichen Sinne anzusehen zu sein. Die bloße Unterrichtungspflicht bei der Wahrnehmung von Tatsachen, die Anlass für die Erwägung einer Unterbringung geben, könne von jedem Sozialarbeiter erwartet werden. An einer Entscheidung über die Unterbringung selbst sei die Sozialarbeiterin nicht entscheidend beteiligt.

Dies verkennt die Anforderung der „Gleichwertigkeit“ einer nach dem zweiten Tätigkeitsmerkmal zu bewertenden Tätigkeit mit derjenigen, die nach dem ersten Tätigkeitsmerkmal zu bewerten ist. Die „Gleichwertigkeit“ setzt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keine unmittelbare Entscheidungsbefugnis über eine zwangsweise Unterbringung voraus. Während nach der ersten Alternative der Entgeltgruppe S 14 TVöD-V/VKA ausdrücklich eigene „Entscheidungen“ zu „treffen“ sind, erfordert die zweite Alternative der Entgeltgruppe nach dem Tarifwortlaut eine eigene Antrags- und Entscheidungsbefugnis gerade nicht. Die Sozialarbeiterin muss nicht in diesem Sinne „Herrin des Verfahrens“ sein. Die zweite Alternative der Entgeltgruppe erfasst vielmehr Tätigkeiten, die „für … Entscheidungen“ anderer erforderlich sind. Darunter sind „begleitende“ Maßnahmen bei der Entscheidung zur zwangsweisen Unterbringung zu verstehen, die ihrerseits nicht allein ausschlaggebend sein müssen15. Tätigkeiten, die eine Sozialarbeiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes im Rahmen eines – ggf. bereits eingeleiteten – Unterbringungsverfahrens in Erfüllung der gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsrechte und -pflichten des Sozialpsychiatrischen Dienstes zu erbringen hat, sind grundsätzlich geeignet, das entsprechende Tätigkeitsmerkmal zu erfüllen. Einer gesonderten Prüfung der Erforderlichkeit oder der Gleichwertigkeit bedarf es in diesen Fällen nicht.

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Auf der anderen Seite war die Sozialarbeiterin auch nicht allein wegen ihrer Wahrnehmung von Aufgaben der „Gefahrenabwehr“ der Entgeltgruppe S 14 TVöD-V/VKA zuzuordnen. Dies verkennt den Wortlaut des Tätigkeitsmerkmals. Es geht um Tätigkeiten, die für eine Entscheidung erforderlich sind. Das setzt die Einleitung eines Entscheidungsprozesses voraus, innerhalb dessen die Tätigkeit erfolgen muss. Maßnahmen im Vorfeld zur Vermeidung der Unterbringung und damit zur Vermeidung der Einleitung eines entsprechenden Verfahrens können danach nicht unter dieses Tätigkeitsmerkmal fallen. Ob der hierfür maßgebende Zeitpunkt bereits mit dem entsprechenden Willensbildungsprozess der Ordnungsbehörde unter Beteiligung des Sozialpsychiatrischen Dienstes vor bzw. bei der Antragstellung auf Unterbringung oder erst mit der formellen Einleitung des Verfahrens durch die Antragstellung beim Amtsgericht beginnt, hängt von der Beantwortung der Frage ab, welche der genannten Institutionen nach § 12 Satz 1 PsychKG NRW zur Herstellung des Benehmens mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst verpflichtet ist. Der Ausgang des Verfahrens mag ungewiss und die Entscheidung offen sein. Aber dass die Entscheidung fallen muss und wird, weil ein entsprechendes Antrags- bzw. Entscheidungsverfahren bereits eingeleitet ist, gehört zu der Anforderung des Tätigkeitsmerkmals. Die rechtliche Anbindung an den formalisierten Entscheidungsprozess ist Voraussetzung; dabei ist von einem gesetzmäßigen Verhalten der Behörden und Gerichte auszugehen. Sollte sich aus den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 18.03.201516 und vom 17.06.201517 etwas anderes ergeben, hält das Bundesarbeitsgericht hieran nicht fest.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Oktober 2016 – 4 AZR 727/14

  1. zum Begriff BAG 21.03.2012 – 4 AZR 292/10, Rn. 14; 28.01.2009 – 4 AZR 13/08, Rn. 39 mwN, BAGE 129, 208[]
  2. st. Rspr., etwa BAG 21.03.2012 – 4 AZR 266/10, Rn. 24; 25.08.2010 – 4 AZR 5/09, Rn. 22 mwN[]
  3. st. Rspr., zB BAG 21.08.2013 – 4 AZR 933/11, Rn. 14, BAGE 146, 22; grdl. 23.09.2009 – 4 AZR 308/08, Rn.20 mwN[]
  4. vgl. BAG 6.03.1996 – 4 AZR 775/94, zu II 3 b der Gründe[]
  5. BAG 20.03.1996 – 4 AZR 1052/94, zu II 2 b der Gründe, BAGE 82, 272[]
  6. vgl. BAG 10.12 2014 – 4 AZR 773/12, Rn. 25, mwN[]
  7. LAG Düsseldorf, Urteil vom 23.09.2014 – 16 Sa 437/14[]
  8. sh. auch BAG 18.03.2015 – 4 AZR 59/13, Rn. 23, BAGE 151, 150[]
  9. LT-Drs. 12/4467 S. 47[]
  10. so etwa Dodegge/Zimmermann PsychKG NRW 3. Aufl. Teil A Rn. 57[]
  11. so etwa Keidel FamFG 18. Aufl. § 315 Rn. 9[]
  12. MünchKommZPO/Pabst 3. Aufl. § 7 FamFG Rn. 14 ff.[]
  13. BAG 13.11.2013 – 4 AZR 53/12, Rn. 32[]
  14. Breier/Dassau/Faber TVöD Eingruppierung in der Praxis – VKA Stand März 2016 Teil D 1.01.02.01.3 Anhang zur Anlage C TVöD-V Rn. 187, 224[]
  15. BAG 18.03.2015 – 4 AZR 59/13, Rn. 25, BAGE 151, 150; 13.11.2013 – 4 AZR 53/12, Rn. 35[]
  16. BAG 18.03.2015 – 4 AZR 59/13, Rn. 30, BAGE 151, 150[]
  17. BAG 17.06.2015 – 4 AZR 371/13, Rn. 30[]