Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Verletzung der Fürsorgepflicht gemäß § 171 StGB setzt – ebenso wie die Annahme des Qualifikationstatbestands des § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB – erfordert tatbestandlich das Vorliegen eines Gefährdungsvorsatzes.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hat der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts beim (stundenlangen) Einsperren seines zweijährigen Sohnes in das Kinderzimmer bei hochsommerlichen Temperaturen, ohne ihn ausreichend mit Getränken zu versorgen, mit bedingtem Körperverletzungsvorsatz gehnadelt. Dass das Kind qualvoll verdurstete, war für den Angeklagten vorhersehbar. Das Landgericht hat ihn deshalb rechtsfehlerfrei der Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen. Von einem auf die Lebensgefährlichkeit der Behandlung seines Sohnes gerichteten Vorsatz des Angeklagten hat sich die Strafkammer ausdrücklich nicht zu überzeugen vermocht. Damit scheidet aber eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 225 Abs. 3 Nr. 1 1. Alt. StGB aus. Denn die Qualifikationsnorm des § 225 Abs. 3 StGB enthält keine Erfolgsqualifikation im Sinne des § 18 StGB sondern ein Vorsatzdelikt, sodass die durch die Misshandlung verursachte Todesgefahr für das Tatopfer vom Vorsatz des Täters umfasst sein muss1.
Auf der Grundlage der im landgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen konnte für den Bundesgerichtshof die tateinheitliche Verurteilung wegen Verletzung der Fürsorgepflicht nach § 171 StGB keinen Bestand haben, weil das Landgericht einen auf die Gefahr einer dauernden und nachhaltigen Störung der körperlichen Entwicklung des Tatopfers2 bezogenen Vorsatz des Angeklagten nicht festgestellt hat.
Der Bundesgerichtshof ließ daher die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Verletzung der Fürsorgepflicht im Schuldspruch entfallen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8. Oktober 2020 – 4 StR 339/20
- vgl. BGH, Urteile vom 23.07.2015 ? 3 StR 633/14, BGHR StGB § 225 Abs. 3 Gefahr 1; vom 26.01.2017 ? 3 StR 479/16, NStZ 2017, 410, 411; vgl. Momsen-Pflanz/Momsen in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 4. Aufl., § 225 Rn. 26; Hardtung in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 225 Rn. 37[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.04.1982 ? 1 StR 50/82, NStZ 1982, 328, 329[↩]