Ansprüche gegen einen Sonderverwalter – in alten Gesamtvollstreckungsverfahren

Ansprüche, die sich gegen einen Sonderverwalter richten, der zur Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen einen Verwalter eingesetzt wurde, können nur von einem neuen Verwalter oder einem weiteren Sonderverwalter geltend gemacht werden.

Ansprüche gegen einen Sonderverwalter – in alten Gesamtvollstreckungsverfahren

So beurteilte jetzt der Bundesgerichtshof die Schadensersatzklage eines im Jahr 1994 im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der E. AG bestellten Verwalters gegen den später bestellten Sonderverwalter als unzulässig abgewiesen. Maßgeblich waren dabei die Vorschriften der Gesamtvollstreckungsordnung, weil das vorliegende Verfahren vor dem 1.01.1999 auf dem Gebiet der neuen Bundesländer beantragt worden ist (Einigungsvertrag Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 1; Art. 103 Satz 1 EGInsO). 

Dem Verwalter fehlt die Prozessführungsbefugnis für die geltend gemachten Ansprüche gegen den Sonderverwalter. Der Verwalter in einem Gesamtvollstreckungsverfahren ist in dem Bereich, für den ein Sonderverwalter wegen rechtlicher Verhinderung des Verwalters an einer Amtsführung bestellt ist, nicht befugt, Schadensersatzansprüche gegen den Sonderverwalter wegen Pflichtverletzungen aus dessen Amtsführung zu verfolgen. Ansprüche, die sich gegen einen Sonderverwalter richten, der zur Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen einen Verwalter eingesetzt wurde, können nur von einem neuen Verwalter oder einem weiteren Sonderverwalter geltend gemacht werden. Die Prozessführungsbefugnis ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen1

Wird in einem Gesamtvollstreckungsverfahren ein Sonderverwalter wegen rechtlicher Verhinderung des Gesamtvollstreckungsverwalters aufgrund einer Interessenkollision bestellt, hat der Gesamtvollstreckungsverwalter in dem Bereich, für welchen der Sonderverwalter bestellt ist, keinerlei Kompetenzen.

Grundsätzlich geht mit Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens gemäß § 8 Abs. 2 GesO die Befugnis, das zur Masse gehörige Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, umfassend auf den Verwalter über. 

Zu den Aufgaben eines Verwalters gehört es auch, Ansprüche der Gesamtvollstreckungsgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den die Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Masse gehörenden Vermögens erlitten haben, geltend zu machen. Richten sich solche Ansprüche gegen den Verwalter selbst, ist dieser jedoch aufgrund der bestehenden Interessenkollision rechtlich gehindert, sein Amt auszuüben. Die Haftung eines Verwalters wegen Pflichtverstößen kann nur von einem neuen Verwalter oder von einem Sonderverwalter geltend gemacht werden. 

In der Gesamtvollstreckungsordnung fehlen hierzu – anders als in der Insolvenzordnung (§ 92 InsO) – ausdrückliche Regelungen. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass das Recht zur Geltendmachung gemeinschaftlich erlittener Schäden der Gesamtvollstreckungsgläubiger mit Blick auf den Grundsatz der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung während des Gesamtvollstreckungsverfahrens (allein) dem Verwalter zusteht2. Ebenso ist anerkannt, dass ein Sonderverwalter zu bestellen ist (sofern nicht ein neuer Verwalter bestellt wird), wenn Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter aus § 8 Abs. 1 Satz 2 GesO wegen eines Gesamtschadens zu prüfen und durchzusetzen sind3. Diese Rechtsprechung ist Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes, dass ein Verwalter an der Amtsführung gehindert sein kann, wenn seine persönlichen Belange betroffen sind und deshalb in seiner Person eine Interessenkollision vorliegt4. Eine solche Interessenkollision in der Person des Verwalters ist gegeben, wenn Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend zu machen sind. 

Die Bestellung eines Sonderverwalters führt dazu, dass dem Verwalter in dem Bereich, der dem Sonderverwalter durch das Gesamtvollstreckungsgericht wegen Interessenkollision übertragen ist, keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zusteht. Der Sonderverwalter wird in einem Bereich tätig, der aufgrund der Verhinderung des Verwalters nicht zu dessen Aufgaben gehört. Der Verwalter ist insoweit nicht „Verwalter“ im Sinne der einschlägigen Bestimmungen der Gesamtvollstreckungsordnung. Er hat in dem Bereich, für welchen die Sonderverwaltung eingerichtet worden ist, keinerlei Kompetenzen5. Auch von einer Prozessführung kraft Amtes für die Masse ist er ausgeschlossen.

Der Ausschluss der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters erstreckt sich auf die Frage, ob der Sonderverwalter im Rahmen seiner Amtsführung Pflichtverletzungen begangen hat. Es ist gerade das Ziel der Bestellung eines Sonderverwalters, die Aufgabenbereiche voneinander abzugrenzen und mögliche Interessenkonflikte des Verwalters zu vermeiden6. Mit diesem Ziel wäre nicht zu vereinbaren, wenn es dem Verwalter gestattet wäre, die gegen ihn gerichtete Amtsführung des Sonderverwalters einer Überprüfung zu unterziehen. Der rechtskräftige Abschluss des Schadensersatzprozesses gegen den Verwalter ändert hieran nichts, lässt insbesondere den Interessenkonflikt, dessentwegen der Sonderverwalter eingesetzt wurde, nicht entfallen. 

