Zwar ist der Tatrichter nicht gehalten, einem Sachverständigen zu folgen. Kommt er aber zu einem anderen Ergebnis, muss er sich konkret mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinandersetzen.

Der Tatrichter muss, sofern er in einer schwierigen Frage den Rat eines Sachverständigen in Anspruch genommen hat und diese Frage dann im Widerspruch zu dem Gutachten lösen will, die Darlegungen im Einzelnen wiedergeben, insbesondere dessen Stellungnahme zu den Gesichtspunkten, auf welche der Tatrichter seine abweichende Auffassung stützt [1].
In dem hier vom Bundesgerichtshof beurteilten Fall hatte die Strafkammer ihre Prognose, wonach von der Beschuldigten keine akute Fremdgefährdung ausgehe, auf den derzeitigen psychischen Zustand der Beschuldigten, deren vorbildliche Krankheitseinsicht und den bisher straffreien Lebensweg gestützt, außerdem darauf, dass die Beschuldigte der Hauptverhandlung stets konzentriert gefolgt sei, Kontakt gehalten, adäquat reagiert und immer wieder unter Beweis gestellt habe, „dass ihre Krankheitseinsicht nicht nur Fassade ist“.
Insoweit hat sich das Landgericht gerade aber nicht mit den Feststellungen der Sachverständigen auseinander gesetzt, wonach die Beschuldigte zwar theoretisch wisse, dass sie krank sei, es aber an einer realistischen Einschätzung fehle und ein konkreter Umgang mit der Erkrankung nicht vorhanden sei. Zudem könne die aktuelle Medikation der Beschuldigten auf Dauer nicht beibehalten werden, zumal in der Vergangenheit bereits mehrfach zusätzliche Neuroleptika zur Unterstützung der Medikation erforderlich gewesen seien. Dies hätte der Tatrichter aber berücksichtigen müssen, wenn er sich bei seiner Prognose vor allem auch auf das Verhalten der Beschuldigten in der Hauptverhandlung stützt, zu welcher sie noch vorläufig untergebracht und dabei unter Aufsicht medikamentiert war.03. Außerdem hat sich das Landgericht mit den Aussagen der sachverständigen Zeugin und betreuenden Psychologin R. , wonach es schwierig gewesen sei, die Beschuldigte in die Patientengemeinschaft zu integrieren und die Medikation zunächst problematisch und es bis zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht möglich gewesen sei, die Beschuldigte auf ein Depotpräparat einzustellen, ebenso wenig auseinandergesetzt wie mit den Aussagen des sachverständigen Zeugen und behandelnden Arztes A. . Dieser hatte angegeben, dass die Einstellung auf eine Depotmedikation erst erfolgen könne, wenn zuvor eine Umstellung auf ein solches Mono-Präparat und die erforderliche Dosis gefunden sei; zudem sei die medikamentöse Einstellung noch nicht optimiert.
Vor allem aber hat die Strafkammer bei ihrer Prognoseentscheidung nicht berücksichtigt, dass es nach dessen Aussage bei der Beschuldigten während der Unterbringung zu fremdaggressiven Verhaltensweisen gekommen ist und sie nach den Pflegekräften auch geschlagen und getreten hat.
Der neue Tatrichter wird die Gefährlichkeitsprognose auf den Zeitpunkt der neuen Entscheidung unter Berücksichtigung des aktuellen Behandlungszustandes zu beziehen haben. Sollte danach das Landgericht die Voraussetzungen der Anordnung der Unterbringung bejahen, wird der neue Tatrichter in den Blick zu nehmen haben, dass die Anordnung der Unterbringung, ggfs. mit geeigneten Weisungen, auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, was zu einer ordnungsgemäßen Medikamentierung der Beschuldigten während dieser Zeit beitragen kann.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Juni 2017 – 1 StR 628/16
- BGH, Urteil vom 12.06.2001 – 1 StR 190/01; Beschlüsse vom 20.06.2000 – 5 StR 173/00, NStZ 2000, 550; und vom 19.06.2012 – 5 StR 181/12, NStZ 2013, 55[↩]