Das LegalTech – und die Ansprüche des Mieters aus der Mietpreisbremse

Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof mit Aktivlegitimation eines registrierten Inkassodienstleisters zu befassen, der Ansprüche des Mieters aus der sogenannten Mietpreisbremse (§§ 556d, 556g BGB) im Wege der Abtretung verfolgt. Konkret ging es dabei um die Abgrenzung der einem registrierten Inkassodienstleister nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF gestatteten Forderungseinziehung von für ihn unzulässigen Maßnahmen der Anspruchsabwehr:

Das LegalTech – und die Ansprüche des Mieters aus der Mietpreisbremse

Anlaß hierfür bot die Klage einer Gesellschaft mit begrenzter Haftung, die über eine Registrierung gemäß § 10 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, und die aus abgetretenem Recht der Mieter einer Wohnung der beklagten Vermieterin Ansprüche wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB in Verbindung mit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.04.2015, in Kraft getreten am 1.06.2015) geltend macht.

Zwischen der Vermieterin und den Mietern besteht ein zum 1.08.2018 geschlossenes Mietverhältnis über eine 40, 70 m² große Wohnung, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die vertraglich vereinbarte Nettokaltmiete beläuft sich monatlich auf 733 €. Die Vormiete betrug zuletzt monatlich 613, 83 €. Die GmbH bietet Wohnungsmietern über die von ihr betriebene Internetseite unter anderem die Möglichkeit an, sie durch Klicken eines Buttons, der die Aufschrift „Mietsenkung beauftragen“ trägt, mit der außergerichtlichen Durchsetzung von Forderungen sowie etwaiger Feststellungsbegehren gegen ihren Vermieter „im Zusammenhang mit der sogenannten Mietpreisbremse“ zu beauftragen, insbesondere von Auskunftsansprüchen, des Anspruchs auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete, des Anspruchs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Höhe der Miete, soweit sie die zulässige Miete übersteigt, des Anspruchs auf (teilweise) Rückzahlung beziehungsweise (teilweise) Freigabe der Mietkaution sowie gegebenenfalls weiterer Ansprüche im Zusammenhang mit der künftigen Herabsetzung der Miete. Dazu heißt es in der der GmbH erteilten Vollmacht und in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Stand: 29.06.2018) unter anderem, dass der Mieter sie mit der Geltendmachung des „Anspruchs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Miete, soweit sie die zulässige Miete übersteigt“, und mit der Verfolgung „weiterer Ansprüche im Zusammenhang mit der künftigen Herabsetzung“ der Miete beauftrage. In diesem Zusammenhang tritt der Mieter sämtliche vorstehend genannten Ansprüche gegen seinen Vermieter samt Nebenforderungen den Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete beschränkt auf die vier nach der Rüge gemäß § 556g Abs. 2 BGB aF fälligen Monatsmieten an die GmbH ab. Anders als nach früheren Fassungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der GmbH schuldet der Mieter gemäß Ziffer 3.1 bis 3.3 der Vertragsbestandteil gewordenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der GmbH nicht nur im Erfolgsfall eine Vergütung. Vielmehr fällt ab einer Mahnung des Vermieters stets eine Gebühr an, wie sie der Höhe nach einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zusteht, wobei die GmbH versuchen wird, diese Gebühr beim Vermieter beizutreiben. 

Die Mieter unterzeichneten am 14.08.2018 eine mit „Bestätigung, Vollmachtserteilung und Abtretung, Genehmigung“ überschriebene Urkunde, in der sie unter anderem erklärten, „rein vorsorglich“ die „treuhänderische, unwiderrufliche Abtretung“ der Ansprüche (mit Ausnahme der Datenschutzansprüche), den Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete beschränkt auf die vier nach der Rüge fälligen Monatsmieten, an die M. GmbH [heute C. GmbH], zu „bestätige[n] und [zu] wiederhole[n]“. Weiter haben sie „rein vorsorglich rückwirkend alle insoweit vorgenommenen Rechtshandlungen und Erklärungen der M. GmbH [heute C. GmbH] genehmigt“. Mit Schreiben vom 20.08.2018 rügte die GmbH gegenüber der Vermieterin unter Berufung auf die Beauftragung und Bevollmächtigung durch die Mieter gemäß § 556g Abs. 2 BGB aF einen Verstoß gegen die Vorschriften der Begrenzung der Miethöhe (§§ 556d ff. BGB) in Bezug auf die vermietete Wohnung. Die GmbH verlangte mit diesem Schreiben unter Fristsetzung Auskunft unter anderem über die Höhe der durch den Vormieter gezahlten Miete, über vorangegangene Mieterhöhungen und über durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen. Ferner begehrte sie die Rückerstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus zu viel gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung der Vermieterin, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde. Nachdem die Vermieterin dem nicht nachkam, mahnte die GmbH die Erfüllung ihres vorgenannten Begehrens an.

