Der rechtsschutzversicherte Mandant – und die Risikoaufklärung durch den Rechtsanwalt

Wählt der Rechtsanwalt nicht den sichersten Weg der Rechtsverfolgung, so muss er den Mandanten vor Klageerhebung ausdrücklich und umfassend über die damit verbundenen Risiken aufklären. Unsicher ist eine Rechtsverfolgung, die sich auf eine analoge Anwendung des Gesetzes ohne obergerichtliche Anerkennung stützen muss. Die vertraglichen Pflichten eines Anwalts gegenüber seinem Mandanten ändern sich auch nicht dadurch, dass dieser rechtsschutzversichert ist, weil der Rechtsschutzversicherer im Rahmen der Prüfung der Deckungszusage nicht verpflichtet ist, einen Klageentwurf auf seine Zulässigkeit zu prüfen. Eine Deckungszusage genießt keinen Vertrauensschutz.

Der rechtsschutzversicherte Mandant – und die Risikoaufklärung durch den Rechtsanwalt

Im vorliegenden Fall hatte die Rechtsanwältin mit der Nichtdurchführung des Schlichtungsverfahrens eine ihr aus dem Anwaltsvertrag erwachsene Pflicht verletzt. Schon nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 a des Landesschlichtungsgesetzes für Rheinland-Pfalz, der nur für einen gewerblichen Störer die Durchführung des Schlichtungsverfahrens entbehrlich macht, fällt der von der Rechtsanwältin für die Mandantin geführte Prozess nicht unter diese Ausnahme, da dortiger Störer die …., somit ein ideeller Verein, gewesen ist. Soweit die Rechtsanwältin vorträgt, in dem von ihr geführten Rechtsstreit sei eine analoge Anwendung der Ausnahme wegen der Öffentlichkeitswirkung und der fehlenden nachbarschaftlichen Beziehungen der damaligen Parteien gerechtfertigt gewesen, übersieht sie, dass selbst dann wegen des unstreitig nach § 910 BGB bestehenden Überwuchses, der neben den Einwirkungen nach § 906 BGB im damaligen Verfahren geltend gemacht wurde, die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 b Schlichtungsgesetz Rheinland-Pfalz erforderlich gewesen wäre, da dort eine Ausnahme für den gewerblichen Störer nicht besteht und beide Ansprüche in einem Verfahren und nicht getrennt geltend gemacht worden sind.

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Letztlich sieht das Amtsgericht jedoch den entscheidenden Pflichtverstoß darin, dass die Rechtsanwältin für ihre Mandantin selbst dann – wenn man ihrer Auffassung folgt – nicht den sichersten Weg der Rechtsverfolgung gewählt hat und über die damit verbundenen Risiken die Mandantin vor Erhebung der Klage hätte ausdrücklich und umfassend aufklären müssen1. Eine analoge Anwendung birgt per se die Gefahr zu unterliegen, wenn das Amtsgericht diese Auffassung nicht teilen sollte. Eine diesbezügliche Aufklärung ist jedoch vor Klageerhebung unstreitig nicht erfolgt.

Die vertraglichen Pflichten eines Anwalts gegenüber seinem Mandanten ändern sich auch nicht dadurch, dass dieser rechtsschutzversichert ist. Unter keinen Umständen kann ihm daher wegen der Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers ein Mitverschulden angelastet werden. Die Rechtsbeziehungen des Mandanten zum Anwalt und zur Rechtsschutzversicherung beruhen auf zwei selbständigen Verträgen und die Rechtsschutzversicherung ist weder Erfüllungsgehilfe des Mandanten im Verhältnis zum Anwalt noch handelt es sich beim Rechtsschutzvertrag um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Der Rechtsschutzversicherer hat ein Recht, aber keine Pflicht zur rechtlichen Prüfung des Klageentwurfs und kann sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der Rechtsanwalt seine Prüfungspflichten erfüllt und keine Deckungszusage für eine unzulässige Klage einholt2. Auch die Zustimmung des Rechtsschutzversicherers zur Rücknahme nach Klageerhebung stellt sich insoweit nur noch als Schadensbegrenzungsmaßnahme im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht dar, nicht jedoch als nachträgliche Zustimmung zu dem von der Rechtsanwältin gewählten Verfahrensweg.

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Soweit auch das Amtsgericht möglicherweise zunächst das Schlichtungsgesetz übersehen hat, vermag auch dies die Rechtsanwältin nicht zu entlasten, da durch diese mögliche Fehlleistung der Ursachenzusammenhang nicht unterbrochen worden wäre, denn für die Entstehung des Schadens entscheidend war die Erhebung der Klage.

Da nach den obigen Ausführungen die Rechtsanwältin ihrer Mandantin ungeachtet der bestehenden Rechtsschutzversicherung von der Klageerhebung ohne vorherige Durchführung des Schlichtungsverfahrens hätte abraten müssen, besteht der Schaden der Mandantin in den überflüssig bis zur Rücknahme angefallenen Prozesskosten, wobei der Anspruch in Höhe der durch die Versicherung diesbezüglich geleisteten Zahlungen auf diese übergegangen ist.

Amtsgericht Mannheim, Urteil vom 21. Juni 2013 – 11 C 82/13

  1. so Palandt, 72. Auflage, 2013, § 280 BGB, Rdz. 69 und 70[]
  2. so auch OLG Koblenz, Urteil vom 16.02.2006, Az.: 5 U 271/05, zitiert nach JURIS[]

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