Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten – und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten

Ein Rechtsstreit aus einem Ausbildungsverhältnis zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, welches sich inhaltlich lediglich an den zwingenden Vorgaben der KJPsychTh-APrV orientiert und in welchem keine Weisungen, Anleitungen oder Aufsichtsmaßnahmen erfolgen und keine Dokumentationen oder Berichtspflichten abverlangt werden, die über die in der KJPsychTh-APrV enthaltenen Verpflichtungen hinausgehen, unterfällt nicht der arbeitsgerichtlichen, sondern der ordentlichen Rechtswegzuständigkeit.

Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten – und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten

Eine arbeitsgerichtliche Zuständigkeit ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3a oder b ArbGG. Der Auszubildende ist nämlich nicht Arbeitnehmer im Sinne von § 5 Abs. 1 ArbGG, wozu auch zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte gehören. Der Auszubildende genießt bei dem beklagten Ausbildungsinstitut zwar eine Berufsausbildung, ist aber bei dieser nicht zur Berufsausbildung „beschäftigt“.

nter den Begriff der Berufsausbildung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG fallen alle Bereiche der Berufsbildung nach § 1 Abs. 1 BBiG, also nicht nur die Berufsausbildung nach § 1 Abs. 3 BBiG, sondern auch die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung nach § 1 Abs. 4 und 5 BBiG1.

Die Ausbildung des Auszubildenden dient unbestritten der Erweiterung der beruflichen Handlungsfähigkeit des Auszubildenden und ist als berufliche Fortbildungsmaßnahme ein Berufsausbildungsverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

Der Auszubildende ist aber bei der Ausbildungseinrichtung nicht zu seiner Berufsausbildung „beschäftigt“.

Dem Begriff der „Beschäftigung“ kommt eine eigenständige Bedeutung zu. Er stellt den notwendigen Bezug der Streitigkeit von Parteien eines Berufsbildungsverhältnisses zum Arbeitsrecht her2.

Die Existenz des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG – und in gewisser Weise auch die des § 5 Abs. 3 ArbGG – lässt jedoch die Absicht des Gesetzgebers erkennen, den Anwendungsbereich des Arbeitsgerichtsgesetzes weit zu ziehen. Die Arbeitsgerichte sollen auch außerhalb des „klassischen“ Arbeits- und Berufsausbildungsverhältnisses für sachnahe Streitigkeiten zuständig sein. Die gesetzgeberische Absicht verlangt auch im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG Beachtung. Ihr entspricht eine weite Auslegung der Vorschrift3.

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„Beschäftigte“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG könne deshalb grundsätzlich auch Auszubildende in berufsbildenden Schulen und sonstigen Berufsbildungseinrichtungen sein. Ausschlaggebend für die Stellung als „Beschäftigter“ sind weder der jeweilige Lernort gem. § 1 Abs. 5 BBiG noch die jeweilige Lehrmethode als solche. Entscheidend ist nicht, wo und wie die Ausbildung erfolgt – ob in Betrieb, Schule oder sonstiger Einrichtung, ob überwiegend praktisch, innerhalb eines laufenden Produktions- oder Dienstleistungsprozesses oder überwiegend theoretisch, systematisch geordnet und lehrplanmäßig außerhalb eines solchen Prozesses. Maßgeblich ist stattdessen – wie für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses auch, welche vertraglichen Rechte und Pflichten die Parteien des Ausbildungsvertrages für die Durchführung des Ausbildungsverhältnisses begründet haben. „Beschäftigung“ liegt regelmäßig dann nicht vor, wenn das Rechtsverhältnis keinerlei über einen bloßen Leistungsaustausch hinausgehenden Inhalt hat. Es fehlt dann an jeder Nähe zum regulären Arbeitsverhältnis. Besucht etwa der Auszubildende eine private Schule im Bereich der Wirtschaft oder eine sonstige Bildungseinrichtung, ist aber dieser gegenüber weder zur pünktlichen und regelmäßigen Teilnahme noch zum Ablegen einer (Zwischen-)Prüfung noch zur Einhaltung von mehr als bloßen Hausordnungsregeln, sondern allenfalls zur Zahlung von Entgelt verpflichtet, so kann von einer Leistung im Dienste der Ausbildungsstätte keine Rede sein. Es handelt sich umgekehrt um ein Dienstverhältnis mit dem Auszubildenden als Dienstherrn. Es schuldet dann nur der Ausbildende die Lehre und nicht auch der Auszubildende das Lernen. Für Streitigkeiten aus einem solchen Ausbildungsverhältnis ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet. Gehen dagegen die wechselseitigen Pflichten über die mit dem unmittelbaren Leistungsaustausch verbundenen hinaus, ist insbesondere der Auszubildende weitergehenden Pflichten und Weisung unterworfen, so kann der für eine Beschäftigung notwendige Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben sein. Das ist etwa anzunehmen, wenn der privatrechtliche Ausbildungsvertrag eine Pflicht des Auszubildenden zum Schulbesuch festlegt, deren Nichteinhaltung kündigungsbewehrt ist, wenn er Ordnungs- und Verhaltensmaßregeln vorsieht, die über den Charakter einer reinen Hausordnung hinaus gehen, wenn er die Teilnahme an Zwischenprüfungen vorschreibt oder er bestimmte Verpflichtungen für die Zeit nach dem Ende der Ausbildung vorsieht. Hier schuldet nicht nur der Ausbildende die Lehre, sondern auch – und sei es mittelbar – der Auszubildende das Lernen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls2.

