Ein Klageerzwingungsantrag hat dann keinen Erfolg, wenn ein Beschuldigter aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft verhandlungsunfähig ist, so dass – wegen eines Verfahrenshindernisses – keine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht. Ein Klageerzwingungsantrag kann auch dadurch unbegründet sein, dass kein hinreichender Tatverdacht besteht.

So das Oberlandesgericht Karlsruhe in dem hier vorliegenden Fall eines Klageerzwingungsantrages, der sich gegen die Einstellung der Ermittlungen wegen des Massakers von Sant‘ Anna di Stazzema gerichtet hat. Soweit es vier Beschuldigte anbelangt, ist der die Bescheide der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 26. September 2012 und der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 15. Mai 2013 betreffenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen worden. Hinsichtlich des weiteren Beschuldigten wurde die Entscheidung zurückgestellt.
Gegenstand des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungs- und des gerichtlichen Klageerzwingungsverfahrens ist das Massaker von Sant‘ Anna di Stazzema/Italien am 12. August 1944, in dessen Verlauf Soldaten des II. Bataillons des 35. Regiments der 16. SS-Panzergrenadierdivision „Reichsführer SS“ mehrere Hundert Zivilisten, vornehmlich Frauen und Kinder, ermordet hatten.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe sei der Klageerzwingungsantrag bereits unzulässig, soweit es die Beschuldigten A. B., I. L., und T. S. betrifft. Der Antrag genüge insofern nicht den Zulässigkeitsanforderungen des § 172 Abs. 3 S. 1 StPO, insbesondere mangle es an der nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte erforderlichen Auseinandersetzung mit der Argumentation in den Bescheiden der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft.
Darüber hinaus sei bei dem Beschuldigten A. B. festgestellt worden, dass er aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft verhandlungsunfähig sei, so dass – wegen eines Verfahrenshindernisses – keine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit bestehe.
Außerdem könne dem weiteren Beschuldigten I.L. ein zumindest bedingter Tötungsvorsatz nicht hinreichend sicher nachgewiesen werden. Der zum damaligen Zeitpunkt 18 Jahre alte Beschuldigte sei als SS-Grenadier einfacher Mannschaftsdienstgrad und als solcher mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in die Planungen des Einsatzes eingebunden gewesen. Selbst bei Annahme einer von Anfang an vorgeplanten Vernichtungsaktion an der Zivilbevölkerung kann nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht mit hinreichender Verurteilungswahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass die einfachen Mannschaftsdienstgrade von dieser Planung Kenntnis gehabt hätten. Insofern stimme das Oberlandesgericht überein mit dem Urteil des Militärgerichts La Spezia vom 22. Juni 2005, das ebenfalls das Massaker von Sant‘ Anna di Stazzema zum Gegenstand hatte. Das Militärgericht La Spezia gehe in diesem Urteil von einer vorgeplanten Vernichtungsaktion gegen die Zivilbevölkerung von Sant’ Anna di Stazzema aus und stelle ausdrücklich fest, dass die Annahme einer vorgeplanten Vernichtungsaktion nicht durch die Behauptung einiger ehemaliger deutscher Soldaten widerlegt werde, der zufolge sie die Befehle im letzten Moment bekommen hätten – wahrscheinlich sogar vor Ort ohne Vorankündigung – und ihnen ausschließlich die Gefangennahme und Verhaftung, nicht jedoch die Tötung von Personen befohlen worden sei. Es sei ganz klar, dass der Befehl nicht sofort bis zum untersten hierarchischen Glied weitergegeben worden sei. Da bekannt sei, so das Militärgericht La Spezia weiter, dass das Treffen von Entscheidungen und das Planen militärischer Entscheidungen einzig und allein in den Kompetenzbereich der Offiziere und Unteroffiziere falle, verstehe es sich von selbst, dass allein sie im Vorfeld gewusst hätten, welche Taten begangen würden.
Bei dem Beschuldigten T. S., einem ehemaligen Kompanieführer, sei nach den durchgeführten Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich, dass er sich am Tattag im Lazarett befunden und damit nicht an dem Massaker teilgenommen habe.
Hinsichtlich des Beschuldigten K. G. hat das Oberlandesgericht das Verfahren eingestellt, weil er während des Klageerzwingungsverfahrens verstarb.
Bei dem Beschuldigten G. S. bedürfe noch weiterer Abklärung, ob er aus gesundheitlichen Gründen (dauerhaft) verhandlungsunfähig sei. Deshalb hat das Oberlandesgericht insofern die Entscheidung über den Klageerzwingungsantrag zurückgestellt.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 30. Oktober 2013 – 3 Ws 285/13