Auch im Vermögensrecht richtet sich die Beweislast nach den allgemeinen Regeln, wonach die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen geht, der hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableiten will. Danach trägt die Behörde die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Restitutionsausschlussgrundes gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG, nämlich dafür, dass eine von deutschen Stellen vorgenommene Enteignung von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts [1] beruhen auch nach der Gründung der DDR am 7.10.1949 erfolgte Enteignungen auf besatzungshoheitlicher Grundlage, wenn sie unter der Oberhoheit der Besatzungsmacht und mit ihrer generellen Billigung in einer Weise in die Wege geleitet worden waren, die die Verantwortung der Besatzungsmacht für den weiteren Vollzug durch die deutschen Stellen begründete. Die vom sog. demokratischen Magistrat von Groß-Berlin nach Maßgabe der „Liste 3“ zum Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 08. Februar 1949 beschlossenen Enteignungen von Vermögenswerten im sowjetischen Sektor von Berlin sind in aller Regel auf besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt, da die Sowjetunion für die Durchführung des Enteignungsgesetzes vom 08. Februar 1949 die Verantwortung übernommen hatte, die sich über den Zeitpunkt der Gründung der DDR hinaus bis zur Veröffentlichung der Listen 3 und 4 Ende 1949 erstreckte. Dementsprechend nahm der sowjetische Stadtkommandant Generalmajor Kotikow mit Schreiben vom 09. Februar 1949 das Einziehungsgesetz zustimmend zur Kenntnis. Etwas anderes gilt freilich dann, wenn der in der Liste 3 verzeichnete Vermögenswert nicht bereits beim Erlass des Gesetzes vom 08. Februar 1949 beschlagnahmt war, sondern erst später oder gar nicht beschlagnahmt wurde; wegen des in dem Bestätigungsschreiben des Stadtkommandanten Generalmajor Kotikow vom 09. Februar 1949 enthaltenen Verbots künftiger Beschlagnahmen fehlt es in solchen Fällen an einem die Gründung der DDR überdauernden Auftrag der Besatzungsmacht. Ferner kann die Anwendung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG daran scheitern, dass die Sowjetunion die Beschlagnahme im Einzelfall ausdrücklich untersagt oder als ungerechtfertigt aufgehoben hat [2].
Hiernach kommt es allein darauf an, ob die Beschlagnahme eines Vermögenswertes vor dem 8. Februar 1949 erfolgt war, und nicht darauf, ob sie in den Listen der Sequesterkommission vermerkt oder den sowjetischen Behörden bekannt war [3]. Es muss auch nicht unbedingt eine Sequestrierung gemäß SMAD-Befehl Nr. 124 vorliegen, um den erforderlichen fortdauernden Vollzugsauftrag der Besatzungsmacht zu begründen. Es genügt auch eine Beschlagnahme auf der Grundlage der Verordnung „über die Anmeldung und Beschlagnahme des Vermögens der Personen, die sich aktiv faschistisch betätigt haben“, vom 02.07.1945 [4]. Nach ihrer Präambel wurde diese Verordnung im Auftrag und mit Zustimmung des obersten Chefs der sowjetischen Militärischen Administration, vertreten durch den Stadtkommandanten der Stadt Berlin, erlassen, ohne dass dagegen von westlicher Seite ein Veto eingelegt worden wäre [5]. Sie richtete sich ebenso wie der SMAD-Befehl Nr. 124 vom 30.10.1945 gegen „Kriegsverbrecher und Naziaktivisten“, die die sowjetische Besatzungsmacht auch in vermögensrechtlicher Hinsicht in besonderem Maße zur Rechenschaft ziehen wollte. Das Einziehungsgesetz vom 08. Februar 1949 knüpfte an Beschlagnahmen auf beiden Rechtsgrundlagen an, indem es die entschädigungslose Einziehung des gesamten Vermögens der „Kriegsverbrecher und Naziaktivisten“ anordnete (vgl. § 1 des Gesetzes). Dass das Einziehungsgesetz sich nicht nur auf Beschlagnahmen gemäß SMAD-Befehl Nr. 124 bezog, macht auch § 1 Abs. 2 Satz 2 dieses Gesetzes deutlich. Hiernach erstreckte sich die Einziehung „auch auf Vermögenswerte, die aufgrund des Gesetzes 52 und der Befehle Nr. 124 und 126 der Alliierten Besatzungsmächte beschlagnahmt sind“.