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Maßgeblich für eine „Beschäftigung“ ist somit, ob der Betreffende aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen Arbeit leistet, was auch außerhalb der betrieblichen Berufsbildung im Sinne von § 2 Abs. 1 BBiG in Betracht kommen kann. Der Beschäftigte muss dabei aber dem Weisungsrecht des Ausbildenden hinsichtlich des Inhalts, der Zeit und des Orts der Tätigkeit unterworfen sein4.

Unerheblich ist dagegen, ob die Ausbildung dem Geltungsbereich des Berufsbildungsgesetzes unterfällt oder diesem entzogen ist5.

Unter Anwendung dieser Grundsätze kann vorliegend nicht von einer „Beschäftigung“ des Auszubildenden ausgegangen werden.

Dass Ausbildungen nach dem PsychThG dem Berufsbildungsgesetz nach § 7 PsychThG entzogen sind, ist vorliegend unerheblich für die Frage der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit.

Wenn nur weitergehende Pflichten oder Weisungen, die über dem bloßen Leistungsaustausch hinausgehen, zu einer „Beschäftigung“ führen können, so bedarf es zuvörderst einer Bestimmung der Hauptpflichten der Ausbildungseinrichtung innerhalb dieses Leistungsaustauschverhältnisses. Zweck des vorliegenden Ausbildungsverhältnisses ist es, dass der Auszubildende nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung die Approbation zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erhalten kann. Eine solche Ausbildung darf zum Schutz der Patienten einerseits und zur Sicherung der Ausbildungsqualität andererseits gem. § 6 Abs. 1 PsychThG nur an Hochschulen oder anderen staatlich anerkannten Einrichtungen erfolgen, wobei gem. § 6 Abs. 2 PsychThG andere Einrichtungen (wie die Ausbildungseinrichtung) nur dann als Ausbildungsstätte anerkannt werden dürfen, wenn unter anderem gem. § 6 Abs. 2 Nr. 6 PsychThG die Ausbildungsteilnehmer während der praktischen Tätigkeit angeleitet und beaufsichtigt werden sowie die begleitende theoretische und praktische Ausbildung durchgeführt wird. Die Mindestanforderungen an eine solche Ausbildung sind aufgrund der Ermächtigung des § 8 Abs. 1 PsychThG geregelt in der KJPsychTh-APrV. Diese Verordnung schreibt entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 und 3 PsychThG) unter anderem vor, wie die Ausbildungsteilnehmer während der praktischen Tätigkeit einzusetzen sind und insbesondere welche Patienten sie während dieser Zeit zu betreuen haben, sowie dass die Ausbildungsteilnehmer während der praktischen Tätigkeit unter fachkundiger Anleitung und Aufsicht zu stehen haben. Daraus folgt, dass insbesondere Weisungen, Anleitungen und Aufsichtsmaßnahmen, als auch Dokumentations- und Berichtspflichten, die sich unmittelbar aus der KJPsychTh-APrV ergeben, zugleich Inhalt und Hauptleistungspflicht des Ausbildungsverhältnisses sind. Diese originär am Ausbildungszweck orientierten Anleitungen und Weisungen stellen somit keine über den reinen Leistungsaustausch weitergehenden Pflichten und Weisungen dar6.

