Die im Wege einer Formularbestimmung in einem einer Berufsausbildung dienenden Studienvertrag getroffene Kündigungsregelung, wonach das Ausbildungsverhältnis durch ordentliche Kündigung nur zum Ende des jeweiligen Studienjahres beendet werden kann, benachteiligt den Studierenden unangemessen und ist daher wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn die Frist zum Ausspruch der Kündigung endet, bevor feststeht, ob der Studierende die vorgesehene Studienjahresabschlussprüfung besteht und in die nächste Klassenstufe versetzt wird.

Dies entschied jetzt das Oberlandesgericht Karlsruhe in dem Fall eines Teilnehmers, der das letztjährige Klassenziel nicht erreicht hatte und nun den Studienvertrag für die nächste Klasse – an der er wegen des Nichtbestehens ja nicht teilnehmen konnte – kündigen wollte.
Allein die Tatsache, dass das Studienziel der letzten Klasse nicht erreicht wurde, berechtigt noch nicht zur fristlosen Kündigung des als Dienstvertrag einzustufenden Studienvertrages gemäß § 626 BGB. Der Umstand, dass die Student die Studienjahresabschlussprüfung nicht bestanden und das Klassenziel nicht erreicht hat, ist seiner eigenen Risikosphäre zuzuordnen und berechtigt den Studenten deshalb nicht zu einer außerordentlichen Kündigung1. Ebenso wenig vermag der Umstand, dass der Student nicht mehr zur mündlichen Prüfung zugelassen wurde, nachdem bereits unstreitig vorab feststand, dass die Erreichung des Klassenziels auch bei Absolvierung der mündlichen Prüfung nicht mehr möglich war, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. In einem solchen Fall eine mündliche Prüfung überflüssig ist.
Eine Kündigung gemäß § 627 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Eine solche ist nur dann zulässig, wenn der Dienstverpflichtete nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen steht. Ein dauerndes Dienstverhältnis ist hierbei nicht nur ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes, sondern auch ein befristetes, sofern es nur auf bestimmte, längere Zeit abgeschlossen ist2. Dies ist hier bei dem auf drei Jahre angelegten Ausbildungsvertrag, bei welchem die Studiengebühren in halbjährlichen, von vorne herein festgelegten Beträgen zu entrichten sind, der Fall3.
Der Student war bei Ausspruch seiner Kündigung vom 20.07.2009 jedoch zur ordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses zum Ende des ersten Studienjahres, d.h. zum 31.08.2009 berechtigt. Zwar eröffnen die Vertragsbestimmungen des Lehrgangsanbieters dem Studenten lediglich die Möglichkeit, eine ordentliche Kündigung durch schriftliche Erklärung bis spätestens 15. April eines jeden Jahres zum Ende des jeweiligen Studienjahres (31.08. eines Jahres) auszusprechen. Danach wäre die (ordentliche) Kündigung des Studenten vom 20.07.2009 grundsätzlich erst zum Ablauf des zweiten Studienjahres, d. h. zum 31.08.2010 wirksam. Die vorstehende formularmäßige Regelung hält jedoch der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht stand, da der Student hierdurch unangemessen benachteiligt wird. Denn die Regelung hat zur Folge, dass der Student bereits zum 15.04. eines Studienjahres ordentlich zum Studienjahresende kündigen muss und damit zu einem Zeitpunkt, zu welchem weder die Jahresabschlussprüfung durchgeführt, noch deren Ergebnis, insbesondere ob das Klassenziel erreicht ist und eine Versetzung erfolgt, dem Student mitgeteilt ist. Damit ist diesem aber in einer ihn unangemessen benachteiligenden Weise die Möglichkeit verschlossen, nach Erlangung der Kenntnis von seiner Nichtversetzung noch ordentlich zum Studienjahresende zu kündigen.
