Klagegrund: Schuldbeitritt

Zum Klagegrund des Schuldbeitritts gehört die Schuld, der beigetreten worden ist.

Klagegrund: Schuldbeitritt

Spricht das Gericht dem Kläger entgegen § 308 Abs. 1 ZPO mehr zu, als dieser beantragt hat, liegt darin eine Gehörsverletzung zum Nachteil des Beklagten1. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach dem geltend gemachten prozessualen Anspruch (Streitgegenstand). Dieser wird nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet2. Danach erfordert die Angabe des Grundes der Forderung die bestimmte Angabe des Lebenssachverhalts, aus dem die Forderung nach der Behauptung des Gläubigers entspringt3. Zu diesem Lebenssachverhalt sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen; vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den eine Partei zur Stützung ihres Rechtsschutzbegehrens vorträgt4.

Die Bestimmung des Streitgegenstands ist Sache des Klägers. Will er einen weiteren Streitgegenstand in den Prozess einführen, muss er zweifelsfrei deutlich machen, dass er einen neuen prozessualen Anspruch verfolgt; ein neuer Sachvortrag genügt als solcher nicht. Dies erfordert der Schutz des Beklagten, für den erkennbar sein muss, welche prozessualen Ansprüche gegen ihn erhoben werden, um seine Rechtsverteidigung danach ausrichten zu können5.

Nach diesen Maßstäben handelt es sich im hier entschiedenen Fall bei der mit der Klageerweiterung geltend gemachten Haftung des Beklagten für das verzinsliche Darlehen, das die Klägerin der A. aufgrund des Darlehensvertrags vom 25.09.2018 über 484.043, 36 € gewährte, und der Verurteilung des Beklagten aufgrund seiner Haftung für ein der A. von der Klägerin gemäß Darlehensvertrag vom 15.11.2019 ausgereichtes unverzinsliches Darlehen über 270.000 € um unterschiedliche Streitgegenstände.

Daran ändert nichts, dass das Oberlandesgericht München6 in der Vorinstanz die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 270.000 € auf die Haftungsübernahmevereinbarung mit dem Beklagten vom 03.12.2020 gestützt hat, mit der auch sie selbst dessen Haftung für das Darlehen über 484.043, 36 € begründet hat. Das Oberlandesgericht München hat die Haftungsübernahmevereinbarung als Schuldbeitritt gewürdigt. Ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird7. Die Schuld des Beitretenden bestimmt sich grundsätzlich nach Inhalt und Beschaffenheit der Hauptschuld im Zeitpunkt des Beitritts8. Durch den Schuldbeitritt wird ein Gesamtschuldverhältnis begründet, das sich nach dem Beitritt zwar für jeden Gesamtschuldner unterschiedlich entwickeln kann (§ 425 BGB)9; allerdings wirken die in den §§ 422 bis 424 BGB bezeichneten Tatsachen auch für und gegen den Beitretenden. Wegen dieser engen Verbundenheit der Beitrittsschuld in Entstehung und Entwicklung zu der Schuld10, zu der der Beitritt erklärt wird, kann sie von ihr nicht losgelöst betrachtet werden. Zum Klagegrund des Schuldbeitritts gehört deshalb zwangsläufig auch die Schuld, der beigetreten worden ist.

Dem Tatbestand des Berufungsurteils einschließlich der Tatbestandselemente der Entscheidungsgründe lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin ihre Klageforderung auch auf das Darlehen über 270.000 € gestützt hätte.

Dieses Darlehen wird nur im Rahmen des Verteidigungsvorbringens des Beklagten erwähnt, nach dem es sich bei dem Darlehen tatsächlich um eine aus seinem Vermögen stammende Kapitaleinlage in die A. , die die Klägerin abredewidrig in ein kündbares Darlehen umgewandelt habe, handele. Die Klägerin räumt ein, dass sie die Klageerweiterung lediglich mit dem Darlehen über 484.043, 36 € begründet hat. Soweit sich die Klägerin in ihrer Beschwerdeerwiderung auf den Grundsatz gleichwertigen Parteivorbringens beruft, weil der Beklagte das Darlehen über 270.000 € selbst in den Rechtsstreit eingeführt habe, reicht dies für seine Verurteilung nicht aus. Diesen Vortrag hat sich die Klägerin nicht hilfsweise zu eigen gemacht und ihre Klageforderung auch nicht hierauf gestützt, wie es eine Klagestattgabe unter dem Gesichtspunkt gleichwertigen Parteivorbringens erfordert11. Die Klägerin hat lediglich durch Nichtbestreiten (§ 138 Abs. 3 ZPO) die Existenz des Darlehensvertrags vom 15.11.2019 und die Ausreichung des Darlehens an die A. zugestanden. Hätte sie die Klage auch hierauf stützen wollen, hätte sie zudem das Verhältnis beider Klagegründe klarstellen müssen, da die Klage andernfalls als Alternativklage unzulässig geworden wäre12.

Eine Zurückverweisung scheidet in einem solchen Fall aus13.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30. September 2025 – II ZR 70/24

  1. BGH, Beschluss vom 16.05.2017 – VI ZR 25/16, NJW 2017, 2561 Rn. 11; Beschluss vom 07.05.2019 – XI ZR 715/17 3; Beschluss vom 24.05.2022 – VI ZR 304/21, VersR 2023, 615 Rn. 4[]
  2. st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 03.04.2003 – I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 347 f. mwN[]
  3. BGH, Urteil vom 19.12.1991 – IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5; Urteil vom 23.07.2024 – II ZR 206/22, BGHZ 241, 127 Rn. 29[]
  4. BGH, Urteil vom 03.08.2021 – II ZR 283/19, ZIP 2021, 1835 Rn. 14[]
  5. BGH, Urteil vom 29.06.2006 – I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 Rn.20 mwN[]
  6. OLG München, Urteil vom 13.06.2024 – 14 U 4352/23 e[]
  7. BGH, Urteil vom 07.05.2015 – III ZR 304/14, BGHZ 205, 260 Rn. 24 mwN[]
  8. BGH, Urteil vom 07.11.1995 – XI ZR 235/94, ZIP 1995, 1976, 1977 mwN[]
  9. BGH, Urteil vom 10.06.1985 – III ZR 63/84, ZIP 1985, 1192, 1193 f. mwN[]
  10. vgl. auch BGH, Urteil vom 21.04.1998 – IX ZR 258/97, BGHZ 138, 321, 327[]
  11. BGH, Urteil vom 18.01.2018 – I ZR 150/15, NZG 2018, 596 Rn. 39; Beschluss vom 22.11.2022 – VIII ZR 212/21 8 mwN[]
  12. vgl. etwa BGH, Urteil vom 15.12.2020 – II ZR 108/19, BGHZ 228, 28 Rn. 15 mwN[]
  13. vgl. BGH, Beschluss vom 29.04.2014 – XI ZR 126/13; BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, Stand 1.07.2025, § 544 Rn. 27[]