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Nach Maßgabe der so bestimmten Hauptleistungspflichten ist nicht zu erkennen, dass der Auszubildende auf der Grundlage des Ausbildungsvertrages weitergehenden Pflichten oder Weisungen unterworfen wäre.

Der Ausbildungsvertrag verweist schon in § 1 Abs. 2 auf die KJPsychTh-APrV.

Die im Ausbildungsvertrag geregelten Stundenzahlen für die praktische Tätigkeit, die theoretische Ausbildung, die praktische Ausbildung und die Selbsterfahrung entsprechen den Mindeststundenzahlen gem. §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 2 und 3, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 KJPsychTh-APrV.

Dass die Ausbildungseinrichtung im Anstellungsvertrag vor allem auch zum Zwecke des Patientenschutzes eine Teilnahme an der praktischen Ausbildung mit mindestens 6 Patientenbehandlungen unter Supervision unter den Vorbehalt der persönlichen Eignung des Auszubildenden gestellt hat und der Ambulanzleitung die Entscheidung über die Eignung überantwortet hat, hat nichts mit zusätzlichen Pflichten des Auszubildenden und nichts mit Weisungsbefugnissen gegenüber dem Auszubildenden zu tun.

Auch die im Ausbildungsvertrag eingeräumte Möglichkeit, die eigenständigen Krankenbehandlungen nach pflichtgemäßen Ermessen von der Erfüllung von Auflagen abhängig machen zu können, hat nichts mit erweiterten Weisungen zu tun. Es ist schlicht Ausprägung des vom Ausbilder ebenfalls zu sichernden Patientenschutz und Bestandteil der Aufsichtsfunktion der Ausbildungseinrichtung iSv. § 6 Abs. 2 Nr. 6 PsychThG.

Der Auszubildende hat sich im Ausbildungsvertrag zwar verpflichtet, an den Ausbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Diese Verpflichtung wird aber im Ausbildungsvertrags wieder relativiert, soweit dort nämlich geregeltist, dass aus wichtigen Gründen versäumte Theorieseminare im Rahmen anderer Lehrgänge wiederholt werden können. Als Rechtsfolge nicht besuchter Ausbildungsveranstaltungen (aller Ausbildungsteile) ist im Ausbildungsvertrag lediglich geregelt, dass die Quartalsausbildungsgebühren dennoch fällig werden. Ein Kündigungsrecht wegen Nichtteilnahme an Ausbildungsveranstaltungen ist vertraglich nirgends geregelt. Der Ausbildungsvertrag ist in diesem Zusammenhang deshalb so auszulegen, dass es sich schlicht um einen Hinweis handelt, dass bei Nichtteilnahme an den Ausbildungsveranstaltungen die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluss nach der KJPsychTh-APrV nicht mehr erfüllt werden können. Die Ausbildungseinrichtung wollte mit dieser Regelung jedenfalls keine „Pflicht zum Lernen“ begründen.

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Auch soweit der Auszubildende aus den ihm tatsächlich übertragenen Dokumentationspflichten über dem bloßen Leistungsaustausch hinausgehende Pflichten ableiten möchte, geht diese Ansicht fehl.

Die Dokumentationspflicht während der praktischen Tätigkeit resultiert aus § 2 Abs. 3 KJPsychTh-APrV. Die Verpflichtung zur schriftlichen Falldarstellung während der praktischen Ausbildung beruht auf § 4 Abs. 6 KJPsychTh-APrV.

Aber auch aus der Rahmenvereinbarung für die praktische Ausbildung in der ABZ-Ambulanz bzw. ABZ-Lehrpraxis, welche Bestandteil des Ausbildungsvertrags ist, lassen sich keine über den bloßen Leistungsaustausch hinausgehenden Pflichten entnehmen.

