Der Widerspruch des Sachwalters im Eigenverwaltungsverfahren – und die Wiederaufnahme des Klageverfahren

Widerspricht in einem Eigenverwaltungsverfahren ausschließlich der Sachwalter der Feststellung einer titulierten Forderung zur Tabelle, ist er und nicht der eigenverwaltende Schuldner befugt, den Widerspruch durch Aufnahme des anhängigen Rechtsstreits weiterzuverfolgen.

Der Widerspruch des Sachwalters im Eigenverwaltungsverfahren – und die Wiederaufnahme des Klageverfahren

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin in Eigenverwaltung ist der Rechtsstreit gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden1. Gemäß § 240 Satz 1 ZPO kommt eine Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits ausschließlich unter den Voraussetzungen der §§ 85, 86, § 180 Abs. 2 InsO in Betracht2.

Gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 270c Satz 2 InsO in der bis zum 31.12.2020 geltenden und hier gemäß Art. 103m EGInsO noch anzuwendenden Fassung der Bestimmung vom 07.12.20113 haben die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen schriftlich beim Sachwalter anzumelden. Gemäß § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO können bei der Prüfung der Forderungen außer den Insolvenzgläubigern der Schuldner und der Sachwalter angemeldete Forderungen bestreiten. Gemäß § 283 Abs. 1 Satz 2 InsO gilt eine Forderung, die ein Insolvenzgläubiger, der Schuldner oder der Sachwalter bestritten hat, nicht als festgestellt. Gemäß § 179 Abs. 2 InsO, der gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO auch auf die Eigenverwaltung Anwendung findet, obliegt es dem eine angemeldete Forderung Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, ist die Feststellung gemäß § 180 Abs. 2, § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben.

Daran gemessen, hätte im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall – abgesehen von dem als Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls aufnahmeberechtigten Kläger4 – nur der Sachwalter die Aufnahme des Rechtsstreits gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2, § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO wirksam betreiben können. Denn im vorliegenden Fall hat nur der Sachwalter der Feststellung der Forderung des Klägers zur Tabelle in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin widersprochen. Gegenstand des Zwischenurteils des in der Vorinstanz hiermit befassten Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken5 ist jedoch ausschließlich die Wirksamkeit der Aufnahmeerklärung der eigenverwaltenden Schuldnerin gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO, § 250 ZPO. Diese hat aber ihrerseits der Feststellung zur Tabelle gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1, § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht widersprochen. 

Offenbleiben kann dabei für den Bundesgerichtshof ob § 184 Abs. 2 InsO auf den eigenverwaltenden Schuldner Anwendung findet6, wie das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken gemeint hat. Nach der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum ist das indes nicht der Fall, weil der Schuldner im Insolvenzverfahren gleichsam sein eigener Verwalter und deshalb im vorliegenden Zusammenhang rechtlich wie ein Insolvenzverwalter zu behandeln sei. Danach wäre auf den eigenverwaltenden Schuldner § 180 Abs. 2 InsO anzuwenden und die Ausschlussfrist des § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO gälte für ihn nicht7

Selbst wenn man das mit dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken anders sähe, träfe die Ansicht der Revision, der Schuldner könne (und müsse) einen von dem Sachwalter erhobenen Widerspruch gemäß § 184 Abs. 2 InsO verfolgen, nicht zu. Die Revision zeigt keinen durchgreifenden Grund auf, warum der Schuldner, der sich gegen einen Widerspruch gegen die Feststellung einer bereits titulierten Forderung zur Tabelle entschieden hat, das Bestreiten eines anderen weiterverfolgen können soll. Ein solcher Grund ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Allgemein gilt, dass die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden obliegt, wenn für die Forderung bereits ein (vorläufig) vollstreckbarer Schuldtitel vorliegt8.

Hat der Sachwalter einer zur Tabelle angemeldeten Forderung, für die ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt, im Prüfungstermin widersprochen, ist der Sachwalter befugt, seinen Widerspruch gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO selbst zu verfolgen. § 184 Abs. 2 InsO ist auf den Widerspruch des Sachwalters nicht anwendbar. Entgegen der Revision ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.07.20139, dass den Schuldner stets dann, wenn der anmeldende Gläubiger bereits über einen Titel verfügt und nur irgendein Beteiligter, insbesondere aber der Sachwalter, die Forderung im Prüfungsverfahren bestreitet, die Verfolgungslast trifft. Das betrifft nach einhelliger Auffassung vielmehr nur einen von dem Schuldner selbst gegen die Forderung erhobenen Widerspruch10.

