Verletzung rechtsaufsichtlicher Pflichten

Mit der Frage der drittschützenden Wirkung einer Verletzung rechtsaufsichtlicher Pflichten bei einer Verbandsgründung (hier: eines Abwasserzweckverbandes) hatte sich jetzt das Thüringer Oberlandesgericht zu befassen:

Verletzung rechtsaufsichtlicher Pflichten

Auch ein (zunächst) fehlerhaft gegründeter – körperschaftlich strukturierter –Zweckverband kann im Bereich des Privatrechts Zuordnungsobjekt von Rechten und Pflichten und damit Partei eines privatrechtlichen Vertrages sein; er ist dann als nicht rechtsfähiger (bzw. im Rahmen von Rückabwicklungs- und Schadensersatz-ansprüchen als teilrechtsfähiger) Verband eigener Art zu behandeln. Auf ihn sind stets die Rechtsgrundsätze derjenigen zivilrechtlichen Korporation anzuwenden, die jeweils am weitestgehend mit seiner Struktur übereinstimmen.

Ist ein solcher Vorverband zivilrechtlich teilrechtsfähig und hat er als solcher einen Schaden erlitten, ändert die nachfolgende konstitutive Gründung des Verbandes als Körperschaft des öffentlichen Rechts nichts am Bestand der bereits vorher entstandenen privatrechtlichen Rechte und Pflichten, ferner nichts an deren Abwicklung. Es tritt nach wirksamer Konstituierung lediglich eine weitere rechtliche Qualität hinzu.

Verletzt die Rechtsaufsichtsbehörde bei der (konstitutiven) Verbandsgründung eines solchen Verbandes ihre normativ ausgerichtete Prüfpflicht im Hinblick auf die Regeln zur Veröffentlichung nach der Thüringer BekanntmachungsVO, ist der Verband also wegen Verletzung solcher (gesetzlich zwingender) Verlautbarungsregeln nicht wirksam gegründet worden, so hat diese rechtsaufsichtliche Pflichtverletzung drittschützenden Charakter in Bezug auf den nicht wirksam gegründeten Verband.

Daran ändert sich auch nichts durch den im Rahmen der Staatshaftung geltenden haftungsbegrenzenden Rechtsgrundsatz, dass der Bürger keinen mit der Sanktion des Schadensersatzes bewehrten allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch gegen die öffentliche Hand hat.

Weiterlesen:
Das im Baugenehmigungsverfahren rechtswidrig verweigerte gemeindliche Einvernehmen

Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 18. September 2012 – 4 U 695/11