Mit der vorliegenden Klage hat die GmbH zuletzt die Rückzahlung von 393, 02 € Miete für den Monat Oktober 2018 sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.082, 01 €, jeweils nebst Zinsen, begehrt. Die Klage hat in erster Instanz teilweise Erfolg gehabt. Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat die Vermieterin verurteilt, an die GmbH eine überzahlte Miete für den Monat Oktober 2018 in Höhe von 119,17 € (Differenz zur Vormiete) sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 571,44 €, jeweils nebst Zinsen, zu erstatten1. Auf die Berufung der Vermieterin hat das Landgericht Berlin die Klage insgesamt abgewiesen2. Die Berufung der Vermieterin sei zwar nicht deshalb begründet, weil die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28.04.20153 unwirksam sei. Dabei könne dahinstehen, ob dem Berliner Bundesgerichtshof bei dem Erlass und bei der Verlautbarung der Verordnung Verfahrensfehler unterlaufen seien. Jedenfalls wären solche Verfahrensfehler unter Anwendung der „Kollegialgerichts-Richtlinie“ nicht evident, denn auch der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs habe die Verordnung in mehreren kollegialgerichtlichen Entscheidungen für formell wirksam befunden. Anhaltspunkte dafür, dass die Revisionsentscheidungen „handgreiflich falsch“ seien, bestünden nicht. Jedoch sei die Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche der Mieter an die GmbH gemäß § 134 BGB, § 2 Abs. 1, §§ 3, 5, 10 RDG nichtig, weil die GmbH durch ihre Tätigkeiten gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoße. Die GmbH gehe nicht nur über den Zulässigkeitsrahmen des Rechtsdienstleistungsgesetzes hinaus, sondern ziele offenkundig auch auf eine unzulässige Umgehung des anwaltlichen Berufs- und Vergütungsrechts ab. Nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs überschreite ein Inkassodienstleister die ihm gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG erteilte Inkassoerlaubnis jedenfalls dann, wenn seine Tätigkeit nicht auf eine Forderungseinziehung gerichtet sei, sondern die Abwehr von Ansprüchen zum Gegenstand habe. Die dem Landgericht Berlin als Tatgericht obliegende Würdigung der Gesamtumstände falle hier eindeutig zu Lasten der GmbH aus. Die Mieter der Vermieterin hätten der GmbH einen Auftrag erteilt, der nicht auf die Einziehung, sondern auf die Abwehr von Forderungen gerichtet sei. Sie hätten die GmbH mit dem Button „Mietsenkung beauftragen“ unmissverständlich mit der Absenkung der Miete beauftragt. Bereits daraus ergebe sich ein Auftrag zur Forderungsabwehr, bei dem es sich im Zeitpunkt der Auftragserteilung um eine ausschließliche Reaktion der Mieter auf ein Verlangen der beklagten Vermieterin handele. Denn diese habe sich bereits mit Abschluss des Mietvertrags einer nach Auffassung der Mieter preisrechtlich unzulässigen Miete berühmt und dies unverändert fortgesetzt. Die auf die Forderungsabwehr zielende Ausrichtung des Mandats der GmbH werde zusätzlich durch die ihr erteilte Vollmacht sowie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen belegt. Danach sei sie ausdrücklich mit der Geltendmachung des „Anspruchs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Miete, soweit sie die zulässige Miete übersteigt“ und mit der Verfolgung „weiterer Ansprüche in Zusammenhang mit der künftigen Herabsetzung“ der Miete beauftragt worden. Zwar umfasse das der GmbH erteilte Mandat auch die Rückforderung überzahlter, unter Vorbehalt entrichteter Miete sowie die anteilige Rückerstattung der geleisteten Kaution. Für die Abgrenzung zu einer noch zulässigen Forderungseinziehung sei jedoch nur darauf abzustellen, ob das Mandat im Kern auf Forderungsabwehr „gerichtet“ sei. Gemessen daran sei nicht zweifelhaft, dass die Mieter die GmbH im Wesentlichen zur Abwehr von Forderungen eingeschaltet hätten. Das Interesse der Mieter habe sich bei wirtschaftlicher Betrachtung vornehmlich darin erschöpft, die ihrer Auffassung nach überhöhte Mietforderung der Vermieterin abzuwehren und die Miete für die Dauer des auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietvertrags auf das zulässige Maß abzusenken. Die Rückforderung überzahlter Miete für nur wenige Monate sowie die anteilige Rückforderung der Mietsicherheit fielen wirtschaftlich nur unerheblich ins Gewicht. Zudem habe die GmbH den Gebührenstreitwert ihrer außergerichtlichen Tätigkeit anhand des Streitwerts der „Feststellungsklage“ mit 11.794, 44 € bemessen, die bezifferten Zahlungsansprüche hingegen lediglich mit einem Bruchteil hiervon. Hinzu komme, dass die von der GmbH beanspruchte Vergütung ausweislich Nr. 3.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom Gesamtbetrag der erfolgreich zurückgeforderten Miete abhänge, sondern vom Jahresbetrag der durchzusetzenden Mietsenkung. Zwar habe der Bundesgerichtshof ausgesprochen, die Beauftragung der GmbH zur „Mietsenkung“ sei lediglich eine flankierende Hilfsmaßnahme des Inkassos, die nur dazu diene, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche der Mieter entbehrlich zu machen. Dahingehende Feststellungen fänden eine Grundlage jedoch weder im Sachvortrag der Parteien noch in dem Internetauftritt der GmbH, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie in dem Inhalt der ihr erteilten Vollmacht. Die Berufung der Vermieterin sei auch begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten richte. Der GmbH fehle nicht nur die Aktivlegitimation. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen erbringe sie auch keine Inkassodienstleistungen im Sinne von § 4 Abs. 5 RDGEG [aF].