Der Sonderverwalter hat sein Amt selbständig zu führen und ist nicht Vertreter des Verwalters7. Er untersteht in seinem Aufgabengebiet der Aufsicht des Gerichts (§ 8 Abs. 3 Satz 1 GesO) und ist diesem und den Gläubigerorganen (§ 15 Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 GesO) – nicht dem Verwalter – rechenschaftspflichtig. Die Selbständigkeit des Sonderverwalters ist geboten, damit sich der Interessenkonflikt, der zur Bestellung des Sonderverwalters führt, nicht weiter auswirkt. 

Das Ziel, möglichst jede Auswirkung des Interessenkonflikts in der Person des Gesamtvollstreckungsverwalters zu vermeiden, entfällt nicht dadurch, dass der Schadensersatzprozess des Sonderverwalters gegen den Verwalter persönlich rechtskräftig abgeschlossen ist. Dass der Verwalter den im Vorprozess zuerkannten Schadensersatz an die Masse geleistet hat und er infolge der rechtskräftigen Abweisung weitergehender Zinsansprüche nicht befürchten muss, insoweit noch persönlich in Anspruch genommen zu werden, ist ebenfalls unerheblich. Auch ist ohne Bedeutung, dass sich der Verwalter im hiesigen Prozess die im Vorprozess erfolgreiche Auffassung des Sonderverwalters zu einer Haftung des Verwalters für Ausschüttungen an die Sozialplangläubiger zu eigen macht.

Der Abschluss des Haftungsprozesses gegen den Verwalter löst den Interessenkonflikt nicht auf. Maßgeblich für das Bestehen eines Interessenkonflikts ist, ob – trotz Abschluss des Vorprozesses – objektiv zu besorgen ist, dass sich der Verwalter durch persönliche Belange beeinflussen lassen könnte, würde man zulassen, dass er den Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter führt. Dies ist anhand der Rolle zu beurteilen, die dem Verwalter im Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter zukommt. Nicht maßgeblich kann demgegenüber sein, ob sich der Verwalter mit der konkret geplanten Prozessführung in Widerspruch zur Tätigkeit des Sonderverwalters setzt oder ob er die Argumentation des Sonderverwalters im Prozess gegen den Verwalter übernimmt. Die Kompetenzbereiche zwischen Verwalter und Sonderverwalter dürfen nicht von anfänglich oftmals noch nicht feststehenden und im Laufe eines Haftungsprozesses möglicherweise Änderungen unterliegenden Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht werden, sondern müssen abstrakt bestimmt werden. 

Ein Interessenwiderstreit des Verwalters ergibt sich daraus, dass bei einer Inanspruchnahme des Sonderverwalters das Verhalten des Verwalters, das ursprünglich zur Bestellung des Sonderverwalters geführt hat, erneut und ohne Bindungswirkung durch ein im Schadensersatzprozess gegen den Verwalter ergangenes Urteil zu beurteilen ist. Die Interessenkollision, die das Erfordernis zur Befassung eines Sonderverwalters begründet hat, wirkt deshalb fort. Schon deshalb führt der Verwalter einen Prozess gegen den Sonderverwalter nicht unbefangen. 

Die Frage der Richtigkeit der Inanspruchnahme des Verwalters durch den Sonderverwalter ist ohne Bindung an das Ergebnis des Schadensersatzprozesses gegen den Verwalter zu prüfen und zu entscheiden. Prozesse binden nur die Parteien des Prozesses und ihre Rechtsnachfolger (§ 325 Abs. 1 ZPO). Einer Rechtskrafterstreckung gegen den Sonderverwalter persönlich steht die fehlende Identität der Parteien im Haftungsprozess gegen den Verwalter und im Prozess gegen den Sonderverwalter entgegen. Im Schadensersatzprozess gegen den hiesigen Verwalter hat der Beklagte (als Partei kraft Amtes) den Verwalter persönlich verklagt; nunmehr nimmt der Verwalter (als Partei kraft Amtes) den Beklagten persönlich in Anspruch. Nach der Rechtsprechung handelt es sich um unterschiedliche Parteien, je nachdem ob ein Verwalter kraft Amtes oder persönlich klagt oder verklagt wird8. Es steht im hiesigen Verfahren daher nicht rechtskräftig fest, dass der Verwalter im Vorprozess zu Recht zur Leistung von Schadensersatz verurteilt wurde. Im Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter wird somit inzident die Berechtigung der Inanspruchnahme des Verwalters erneut einer Überprüfung unterzogen. Dass der Interessenkonflikt nicht ausgeräumt wird, zeigt der Vortrag des Verwalters im hiesigen Verfahren, mit dem er wiederholt die Richtigkeit der gegen ihn ergangenen Entscheidung in Zweifel zieht. 

