Geringfügige Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegen- über der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, sind grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen.

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art.20 Abs. 3 GG und Art.19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus [1]. Allzu „kleinteilige“ Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 € für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann [2]. Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen [3].
So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen Arzthaftungsprozess, der durch eine umfangreiche und kontroverse Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten und Gutachtenergänzungen gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von zwei Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. April 2014 – III ZR 335/13
- BGH, Urteil vom 05.12 2013 – III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55[↩]
- Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555[↩]
- BGH, Urteil vom 13.02.2014 – III ZR 311/13, BeckRS 2014, 04692 Rn. 28; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14.12 2010 – 1 BvR 404/10 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer „Geringfügigkeitsschwelle“[↩]
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