Eine unangemessene Benachteiligung des Studenten im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist nicht bereits deshalb anzunehmen, weil die vertragliche Kündigungsregelung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren wäre. Ausdrückliche gesetzliche Vorschriften, die den gleichen oder einen vergleichbaren Sachverhalt regeln, lassen sich nicht feststellen. So ist § 5 Fernunterrichtsschutzgesetz, der dem Teilnehmer eines Fernunterrichtsvertrages ohne Angaben von Gründen nach Ablauf des ersten Vertragshalbjahres unabdingbar das jederzeitige Recht zur Vertragskündigung mit einer Frist von 3 Monaten einräumt, auf Direktunterrichtsverträge der vorliegenden Art weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar4. Gleiches gilt für die in § 22 des Berufsbildungsgesetzes vorgesehene Kündigungsregelung5. Auch die Kündigungsmöglichkeit nach § 621 BGB scheidet als Angemessenheitsmaßstab des dispositiven Rechts aus, da die Vorschrift nur dann Anwendung findet, wenn die Dauer des Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienste zu entnehmen ist6. Vorliegend ist die Dauer des Vertrages jedoch auf drei Jahre festgelegt. Die Kombination mit dem vertraglich geregelten ordentlichen Kündigungsrecht steht der Annahme eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstvertrages nicht entgegen7. Ebenso wenig kann die vertragliche Kündigungsregelung an § 620 Abs. 1 BGB, wonach ein Dienstvertrag, der für eine bestimmte Zeitdauer abgeschlossen wurde, erst mit deren Ablauf endet, gemessen werden8.
Die Kündigungsregelung benachteiligt den Studenten jedoch deshalb unangemessen im Sinne des § 307 BGB, weil ihm dadurch, dass er nur bis spätestens 15.04. eines Studienjahres zu dessen Ende ordentlich kündigen kann, die Möglichkeit genommen wird, eine ordentliche Kündigung noch nach Abschluss und Bekanntgabe des Ergebnisses der Studienjahresabschlussprüfung auszusprechen.
Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchsetzen will, ohne dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen9.
Im Rahmen der hierbei erforderlichen Interessenabwägung ist das wirtschaftliche Interesse der Klägerin, rechtzeitig vor Beginn des nächsten Studienjahres gesicherte Kenntnis davon zu erlangen, welche ihrer Studierenden die Ausbildung fortsetzen, zu berücksichtigen. Denn die Klägerin muss Lehrkräfte und Unterrichtsräume bereitstellen und ist deshalb auf eine gesicherte Kalkulationsgrundlage angewiesen.
Dem steht das Interesse der Beklagten Ziffer 1 gegenüber, sich nach erfolgloser Studienjahresabschlussprüfung und Kenntnisnahme ihrer Nichtversetzung in die nächste Klassenstufe noch ohne erhebliche finanzielle Einbußen vom Vertrag lösen zu können. Entscheidend fällt bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen ins Gewicht, dass es sich bei den von der Klägerin angebotenen Studienkursen um eine Berufsausbildung handelt. Das Interesse des Einzelnen an der Auswahl des für ihn richtigen Berufs und der dafür geeigneten Ausbildungsstätte sowie daran, etwaige Fehlentscheidungen ohne gravierende Nachteile korrigieren zu können, ist im Rahmen einer privatrechtlichen Interessenabwägung besonders schützenswert6. Da im vorliegenden Fall die Ausbildung eine versetzungsrelevante Studienjahresabschlussprüfung vorsieht, ist es möglich, dass die Studierenden erst nach deren Abschluss und Mitteilung der Prüfungsergebnisse erkennen, ob sie bei der Wahl des Berufes oder der Ausbildungsstätte die richtige Entscheidung getroffen haben. Falls sich für den Studenten angesichts des Nichtbestehens der Prüfung herausstellen sollte, dass er nicht die richtige Berufswahl getroffen hat, stünde er bei Anwendung der vertraglichen Kündigungsregelung vor der Wahl, das erste Ausbildungsjahr zu wiederholen und anschließend einen anderen Beruf zu ergreifen bzw. diese Entscheidung sofort zu treffen und gleichwohl die vollen Kursgebühren für ein weiteres Ausbildungsjahr zu zahlen8. Beides ist für sie mit erheblichen Nachteilen verbunden. Im ersten Fall muss sie eine erhebliche Verzögerung ihrer Ausbildung und des Eintritts in den Beruf hinnehmen; bei einem sofortigen Wechsel der Ausbildungsstätte muss sie für einen langen Zeitraum die Kosten zweier Ausbildungen parallel tragen, was wirtschaftlich nicht mehr tragbar sein kann7.