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Die hiergegen gerichtete; vom vom Landgericht Berlin zugelassene Revision der GmbH hatte vor dem Bundesgerichtshof Erfolg; zu Unrecht habe das Landgericht Berlin den von der GmbH aus abgetretenem Recht der Mieter erhobenen Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete gemäß § 556g Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 556e Abs. 1, § 556g Abs. 2 BGB (in der bis zum 31.12.2018 geltenden Fassung, vgl. Art. 229 § 49 Abs. 2 EGBGB; im Folgenden: § 556g Abs. 2 BGB aF) sowie den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 398 BGB, § 4 Abs. 5 RDGEG aF, jeweils nebst Zinsen, mit der Begründung als nicht bestehend erachtet, die GmbH sei für die vorgenannten Ansprüche nicht aktiv legitimiert.

Nur im Ergebnis zutreffend ist die Annahme des Landgerichts Berlin, die Entstehung der von der GmbH erhobenen Ansprüche scheitere nicht daran, dass die auf der Grundlage der Ermächtigung des § 556d Abs. 2 BGB erlassene Mietenbegrenzungsverordnung für das Land Berlin vom 28.04.2015 (Verordnung 17/186)3 unwirksam wäre. Die vorgenannte Verordnung begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken4. Insbesondere ist sie anders als es im Berufungsurteil anklingt und die Vermieterin mit der Berufungsbegründung geltend gemacht hat in einer den Anforderungen des Begründungsgebots gemäß § 556d Abs. 2 Satz 5 bis 7 BGB gerecht werdenden Weise veröffentlicht worden und daher nicht wegen einer unzureichenden Veröffentlichung der Begründung unwirksam5. Dies hat der Bundesgerichtshof nach Verkündung des Berufungsurteils in mehreren Parallelentscheidungen, denen Urteile der hier zuständigen Berufungskammer zugrunde liegen, bekräftigt6. Darauf wird Bezug genommen.

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Das Landgericht Berlin hat rechtsfehlerhaft angenommen, die GmbH sei gegenüber der Vermieterin für die geltend gemachten Ansprüche nicht aktiv legitimiert, weil die Abtretung der hier streitgegenständlichen Forderungen an die GmbH wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 RDG) nach § 134 BGB nichtig sei. Nach der Sichtweise des Landgerichts Berlin sind die über die Internetseite der GmbH angebotenen und im Streitfall für die Mieter erbrachten außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen von der Registrierung der GmbH als Inkassodienstleisterin gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG nicht erfasst, weil sie im Wesentlichen nicht auf die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG in der vor dem 1.10.2021 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt vom 10.08.20217 (im Folgenden: aF) gestattete Einziehung von Forderungen gerichtet seien, sondern auf eine (nicht gestattete) Forderungsabwehr. Dies trifft nicht zu.

Entgegen der vom Landgericht Berlin nach wie vor vertretenen Auffassung sind die Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 134 BGB in Verbindung mit den Bestimmungen des § 3 RDG sowie der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht gegeben. Denn die von der GmbH, die als Inkassodienstleisterin bei der zuständigen Behörde registriert ist, für die Mieter erbrachten Tätigkeiten sind durch die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF erteilte Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Bereich der Inkassodienstleistungen (noch) gedeckt8. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits vor der Verkündung des Berufungsurteils durch seine Urteile vom 08.04.20209; vom 06.05.202010 sowie vom 27.05.202011, denen Entscheidungen der auch für den Streitfall zuständigen Berufungskammer des Landgerichgts Berlin zugrunde liegen, bekräftigt12.

Anders als das Landgericht Berlin meint, kann eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der GmbH nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht damit begründet werden, die Rückforderung einer von dem Mieter an den Vermieter unter Vorbehalt gezahlten überhöhten Miete könne nicht mehr als eigenständige Inkassodienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes beurteilt werden, wenn der Auftrag des Mieters an die für ihn handelnde GmbH darüber hinausgehend laute, für ihn die „Mietpreisbremse“ bei dem Vermieter durchzusetzen und die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen. Zu Unrecht stellt das Landgericht Berlin darauf ab, unter den gegebenen Umständen falle die Rückforderung der überhöhten Miete wirtschaftlich nur unerheblich ins Gewicht, so dass die Tätigkeit der GmbH im Wesentlichen auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sei13.

Diese Argumentation ist rechtsfehlerhaft und verschließt sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in seinem grundlegenden Urteil vom 27.11.201914 entschieden hat, dass eine Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis der GmbH nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF (auch) nicht aus dem Umstand folgt, dass die GmbH in ihrem Rügeschreiben den Vermieter zusätzlich dazu aufgefordert hat, künftig von dem Mieter nicht mehr die von der GmbH als überhöht gerügte Miete zu verlangen, sondern diese auf den zulässigen Höchstbetrag herabzusetzen.

Die Aufforderung, die im Wohnungsmietvertrag vereinbarte Miete auf das höchstzulässige Maß herabzusetzen, ist nicht als eine einem registrierten Inkassodienstleister nicht gestattete Maßnahme der Anspruchsabwehr anzusehen15. Denn es handelt sich bei ihr nicht um eine Reaktion auf ein Verlangen der Vermieterin, sondern um eine in engem Zusammenhang mit der von der GmbH zulässigerweise erhobenen Rüge und dem von ihr geltend gemachten Anspruch auf Rückerstattung zu viel gezahlter Miete stehende Maßnahme, die letztlich dazu dient, für die Zukunft die Geltendmachung weitergehender Rückzahlungsansprüche der Mieter entbehrlich zu machen16.

