Eine Unterbringung gemäß § 63 StGB darf lediglich dann angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustandes in der Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben [1].

Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist im Rahmen einer Gefährlichkeitsprognose auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu beurteilen [2].
Für die Erwartung zukünftiger Straftaten, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens befürchten lassen, brauchen zwar die verfahrensgegenständlichen Anlasstaten selbst nicht erheblich zu sein [3]. Die zu erwartenden Taten müssen aber, um schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen zu lassen, grundsätzlich zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein [4].
Erreichen die Anlasstaten ihrem Gewicht nach nicht einmal diesen Bereich, ist eine Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB nicht von vornherein ausgeschlossen; das Tatgericht muss in solchen Fällen allerdings die erforderliche Gefährlichkeitsprognose besonders sorgfältig darlegen [5].
Dazu ist regelmäßig eine besonders eingehende Würdigung der Person des bzw. der Beschuldigten, vor allem der Krankheitsgeschichte sowie der Anlasstaten, notwendig [6].
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar nicht jede Form sexueller Devianz, wie etwa Pädophilie, ohne weiteres das Eingangsmerkmal der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ ausfüllen. Die Störung kann aber im Einzelfall den Schweregrad des Eingangsmerkmals erreichen; eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit kann insbesondere dann gegeben sein, wenn abweichende Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz, durch Ausbau des Raffinements und durch gedankliche Einengung der Praktiken auszeichnen [7].
Im vorliegenden Fall war der Angeklagte bereits einmal 27 Jahre in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Gleichwohl stünde nach Ansicht des Bundesgerichtshofs der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62 StGB) einer Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen des erneuten Sich-Verschaffens von kinderpornografischen Bildern und Videos nicht zwingend entgegen. Jedenfalls kommt dem Umstand, dass der frühere Vollzug der 1985 angeordneten Unterbringung gemäß § 63 StGB wegen Unverhältnismäßigkeit beendet worden ist, grundsätzlich keine unmittelbare Bedeutung für die Voraussetzungen der Unterbringung wegen der Begehung der jetzigen Anlasstaten zu. Ob die Anordnung der Maßregel gemäß § 63 StGB im gegenständlichen Verfahren verhältnismäßig wäre, bestimmt sich nach der Bedeutung der jetzigen Anlasstaten sowie derjenigen der zu erwartenden Taten und dem von dem Täter ausgehenden Grad der Gefährlichkeit [8]. Bei der Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 Satz 1 Var. 2 StGB wegen Unverhältnismäßigkeit des (weiteren) Vollzugs einer angeordneten Maßregel kommt es als Abwägungsfaktor zwar auch auf Grad und Art der zukünftigen Gefährlichkeit des Untergebrachten an. Maßgebend ist im Rahmen der Erledigungserklärung gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 Var. 2 StGB jedoch vor allem, dass bei langandauernden Unterbringungen der Freiheitsanspruch des Untergebrachten zunehmendes Gewicht erhält [9]. Gerade dieser Aspekt ist für die Verhältnismäßigkeit der erneuten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen neuer Anlasstaten dagegen nicht von Bedeutung.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 3. September 2015 – 1 StR 255/15
- st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 18.11.2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f. mwN; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 63 Rn. 15 und 16 mwN[↩]
- st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 28.01.2015 – 4 StR 514/14, NStZ-RR 2015, 169 f. mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 18.11.2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f.[↩]
- BGH aaO sowie BGH, Beschlüsse vom 16.07.2008 – 2 StR 161/08; vom 22.02.2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202; vom 06.03.2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 jeweils mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 02.03.2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241[↩]
- BGH, Urteil vom 02.03.2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241; Beschlüsse vom 06.03.2013 – 1 StR 654/12, NStZ-RR 2013, 303, 304 f.; vom 18.11.2013 – 1 StR 594/13, NStZ-RR 2014, 76 f.[↩]
- BGH jeweils aaO[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 17.07.2007 – 4 StR 242/07, NStZ-RR 2007, 337; vom 06.07.2010 – 4 StR 283/10 Rn. 4[↩]
- vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 62 Rn. 3 – 5[↩]
- siehe etwa BVerfGE 70, 297, 315; BVerfG [2. Kammer des Zweiten Bundesgerichtshofs], Beschluss vom 19.11.2012 – 2 BvR 193/12, StV 2014, 148, 150 sowie Veh in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 2, § 67d Rn. 21 mwN[↩]