Auch im Vermögensrecht richtet sich die Beweislast nach den allgemeinen Regeln, wonach die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen geht, der hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableiten will [6]. Danach trägt im vorliegenden Fall die Behörde die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Restitutionsausschlussgrundes gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG, nämlich dafür, dass eine von deutschen Stellen vorgenommene Enteignung von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgte. Zwar ist das Verwaltungsgericht mit Recht davon ausgegangen, dass die vom sog. demokratischen Magistrat von Groß-Berlin nach Maßgabe der „Liste 3“ zum Gesetz „zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten“ vom 08. Februar 1949 beschlossenen Enteignungen von Vermögenswerten im sowjetischen Sektor von Berlin in aller Regel auf besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne von § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG erfolgt sind und dass eine andere Beurteilung – abgesehen von einem individuellen Eingreifen der Besatzungsmacht zugunsten des Betroffenen – nur dann angebracht ist, wenn der in der Liste 3 verzeichnete Vermögenswert nicht bereits beim Erlass des Gesetzes vom 08. Februar 1949 beschlagnahmt war [7]. Das darf aber nicht dahin missverstanden werden, dass ein Rückgabeverlangen schon dann abzuweisen wäre, wenn der fragliche Vermögenswert in der Liste 3 verzeichnet war, selbst wenn unaufklärbar bliebe, ob der Vermögenswert vor dem 9. Februar 1949 überhaupt beschlagnahmt oder sequestriert worden war. Vielmehr muss die Enteignung in jedem Falle auf den Willen der Besatzungsmacht zurückgeführt werden. Dazu bedarf es aber der Rückführung auf eine Beschlagnahme oder Sequestrierung vor dem 9. Februar 1949. Insofern ist von Bedeutung, dass die Enteignungen nach der Liste 3 in Ost-Berlin – anders als diejenigen in der sowjetischen Besatzungszone, die schon 1948 erfolgten [8] – erst nach der Gründung der DDR und mithin zu einer Zeit durchgeführt wurden, zu der die sowjetische Besatzung beendet war. Das schließt es aus, die Rückführung auf den Willen der Besatzungsmacht allein damit zu begründen, dass die Besatzungsmacht der Enteignung nicht widersprochen habe.
Zur Vermeidung von Missverständnissen sei freilich hinzugefügt, dass das Vermögensamt und ggf. das Verwaltungsgericht zwar feststellen müssen, ob der aufgrund der Liste 3 entzogene Vermögenswert vor dem 9. Februar 1949 beschlagnahmt oder sequestriert wurde, dass eine dahingehende Überzeugungsbildung aber nicht erst dann in Betracht kommt, wenn sich ein dahingehender Vollbeweis führen lässt. Vielmehr gilt auch hier, dass eine Überzeugungsbildung auf der Grundlage von Indizien zulässig ist [9] und dass dabei zusätzlich die oft dürftige Beweislage zu jenen lang zurückliegenden unmittelbaren Nachkriegsjahren in Rechnung zu stellen ist. Die Annahme der Unaufklärbarkeit kommt hiernach erst dann in Betracht, wenn sich auch nach Ausschöpfung aller Indizien keine tragfähige Grundlage für eine tatsächliche Feststellung bietet.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. September 2013 – 8 C 4.12
- BVerwG, Urteil vom 13.02.1995 a.a.O.; Beschluss vom 05.12.2005 – 7 B 81.05, ZOV 2006, 95[↩]
- BVerwG, Urteil vom 13.02.1995 a.a.O.[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 05.12.2005 a.a.O.[↩]
- VOBl der Stadt Berlin vom 20.08.1945, Nr. 4 S. 45 f.[↩]
- vgl. hierzu Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen der ehem. DDR – RVI – Bd. II, Stand: August 2012, § 1 VermG Rn. 375; Frantzen, VIZ 1993, 9, 10 m.w.N.[↩]
- stRspr, BVerwG, Urteil vom 24.03.1994 – 7 C 11.93, BVerwGE 95, 289, 294; Beschlüsse vom 17.05.2005 – 7 B 140.04; vom 26.06.2006 – 8 B 4.06, ZOV 2006, 310; und vom 07.03.2012 – 5 B 56.11, ZOV 2012, 100; allgemein Dawin, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: August 2012, § 108 Rn. 91 ff.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 13.02.1995 – 7 C 53.94, BVerwGE 98, 1, 10 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 38 S. 83 f.[↩]
- vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 07.03.2012 – 8 C 1.11, Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 45[↩]
- vgl. allgemein BVerwG, Urteil vom 17.01.1980 – 5 C 7.79, Buchholz 431.1 Architekten Nr. 5 S. 16, 17[↩]