Neue Gesichtspunkte, die Veranlassung geben könnten, von den die Bundesgerichtshofsrechtsprechung tragenden Grundsätzen abzuweichen, hat das Landgericht Berlin nicht aufgezeigt.

Zwar ist die Annahme einer Nichtigkeit nach § 134 BGB im Fall einer Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG in erster Linie dem Tatrichter auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände vorbehalten17. Das Berufungsurteil beruht jedoch anders als es vorgibt nicht auf einer der revisionsgerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglichen tatrichterlichen Würdigung. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die hinsichtlich der Tätigkeit der GmbH getroffenen Abreden ihre Grundlage in den von ihr verwendeten und in den Vertrag mit den Mietern einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben. Deren Auslegung kann der Bundesgerichtshof selbst vornehmen, da Allgemeine Geschäftsbedingungen wie revisible Rechtsnormen von dem Revisionsgericht frei auszulegen sind18. Vom Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen etwa abweichenden Sachvortrag der Parteien hat das Landgericht Berlin nicht festgestellt.

Zudem hat das Landgericht Berlin den Streitstoff rechtsfehlerhaft gewürdigt. Der Gesichtspunkt, dass die Rückzahlungsforderung der GmbH im Streitfall nicht anders als in den bisher vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen19 nicht unerheblich geringer ist als die von ihr geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, die im Wesentlichen auf dem Begehren beruhen, die Miete künftig auf das zulässige Maß herabzusetzen, macht das Begehren der GmbH nicht zu einer Maßnahme der Forderungsabwehr. Die tatrichterliche Würdigung kann zwar worauf das Landgericht Berlin sich hier ohne Erfolg zurückziehen möchte vom Revisionsgericht regelmäßig nur darauf überprüft werden, ob das Landgericht Berlin Rechtsbegriffe verkannt oder sonst unzutreffende Maßstäbe angelegt hat, ob es Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze hinreichend beachtet hat oder ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, indem es etwa wesentliche tatsächliche Umstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat20. Solche Rechtsfehler sind dem Landgericht Berlin indes unterlaufen.

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Das Landgericht Berlin meint im Wesentlichen, die Rückforderung der überzahlten Miete und der anteiligen Kaution falle wirtschaftlich nicht gegenüber der angestrebten Absenkung der Miete ins Gewicht. Im Kern sei die Tätigkeit der GmbH auf die Absenkung der Miete und damit auf die Forderungsabwehr gerichtet. Dies folge bereits daraus, dass die GmbH in ihrem Internetauftritt einen Button mit der Bezeichnung „Mietsenkung beauftragen“ verwendet habe. Zudem übernehme sie gegenüber ihrem Vertragspartner in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter anderem die Durchsetzung „des Anspruchs auf Feststellung der Unwirksamkeit der Miete, soweit er die zulässige Miete übersteigt“; entsprechendes sei in der der GmbH erteilten Vollmacht vorgesehen. Diese Sichtweise ist rechtsfehlerhaft.

Zwar lag den vor der Verkündung des Berufungsurteils ergangenen BGH, Urteilen anders als hier die Verwendung eines Buttons zugrunde, den die GmbH nicht mit der Aufschrift „Mietsenkung beauftragen“, sondern verallgemeinernd mit der Aufschrift „Auftrag verbindlich erteilen“ versehen hatte21. Dies rechtfertigt indes keine abweichende rechtliche Beurteilung, denn der in den vorgenannten Fällen maßgebliche, sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der GmbH und der ihr erteilten Vollmacht ergebende Auftragsinhalt unterscheidet sich nicht von der hier gegebenen Fallkonstellation22.

Das Landgericht Berlin blendet nicht nur die Besonderheiten des Dauerschuldverhältnisses, sondern weitere wesentliche Umstände der gegebenen Fallgestaltung aus, denn bei unverändertem Verhalten der Vermieterin hätte diese in Zukunft Monat für Monat ein gleichartiges Rückforderungsverlangen der Mieter zu vergegenwärtigen. Damit besteht ein enger inhaltlicher Zusammenhang der Mietsenkung mit der Forderungseinziehung, weil das Verlangen, die Miete zukünftig auf das zulässige Maß herabzusetzen, ersichtlich dazu dient, weitere Rückforderungsansprüche gegen die Vermieterin zu vermeiden23. Die Rückforderung der überzahlten Miete und das darin bereits angelegte, in die Zukunft gerichtete Herabsetzungsbegehren bilden auch aus Sicht der Mieter eine sinnvoll nicht voneinander zu trennende Einheit. Das Herabsetzungsverlangen ist entgegen der Ansicht des Landgerichts Berlin nicht eine Reaktion auf das aus dem Mietvertrag resultierende Zahlungsverlangen der Vermieterin, sondern stellt das an sie gerichtete Begehren dar, künftig sich aus der „Mietpreisbremse“ ergebende Rückzahlungsansprüche anzuerkennen und in Abzug zu bringen. Damit handelt es sich anders als das Landgericht Berlin vordergründig annimmt nicht um eine Forderungsabwehr, sondern um eine Form der Forderungsdurchsetzung.