Im Streitfall wird der fortbestehende Interessenkonflikt auch darin offenbar, dass der Verwalter zur Begründung des Schadensersatzverlangens gegen den Beklagten geltend machen muss, er selbst sei vom Beklagten nicht im gebotenen Umfang in Haftung genommen worden. Eine solche Behauptung ist dem Verwalter ohne eigenen Nachteil nur möglich und zumutbar, wenn gegen ihn in Betracht kommende Ansprüche entweder rechtskräftig abgewiesen oder zweifelsfrei verjährt sind. Selbst wenn eine weitergehende Inanspruchnahme des Verwalters im konkreten Einzelfall sicher ausscheidet, müsste er gegenüber den Gläubigern der Gesamtvollstreckungsschuldnerin potenziell rechtfertigen, warum er von ihm selbst als berechtigt erkannte Ansprüche nicht erfüllt (hat), sondern versucht, diese auf den Sonderverwalter weiter zu wälzen. Auch das lässt besorgen, dass der Verwalter in einem Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter nicht ohne Ansehung eigener Interessen handelt.

Der Ausschluss des Verwalters von einer Prozessführung gegen den Sonderverwalter ist im Interesse der Gesamtvollstreckungsgläubiger geboten:

Das Erfordernis, einen weiteren Sonderverwalter (oder einen neuen Verwalter) zu bestellen stellt sicher, dass das Bestehen etwaiger Ansprüche gegen den Sonderverwalter ohne Einfluss des Interessenkonflikts geprüft und damit einhergehende Prozess- und Kostenrisiken unbefangen bewertet werden. Der weitere Sonderverwalter kann dabei zugleich unbefangen in den Blick nehmen, ob gegebenenfalls (weitere) Ansprüche gegen den Verwalter (fort-)bestehen. Erst dies ermöglicht eine sachgerechte Entscheidung über das weitere Vorgehen. Dass mit der Einsetzung eines Sonderverwalters Kosten verbunden sind, ist vor diesem Hintergrund hinzunehmen. Sie können zudem Teil des gegenüber dem Sonderverwalter zu liquidierenden Schadens sein.

Zugleich schafft der Ausschluss der Prozessführungsbefugnis des Verwalters Klarheit hinsichtlich des Verjährungsbeginns für Schadensersatzansprüche gegen den Sonderverwalter. Verjährungsfristen beginnen grundsätzlich erst dann zu laufen, wenn der betroffene Gläubiger die Möglichkeit hat, verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten9. Maßgeblich ist grundsätzlich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des für die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs zuständigen Verwalters; zuvor besteht eine Durchsetzungssperre10. Danach besteht für Schadensersatzansprüche gegen den Sonderverwalter eine Durchsetzungssperre bis zur Einsetzung eines weiteren Sonderverwalters oder der Ernennung eines neuen Verwalters.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. April 2024 – IX ZR 148/22

  1. BGH, Urteil vom 06.06.2019 – I ZR 67/18, WM 2019, 1608 Rn. 12; vom 16.07.2021 – V ZR 284/19, ZfIR 2021, 489 Rn. 8; jeweils mwN[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 22.04.2004 – IX ZR 128/03, BGHZ 159, 25, 26 f mwN zur Konkursordnung; vom 08.05.2008 – IX ZR 54/07, WM 2008, 1324 Rn. 13; Hess/Benz/Wienberg, GesO, 4. Aufl., § 8 Rn.196; Smid/Rattunde, GesO, 3. Aufl., § 8 Rn. 352; vgl. nunmehr § 92 Satz 1 InsO[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 22.04.2004, aaO; vom 08.05.2008, aaO; Beschluss vom 21.07.2016 – IX ZB 58/15, WM 2016, 1648 Rn. 21 zur Insolvenzordnung; jeweils mwN; vgl. nunmehr § 92 Satz 2 InsO und BT-Drs. 12/7302, S. 162 zu § 77 RegE-InsO und S. 165 zu § 103 RegE-InsO[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1991 – IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 270; BGH, Beschluss vom 21.07.2016, aaO[]
  5. BGH, Beschluss vom 23.04.2015 – IX ZB 29/13, WM 2015, 1065 Rn. 13[]
  6. vgl. Lüke in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2023, § 92 Rn. 66[]
  7. BGH, Beschluss vom 29.05.2008 – IX ZB 303/05, WM 2008, 1372 Rn. 18 mwN; MünchKomm-InsO/Graeber, § 56 Rn. 157; K. Schmidt/Ries, InsO, 20. Aufl. § 56 Rn. 65; vgl. § 77 Abs. 2 Satz 1 Reg-E InsO, BT-Drs. 12/2443, S.20, 131[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 06.04.2000 – IX ZR 422/98, WM 2000, 1052, 1053 unter II. 1.a mwN, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 144, 192[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2015 – IX ZR 127/14, WM 2015, 1644 Rn. 14[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 17.07.2014 – IX ZR 301/12, WM 2014, 2009 Rn. 11 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.07.2015, aaO Rn. 15[]