Die dort erfassten Grundsätze und Aufgaben der Therapeuten betreffen im Wesentlichen den therapeutischen Ablauf, sowie die logistische Abwicklung und die entsprechenden Regeln des Behandlungsablaufs. In der praktischen Ausbildung darf der Auszubildende nur unter Supervision tätig werden. Der Supervisor sichert die gem. § 6 Abs. 2 Nr. 6 PsychThG gebotene Anleitung und Beaufsichtigung. Es ist deshalb eine ausbildungsimmanente pure Selbstverständlichkeit, dass der Supervisor über ausgefallene Behandlungssitzungen zu informieren ist, dass der Auszubildende bei der Behandlung eine Qualitätssicherung nach Vorgaben der Institutsleitung durchzuführen hat, dass Probleme, die im Behandlungsverlauf aufgetreten sind, mit der Leitung besprochen werden müssen und dass ethische Rahmenrichtlinien zu beachten sind.

Dass die Therapieräume bei Verlassen zu lüften und aufzuräumen sind, eine angemessene Bekleidung und Hygiene erwartet wird, Fragebögen und Messinstrumente nicht mitgenommen werden dürfen, Raum und Geräte pfleglich zu behandeln sind, sind Gegenstände einer „Haus- oder Benutzerordnung“ und nicht Ausprägung besonderer Weisungen.

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Lediglich einem geregelten organisatorischen Ablauf dienen die Aufstellungen über erbrachte Leistungen, die vom Institut schließlich gegenüber der Krankenkasse abgerechnet werden sollen. Selbiges gilt für die Abstimmungs- und Dokumentationspflicht bei externen Therapiesitzungen, weil auch diese abrechnungsrelevant sind für das Institut.

Dass bei Vorliegen psychischer oder physischer Erkrankungen des Therapeuten, die zu einer Beeinträchtigung des therapeutischen Geschehens führen können, Absprachen mit der Leitung der Institutsambulanz zu erfolgen haben, ist eine schlichte Frage der Eignungsbeurteilung des Therapeuten und somit zugleich Bestandteil der Überwachungspflichten der Ausbildungseinrichtung.

Kritisch betrachtet werden könnte allenfalls die Verpflichtung, dass Behandlungen bis zum Abschluss durchzuführen sind, auch wenn vorher der entsprechende Ausbildungsbaustein bereits absolviert ist. Jedoch handelt es sich beim für die praktische Ausbildung erforderlichen Stundenvolumen gem. § 4 Abs. 1 KJPsychTh-APrV, bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 3 und 4 des Ausbildungsvertrages lediglich um Mindeststunden. Es ist ohne Weiteres einsichtig, dass insbesondere unter Berücksichtigung des Schutzinteresses des Patienten eine begonnene Behandlung nicht wegen bloßes Erreichens der Mindeststundenzahl abgebrochen werden kann. Dies würde auch einer ordnungsgemäß angeleiteten und beaufsichtigten Ausbildung widersprechen, zumal § 4 Abs. 1 KJPsychTh-APrV von vollständigen Patientenbehandlungen und nicht von bloßen Teilbehandlungen ausgeht.

Landesarbeitsgericht Baden -Württemberg, Beschluss vom 12. November 2014 – 4 Ta 31/14

  1. BAG 27.09.2006 – 5 AZB 33/06 – juris; BAG 24.09.2002 – 5 AZB 12/02 – BAGE 102, 371; BAG 24.02.1999 – 5 AZB 10/98 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 45[]
  2. BAG 24.02.1999 aaO[][]
  3. BAG 24.02.1999 aaO; LAG Köln 14.10.2009 – 10 Ta 255/09 []
  4. BAG 27.09.2006 aaO; BAG 24.09.2002 aaO[]
  5. BAG 27.09.2006 aaO; im Ergebnis ebenso: LAG Köln 14.10.2009 aaO[]
  6. aA offenbar zu Weisungen, die sich aus der AltPflAPrV ergeben: Sächsisches LAG 16.03.2006 – 3 Ta 39/06 – PflR 2006, 519; auf die Problematik gar nicht eingehend: LAG Köln 14.10.2009 aaO[]
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