Dies entspricht der gesetzlichen Ausgestaltung der „Mietpreisbremse“ durch das am 1.06.2015 in Kraft getretene Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung vom 21.04.201524. Die gesetzliche Regelung stellt auf das Rückforderungsverlangen und damit auf die Forderungseinziehung ab, indem sie an den Rückforderungsanspruch des Mieters anknüpft. § 556g Abs. 1 Satz 3 BGB stellt insoweit klar, dass der Mieter die zu viel gezahlte Miete (nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung) „herausverlangen“ kann. § 556g Abs. 2 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Mieter eine überzahlte Miete nur „zurückverlangen“ kann, wenn er einen Verstoß gegen die Regelungen der §§ 556d ff. BGB gerügt hat. Damit hat bereits der Gesetzgeber die Forderungseinziehung in den Vordergrund gestellt, ohne dass etwaige weitergehende Ansprüche ausgeschlossen sind25.

Zu Unrecht stellt das Landgericht Berlin auf einen wirtschaftlichen Vergleich des Gebührenstreitwerts des Rückzahlungsverlangens und des Herabsetzungsbegehrens ab. Für die rechtliche Einordnung der Tätigkeit der GmbH als Inkassodienstleistung macht es keinen Unterschied, ob sie sich Rückzahlungsansprüche nur für wenige Monate oder für zahlreiche Monate abtreten lässt, zumal das mit der Rückforderung verbundene Herabsetzungsbegehren den Umfang der Tätigkeit der GmbH allenfalls unwesentlich erhöht und eine rechtliche Prüfung, die über das Rückforderungsverlangen hinausginge, und erst recht eine rechtliche Prüfung des Inhalts des Mietvertrags26 nicht erfordert.

Anders als das Landgericht Berlin meint, lässt sich auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.07.202127, mit dem der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit des sogenannten „Sammelklage-Inkassos“ bejaht hat, nicht herleiten, die GmbH werde inkassofremd tätig.

Gegenstand dieser Entscheidung waren Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO in der Fassung des Gesetzes vom 23.10.200828, die ein Inkassodienstleister im Wege des sogenannten „Sammelklage-Inkassos“ aus abgetretenem Recht von Kunden einer insolvent gewordenen Fluggesellschaft gegen den Executive Director der Komplementär-Gesellschaft der Schuldnerin mit der Behauptung erhoben hatte, dieser habe den Insolvenzantrag für die Schuldnerin nicht rechtzeitig gestellt.

Anders als die Vorinstanzen hat der Bundesgerichtshof das sogenannte „Sammelklage-Inkasso“ als zulässige Inkassodienstleistung beurteilt, weil der Schutzzweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes es gebiete, insbesondere unter Berücksichtigung der Berufsausübungsfreiheit des Inkassodienstleisters (Art. 12 Abs. 1 GG), den Begriff der Inkassodienstleistung so auszulegen, dass auch Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf die gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen, umfasst sind. Dies gelte regelmäßig auch dann, wenn das Geschäftsmodell eine Bündelung einer Vielzahl von Einzelforderungen vorsehe29.

Soweit der Bundesgerichtshof in dem vorgenannten Urteil ausgesprochen hat, der Inkassobegriff der § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF umfasse Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forderung abzielten30, hat er den Begriff der Inkassodienstleistung im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG aF nicht etwa einschränken wollen, sondern hat ihn im Gegenteil weit verstanden. Zudem betrifft das Urteil nicht die hier maßgebliche Abgrenzung zwischen Forderungseinziehung und Forderungsabwehr, sondern die Zulässigkeit des „Sammelklage-Inkassos“.

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Unbehelflich ist auch der Hinweis des Landgerichts Berlin, dass die GmbH ausweislich Nr. 3.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Provision in Höhe von einem Drittel der ersparten Jahresmiete verlange. Dies ist, anders als das Landgericht Berlin meint, aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen der Rückforderung überzahlter Miete und dem Begehren, die Miete künftig auf das zulässige Maß zu senken, aus den vorgenannten Gründen kein Beleg für eine im Kern inkassofremde Tätigkeit. Abgesehen davon macht die GmbH insoweit lediglich von ihrer Befugnis zur Vereinbarung eines Erfolgshonorars Gebrauch31.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der der GmbH abgetretene und mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten (in Gestalt einer Geschäftsgebühr nach § 2 Abs. 1 RVG, Nr. 2300, 1008 VV RVG) überwiegend nicht auf dem Gebührenwert des Rückforderungsbegehrens beruht, sondern auf dem Wert der geforderten monatlichen Mietsenkung. Auch dieser Umstand gestattet nicht die Schlussfolgerung, die GmbH werde inkassofremd tätig. Denn insoweit macht sie in zulässiger Weise lediglich von dem ihr gemäß § 4 Abs. 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz RDGEG in der hier maßgeblichen, vor dem 1.10.2021 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) eingeräumten Recht Gebrauch, wonach ein Inkassodienstleister für seine vorgerichtliche Tätigkeit die Gebühren beanspruchen darf, die auch ein Rechtsanwalt verlangen könnte. Dazu gehört auch der 42fache Überschreitungsbetrag für das Verlangen auf Erklärung, dass die Miete künftig auf das zulässige Maß herabgesetzt wird (§ 48 Abs. 1 GKG, § 9 ZPO)32.