Diesem erheblichen vertragstypischen Risiko muss der Lehrgangsanbieter durch eine angemessene Vertragsgestaltung Rechnung tragen. Das Erfordernis einer ordentlichen Kündigung zum Studienjahresende bis spätestens 15.04. eines Jahres genügt dem nicht und benachteiligt den Studenten unangemessen. Die Vertragsgestaltung muss vielmehr eine Kündigungsmöglichkeit zum Schuljahresende noch innerhalb eines angemessenen Zeitraums einräumen, nachdem feststeht, dass eine Versetzung des Studierenden nicht erfolgt.
Die vertragliche Kündigungsregelung ist insgesamt nichtig. Dispositive gesetzliche Bestimmungen, die die Klausel nach § 306 Abs. 2 BGB ersetzen könnten, sind – wie dargelegt – nicht vorhanden. Es liegt damit eine Regelungslücke vor, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden kann, wobei zu fragen ist, welche Regelung die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen getroffen hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre10. Hieran gemessen hätte eine Regelung den beiderseitigen Interessen Rechnung getragen, wonach der Studenten innerhalb einer angemessenen Frist nach Mitteilung des Nichtbestehens der Prüfung und seiner Nichtversetzung die Möglichkeit der Kündigung zum Studienjahresende eingeräumt wird. Durch eine solche Kündigungsregelung würde die Interessen des Lehrgangsanbieters auch noch nicht unzumutbar beeinträchtigt, da sie gleichwohl immer noch mehrere Wochen vor Beginn des nächsten Studienjahres gesicherte Kenntnis davon hätte, welche ihrer Schüler ihren Studiengang fortsetzen.
Auf die Dauer der einzuräumenden Kündigungsfrist kommt es im Streitfall nicht entscheidend an. Denn auch wenn die Kündigung des Studenten vom 20.07.2009 nicht mehr innerhalb der angemessenen Kündigungsfrist erklärt worden sein sollte, kann sich die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) hierauf im Streitfall nicht berufen. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Studenten für den Fall, dass die Parteien anstelle der unwirksamen Kündigungsregelung dem Studenten das Recht eingeräumt hätten, nach Kenntnisnahme von ihrer Nichtversetzung den Ausbildungsvertrag innerhalb einer vertraglich festgelegten – angemessenen – Frist ordentlich zu kündigen, diesen dann nicht auch innerhalb dieser Frist gekündigt hätte.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 24. August 2010 – 19 U 27/10
- vgl. hierzu BGH NJW 1985, 2585[↩]
- vgl. BGHZ 120, 108[↩]
- BGH a.a.O.; BGHZ 90, 280; BGH NJW 1985, 2585[↩]
- BGHZ 120, 108; BGHZ 90, 280[↩]
- vgl. hierzu BGH a.a.O. zu § 15 Berufsbildungsgesetz in der bis 31.03.2005 gültigen Fassung[↩]
- BGHZ 120, 108[↩][↩]
- BGH a.a.O.[↩][↩]
- vgl. hierzu BGH a.a.O.[↩][↩]
- BGHZ 90, 280; BGHZ 120, 108[↩]
- BGHZ 90, 69; BGH a.a.O.[↩]