Allerdings erlaubt die höchstrichterliche Rechtsprechung dem Gläubiger in Abweichung von diesem Grundsatz die weitere Verfolgung seiner titulierten Forderung durch Aufnahme des Rechtsstreits, wenn der Bestreitende seinerseits untätig bleibt4. Dahinter steht, dass dem Insolvenzgläubiger die Möglichkeit gegeben werden soll, die durch das Bestreiten verursachte Ungewissheit über sein Recht zu beenden11

Hieraus folgt nichts für die Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners. Dieser kann der Forderung selbst widersprechen und sodann den Rechtsstreit wirksam aufnehmen, wobei anders als im Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO) sein Widerspruch gemäß § 283 Abs. 1 Satz 2 InsO auch die Feststellung zur Tabelle hindert. Damit hat es der Schuldner von vornherein selbst in der Hand, den mit der Unterbrechung des Rechtstreits gemäß § 240 Satz 1 ZPO eintretenden Schwebezustand nach Anmeldung der titulierten Forderung seitens des Gläubigers durch eigene Entscheidung zu beenden, wohingegen der Titelgläubiger weder über die Erhebung eines Widerspruchs noch darüber entscheiden kann, ob der Widersprechende seinen Widerspruch verfolgt und sich zur Aufnahme des Rechtsstreits entscheidet oder diese verzögert. In Anbetracht dessen ist es dem Schuldner zumutbar, die mit dem zunächst nicht weiter verfolgten Widerspruch ausschließlich des Sachwalters verbundene Unsicherheit über das Bestehen der gegen ihn titulierten Forderung hinzunehmen, wenn er selbst aufgrund eigener Entscheidung von einem Widerspruch absieht.

Es ist unzutreffend, wenn das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken meint, der Sachwalter, welcher der Forderung widersprochen hat, sei aufgrund der im Eigenverwaltungsverfahren fortbestehenden Verwaltungs- und Verfügungsmacht einschließlich der Prozessführungsbefugnis des Schuldners daran gehindert, den Rechtsstreit über die Insolvenzforderung wirksam aufzunehmen. Die von ihm zitierten Fundstellen im Schrifttum12 wie auch eine von ihm angeführte Entscheidung des Bundesfinanzhofs13 betreffen die Anwendung von §§ 85, 86 InsO. Darum geht es hier nicht. Es steht vielmehr außer Frage, dass der Sachwalter den von ihm erhobenen Widerspruch, der die Feststellung hindert (§ 283 Abs. 1 Satz 2 InsO), nach den allgemeinen Regeln (§ 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO) weiterverfolgen kann14. Die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens steht mit seiner Funktion im Eigenverwaltungsverfahren im Einklang, insbesondere Aufgaben zu erfüllen, die im Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung der Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubiger wahrzunehmen hätte15. § 179 Abs. 2 InsO bezieht sich – anders als das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken meint – auf sämtliche Widersprüche (arg. § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO). Hierfür spricht nicht zuletzt § 189 Abs. 1 InsO, wonach eine Forderung, für die ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt, trotz eines Widerspruchs bei der Verteilung zu berücksichtigten ist16.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Mai 2024 – IX ZR 143/23

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2006 – V ZB 93/06, ZIP 2007, 249 Rn. 6 ff[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2023 – IX ZR 21/22, WM 2023, 779 Rn. 16 mwN[]
  3. BGBl. I S. 2582[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 29.06.1998 – II ZR 353/97, BGHZ 139, 132, 133 f zu § 11 Abs. 3 Satz 2 GesO, § 146 Abs. 6 KO; Beschluss vom 31.10.2012 – III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rn. 7; ebenso BAG, NZA 2013, 1303 Rn. 5[][]
  5. OLG Zweibrücken, Urteil vom 04.07.2023 – 8 U 49/15[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2013 – IX ZR 30/13, NZI 2013, 1025 Rn. 9 ff[]
  7. vgl. HK-InsO/Brünkmans, 11. Aufl., § 283 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Kern, 4. Aufl., § 283 Rn. 10 f; Holzer in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2021, § 283 Rn. 3; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker, InsO, 6. Aufl., § 283 Rn. 7; Ringstmeier in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl., § 283 Rn. 5; HmbKomm-InsO/Fiebig, 10. Aufl., § 283 Rn. 3; aA FK-InsO/Foltis, 9. Aufl., § 283 Rn. 2; differenzierend Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 283 Rn. 3[]
  8. BGH, Urteil vom 03.07.2014 – IX ZR 261/12, WM 2014, 1487 Rn. 9[]
  9. BGH, Urteil vom 11.07.2013 – IX ZR 286/12, WM 2013, 1563 ff[]
  10. vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2013, aaO Rn. 11, 21; vom 10.10.2013 – IX ZR 30/13, NZI 2013, 1025 Rn. 11; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 184 Rn. 8d; HK-InsO/Depré, 11. Aufl., § 184 Rn. 6[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 29.06.1998, aaO[]
  12. unter anderem MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 85 Rn. 25; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 283 Rn. 4[]
  13. BFHE 244, 150 Rn. 14[]
  14. vgl. MünchKomm-InsO/Kern, 4. Aufl., § 283 Rn. 17[]
  15. vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 223, zu § 331 RegE-InsO[]
  16. vgl. MünchKomm-InsO/Kebekus/Schwarzer, 4. Aufl., § 189 Rn. 3; Jäger/Meller-Hannich, InsO, 2. Aufl., § 188 Rn. 14, § 189 Rn. 5, 16, auch zur streitigen Frage, ob der Betrag zurückzuhalten oder auszuzahlen ist[]

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