Ebenfalls rechtsfehlerhaft hat das Landgericht Berlin sich (ohne nähere Begründung) auf den Standpunkt gestellt, die Inkassobefugnis der GmbH sei auch deshalb einzuschränken, weil ihre Tätigkeit auf eine unzulässige Umgehung des anwaltlichen Berufs- und Vergütungsrechts abziele.

Es trifft zwar zu, dass die berufsrechtliche Regulierung der registrierten Inkassodienstleister im Vergleich zur Rechtsanwaltschaft weniger streng ausgestaltet ist. So war es etwa Rechtsanwälten in dem hier maßgeblichen Zeitraum (vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt vom 10.08.2021) berufsrechtlich von Ausnahmen abgesehen weder gestattet, mit ihren Mandanten ein Erfolgshonorar zu vereinbaren (§ 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO, § 4a RVG; jeweils in der vor dem 1.10.2021 geltenden Fassung), noch den Mandanten im Fall einer Erfolglosigkeit der Inkassotätigkeit eine Freihaltung von den entstandenen Kosten zuzusagen (§ 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO aF)33.

Indes lässt sich eine Einschränkung der Inkassobefugnis der GmbH – auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) aus unter Umständen nicht gänzlich von der Hand zu weisenden Widersprüchen, die sich aus der eher strengen Regulierung des anwaltlichen Berufsrechts im Vergleich zu Inkassodienstleistern ergeben mögen34, nicht herleiten, zumal es sich bei Inkassodienstleistern im Gegensatz zu Rechtsanwälten nicht um Organe der Rechtspflege handelt35. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits vor der Verkündung des Berufungsurteils wiederholt ausgesprochen36.

Das Urteil des Landgerichts Berlin stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

Zwar ist die Beauftragung der GmbH durch die Mieter und die von diesen erklärte Abtretung nicht wirksam auf elektronischem Wege erfolgt. Denn dies setzte gemäß § 312j Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 BGB voraus, dass die GmbH den auf ihrer Internetseite verwendeten Button mit den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet hätte.

Gemäß § 312j Abs. 4 BGB kommt ein Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat (§ 312j Abs. 2 BGB), nur zustande, wenn der Unternehmer seine Pflicht aus § 312j Abs. 3 BGB erfüllt. Aufgrund der zwischenzeitlich geänderten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der GmbH werden die Mieter – anders als in den BGH-Urteilen vom 19.01.202237, den BGH-Urteilen vom 30.03.202238 und dem weiteren BGH-Urteil vom 18.05.202239 zugrundeliegenden Fällen – bei Erfolglosigkeit der Tätigkeit der GmbH nicht von sämtlichen Kosten freigehalten (Nr. 3.2 und 3.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen). Vielmehr haben sie stets ab Mahnung des Vermieters eine Gebühr in der Höhe zu entrichten, wie sie einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustünde. Damit liegt ohne Weiteres eine entgeltliche Leistung des Unternehmers im Sinne von § 312j Abs. 2 BGB und von § 312 Abs. 1 BGB (in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung) vor.

Da die Entgeltlichkeit im Gegensatz zu den Fallgestaltungen in früheren Verfahren40 nicht auf ein reines Erfolgshonorar beschränkt ist, kommt vorliegend anders als in den genannten Fällen41 eine am Schutzzweck des § 312j BGB orientierte einschränkende Auslegung dieser Vorschrift nicht in Betracht. Die GmbH hätte sich daher nicht mit der Aufschrift „Mietsenkung beauftragen“ auf dem auf ihrer Internetseite installierten Button begnügen dürfen. Vielmehr hätte sie auf der Schaltfläche eine Aufschrift „kostenpflichtig beauftragen“ oder eine ähnliche Formulierung anbringen müssen, aus der unmissverständlich hervorgeht, dass die Leistung der GmbH in jedem Fall entgeltlich ist. Da sie dies nicht getan hat, ist die GmbH auf elektronischem Wege nicht rechtswirksam beauftragt worden (§ 312j Abs. 4 BGB). Ob § 312j Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 BGB auch auf die Abtretung als Erfüllungsgeschäft Anwendung findet, kann offenbleiben. Denn die Unwirksamkeit des Grundgeschäfts hat gemäß § 139 BGB unter den hier gegebenen Umständen, in denen Beauftragung und Abtretung als einheitliches Geschäft ausgestaltet sind, zur Folge, dass auch die Abtretung unwirksam ist.

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Die Unwirksamkeit der auf elektronischem Wege erklärten Abtretung ist jedoch unschädlich, weil die Mieter durch die von ihnen unterzeichnete Vertragsurkunde vom 14.08.2018, in der sie die Abtretung ihrer Ansprüche vorsorglich „bestätigt und wiederholt“ sowie zusätzlich bereits erfolgte Rechtshandlungen der GmbH „rückwirkend genehmigt“ haben, (erneut) ihr Einverständnis mit der Erbringung einer Rechtsdienstleistung durch die GmbH sowie eine Abtretung der dort beschriebenen Ansprüche erklärt haben42. Die GmbH hat das darin liegende Angebot der Mieter gemäß § 151 BGB angenommen. Aus den abgegebenen Erklärungen wird deutlich, dass die Mieter bei der Unterzeichnung der Urkunde auch mit dem Erklärungsbewusstsein gehandelt haben, die GmbH für den Fall der Unwirksamkeit der zuvor durch Anklicken der Schaltfläche auf der Internetseite der GmbH erfolgten Erklärungen rückwirkend mit einer Verfolgung möglicher Ansprüche zu beauftragen und diese in dem beschriebenen Umfang an die GmbH abzutreten.

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen hat das Landgericht Berlin ebenfalls rechtsfehlerhaft den von der GmbH aus abgetretenem Recht erhobenen Anspruch auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (nebst Zinsen) gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 398 BGB, § 4 Abs. 5 RDGEG aF als unbegründet zurückgewiesen.

Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung, die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten seien deshalb nicht erstattungsfähig, weil die Vertragsgestaltung der GmbH eine unzulässige Umgehung der mangelnden Erstattungsfähigkeit eines zwischen dem Gläubiger (hier: Mieter) und dem Inkassodienstleister vereinbarten Erfolgshonorars als Verzugsschaden darstelle. Eine unzulässige Umgehung liegt indes nicht vor, denn wie oben ausgeführt macht die GmbH mit ihrem Anspruch auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in zulässiger Weise von dem ihr gemäß § 4 Abs. 5 RDGEG aF eingeräumten Recht Gebrauch, wonach ein Inkassodienstleister für seine vorgerichtliche Tätigkeit die Gebühren beanspruchen darf, die auch ein Rechtsanwalt verlangen könnte. Die Klage richtet sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht auf die Erstattung des mit den Mietern vereinbarten Erfolgshonorars (ersparte Jahresmiete für vier Monate; im Vertragswerk der GmbH als „Provision“ bezeichnet), sondern auf die davon zu unterscheidende Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten (im Vertragswerk der GmbH als „RVG-Gebühr“ bezeichnet), welche nicht davon abhängig sind, dass die GmbH mit ihren Durchsetzungsbemühungen (vollständig) Erfolg hat43. Die nach den Vertragsbestandteil gewordenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der GmbH erforderliche Mahnung als Voraussetzung für den Anfall einer „RVG-Gebühr“ ist nach den vom Landgericht Berlin in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts erfolgt.

Soweit die Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof die Bemessung des Gegenstandswerts des Herabsetzungsbegehrens der GmbH mit der Begründung in Frage gestellt hat, es sei nicht der 42fache Überschreitungsbetrag, sondern in Anlehnung an die seit dem 1.01.2021 geltende Vorschrift des § 41 Abs. 5 GKG nur der 12fache Betrag anzusetzen, trifft dies nicht zu. Denn der Gesetzgeber hat nicht zu erkennen gegeben, dass er diesen Sachverhalt mitregeln wollte. Zudem ist hier eine Sachverhaltsgestaltung betroffen, die vor dem 1.01.2021 liegt.

Hiernach konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Bundesgerichtshof entschied in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Vermieterin hat mit ihrer Berufungsbegründung lediglich geltend gemacht, die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung 2015 sei wegen ihrer nicht hinreichend veröffentlichten Begründung unwirksam und die Aktivlegitimation der GmbH sei nicht gegeben. Die tatbestandlichen Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Landgericht Berlin Bezug genommen hat, hat die Vermieterin mit der Berufungsbegründung nicht angegriffen; weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf es nicht, so dass die Sache zur Endentscheidung reif ist. Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Mai 2022 – VIII ZR 382/21

  1. AG Berlin-Mitte, Urteil vom 10.06.2021 – 25 C 156/20[]
  2. LG Berlin, Urteil vom 18.11.2021 – 67 S 160/21[]
  3. GVBl.2015 S. 101[][]
  4. ausführlich: BGH, Urteil vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 80 ff.[]
  5. ausführlich: BGH, Urteil vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, aaO Rn. 83 ff.; siehe auch BGH, Beschluss vom 27.05.2020 – VIII ZR 292/19, WuM 2020, 488 Rn. 6[]
  6. BGH, Urteile vom 19.01.2022 – VIII ZR 123/21, ZIP 2022, 378 Rn.20 ff.; – VIII ZR 122/21, – VIII ZR 124/21, – VIII ZR 196/21 und – VIII ZR 220/21, jeweils19 ff.; vom 30.03.2022 – VIII ZR 121/21 18 ff., sowie – VIII ZR 358/20, – VIII ZR 256/21, – VIII ZR 277/21, – VIII ZR 279/21 und – VIII ZR 283/21[]
  7. BGBl. I S. 3415[]
  8. grundlegend hierzu BGH, Urteil vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 97 ff.[]
  9. BGH, Urteil vom 08.04.2020 – VIII ZR 130/19, WM 2020, 991 Rn. 30 ff.[]
  10. BGH, Urteil vom 06.05.2020 – VIII ZR 120/19, Rn. 30 ff.[]
  11. BGH, Urteil vom 27.05.2020 – VIII ZR 31/19, WuM 2020, 645 Rn. 24 ff.; – VIII ZR 121/19 24 ff.; – VIII ZR 128/19 25 ff.; – VIII ZR 129/19, ZIP 2020, 1619 Rn. 25 ff.[]
  12. siehe ferner BGH, Urteil vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 43 ff.[]
  13. ebenso zunächst LG Berlin, Urteil vom 29.04.2020 64 S 95/19 21 ff. [teilweise aufgehoben durch BGH, Urteil vom 23.03.2022 – VIII ZR 133/20, juris]; später aufgegeben durch LG Berlin, Urteil vom 09.09.2020 64 S 44/19 4[]
  14. BGH, Urteil vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 162[]
  15. BGH, Urteil vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 96, 219[]
  16. BGH, Urteil vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, aaO Rn. 162; ebenso BGH, Urteile vom 27.05.2020 – VIII ZR 31/19, WuM 2020, 645 Rn. 26 ff.; – VIII ZR 121/19 27 ff.; – VIII ZR 128/19 27 ff.; – VIII ZR 129/19, ZIP 2020, 1619 Rn. 27 ff.[]
  17. BGH, Urteil vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 91[]
  18. st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 03.12.2014 – VIII ZR 224/13, NZM 2015, 79 Rn. 16; vom 23.08.2018 – III ZR 192/17, NJW 2019, 47 Rn. 16; vom 18.06.2019 – XI ZR 768/17, BGHZ 222, 240 Rn. 39; vom 10.06.2020 – VIII ZR 289/19, WM 2020, 1840 Rn. 25; jeweils mwN[]
  19. vgl. etwa BGH, Urteile vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 9; vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 9[]
  20. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 26.05.2021 – VIII ZR 93/20 44; vom 28.04.2021 – VIII ZR 22/20, NJW-RR 2021, 1017 Rn. 35; jeweils mwN[]
  21. siehe BGH, Urteile vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 3; vom 08.04.2020 – VIII ZR 130/19, WM 2020, 991 Rn. 3; vom 06.05.2020 – VIII ZR 120/19 3; vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 3; – VIII ZR 31/19, WuM 2020, 645 Rn. 3; – VIII ZR 121/19 3; – VIII ZR 128/19 3; – VIII ZR 129/19, ZIP 2020, 1619 Rn. 3[]
  22. siehe BGH, Urteile vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, aaO; vom 08.04.2020 – VIII ZR 130/19, aaO; vom 06.05.2020 – VIII ZR 120/19, aaO; vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, aaO; – VIII ZR 31/19, aaO; – VIII ZR 121/19, aaO; – VIII ZR 128/19, aaO; – VIII ZR 129/19, aaO[]
  23. vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 162; ebenso Tolksdorf, ZIP 2021, 2049, 2054 f.; Deckenbrock/Henssler/Rillig, RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 45p; siehe auch Stadler, JZ 2020, 321, 323; anders Römermann, VuR 2020, 43, 50; BeckOK-BGB/Schüller, Stand: 1.02.2022, § 556d Rn. 56 f.[]
  24. BGBl. I S. 610; Mietrechtsnovellierungsgesetz MietNovG[]
  25. vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Mietrechtsnovellierungsgesetz, BT-Drs. 18/3121, S. 33[]
  26. vgl. dazu BGH, Urteil vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 219[]
  27. BGH, Urteil vom 13.07.2021 – II ZR 84/20, BGHZ 230, 255[]
  28. BGBl. I S.2016[]
  29. BGH, Urteil vom 13.07.2021 – II ZR 84/20, aaO Rn. 22[]
  30. BGH, Urteil vom 13.07.2021 – II ZR 84/20, aaO Rn. 16, siehe auch Rn.20, 22, 31, 41[]
  31. BGH, Urteile vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 176 ff.; vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 64; jeweils mwN; zur Zulässigkeit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars durch Inkassodienstleister siehe bereits BGH, Beschluss vom 09.06.2008 AnwSt(R) 5/05 14[]
  32. BGH, Urteil vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 117; vgl. auch Skupin, GRUR-Prax 2021, 38[]
  33. dazu BGH, Urteile vom 20.06.2016 AnwZ(Brfg) 26/14, NJW 2016, 3105 Rn. 17; vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 171[]
  34. vgl. Henssler in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., Einleitung Rn. 47j[]
  35. BT-Drs. 16/3655, S. 67[]
  36. BGH, Urteile vom 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 170 ff., 185 f.; vom 08.04.2020 – VIII ZR 130/19, WM 2020, 991 Rn. 69 ff.; vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 63; siehe auch BGH, Urteil vom 13.07.2021 – II ZR 84/20, BGHZ 230, 255 Rn. 39[]
  37. BGH, Urteile vom 19.01.2022 – VIII ZR 123/21, ZIP 2022, 378; – VIII ZR 124/21 und – VIII ZR 196/21[]
  38. BGH, Urteile vom 30.03.2022 – VIII ZR 121/21 und – VIII ZR 358/20[]
  39. BGH, Urteil vom 18.05.2022 – VIII ZR 343/21[]
  40. BGH – VIII ZR 358/20, VIII ZR 121/21, VIII ZR 123/21, VIII ZR 124/21, VIII ZR 196/21 und VIII ZR 343/21[]
  41. vgl. etwa BGH, Urteil vom 19.01.2022 – VIII ZR 123/21, aaO Rn. 53 ff.[]
  42. vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 34 f.[]
  43. vgl. BGH, Urteil vom 27.05.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 121[]
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"Bestmögliche Verwertung" beim Leasingvertrag

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