Wegerecht – und die neue Tordurchfahrt

Bei einem Wegerecht ist die Beeinträchtigung der Durchfahrt durch ein Tor nur dann geringfügig, wenn es für jedermann möglich ist, das Tor zu öffnen. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste das Tor zumindest einen Briefkasten, eine beleuchtete Klingel und Gegensprechanlage sowie einen elektrischer Türöffner neben einer entsprechenden Beleuchtung der Schlösser für eine Öffnung bei Nacht aufweisen. Für Notlagen wäre die Möglichkeit einer Notöffnung vorzuhalten. Eine blickdurchlässige Ausführung eines Tores ab 1 m Höhe ist nicht notwendig. Bei verkehrsüblicher Sorgfalt lässt sich auch ein entsprechendes blickundurchlässiges Tor im Freien ohne Gefahren öffnen.

Wegerecht – und die neue Tordurchfahrt

Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen, § 1020 BGB. Entscheidend für die Frage, zu welchen Sicherungsmaßnahmen die Grundstückseigentümer bezogen auf das belastete Grundstück berechtigt sind, ist eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen – der Interessen der Dienstbarkeitsberechtigten an einem möglichst unbeschränkten Zugang zu ihrem Grundstück einerseits und der berechtigten Sicherungsinteressen des Eigentümers des mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks andererseits1.

Auch wenn im hier entschiedenen Fall unbefugte Personen durch das hintere Tor auf das Grundstück der Grundstückseigentümer praktisch nur als Gäste der Wegerechtsberechtigten gelangen können, überwiegt das legitime Interesse der Grundstückseigentümer an einer Einfriedung zur Abgrenzung auch von fremdem Besuch und an einer leichteren Beaufsichtigung ihrer Kinder im Grundschul- und Kindergartenalter das Interesse der Wegerechtsberechtigten an einer freien Durchfahrt, weil deren Interesse durch das hintere Tor nur geringfügig beeinträchtigt wird. Das hintere Tor ist – unstreitig – nicht abgeschlossen und auf beiden Seiten mit einer Klinke versehen, so dass jederzeit Durchgang und Durchfahrt möglich sind, aber eine Abschlussfunktion für das Grundstück der Grundstückseigentümer gewahrt ist. Soweit kein Überbau vorliegt und die nachbarrechtlichen Beschränkungen eingehalten werden, ist gegen diese Ausführung des Tores nichts einzuwenden.

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Beeinträchtigung einer Grunddienstbarkeit - und die Verjährung des Beseitigungsanspruchs

Das vordere Tor dagegen, das das Eindringen unbefugter Personen von der öffentlichen Straße auf das Grundstück der Grundstückseigentümer verhindern soll, ist durch die legitimen Sicherheitsinteressen der Grundstückseigentümer lediglich dann gerechtfertigt, wenn die Interessen der Wegerechtsberechtigten an einer freien Durchfahrt ebenfalls nur geringfügig beeinträchtigt werden2. Zwar ist derzeit Durchgang und Durchfahrt für die Wegerechtsberechtigten jederzeit möglich, weil sie Inhaber der entsprechenden Schlüssel sind, nicht aber für berechtigte Dritte, die zu den Wegerechtsberechtigtenn gelangen wollen. Das vordere Tor hat nach außen einen Knauf und nur nach innen eine Klinke. Wird das Tor geschlossen oder fällt es versehentlich zu, ist ein Zugang von außen nicht mehr möglich. Für Dritte existiert derzeit weder eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den Wegerechtsberechtigtenn noch für die Wegerechtsberechtigten die Möglichkeit einer Öffnung des Tores von ihrem Grundstück aus. Gegebenenfalls müssen die Wegerechtsberechtigten mit ihrem Schlüssel bis zum Tor vorlaufen, um Besucher, Lieferanten oder Rettungskräfte einzulassen. Das ist nicht zumutbar3.

Es bleibt den Grundstückseigentümer als Störern des Geh- und Fahrrechts der Wegerechtsberechtigten überlassen, die Mittel zu wählen, die die Beeinträchtigung beseitigen4. So steht ihnen frei, das Tor zu entfernen. Wird das Tor jedoch belassen, läge eine nur geringfügige Beeinträchtigung dann vor, wenn es bei bestehendem Hinweis auf einen Zugang zum Haus der Wegerechtsberechtigten für jedermann möglich wäre, das Tor mit einer Klinke zu öffnen und so das Haus der Wegerechtsberechtigten zu erreichen. Sollte ein Zugang nicht möglich sein, weil ein Knauf ohne Klinkenfunktion an der Außenseite des Tores angebracht wäre, müsste das Tor zumindest einen Briefkasten, eine beleuchtete Klingel und Gegensprechanlage sowie einen elektrischer Türöffner neben einer entsprechenden Beleuchtung der Schlösser für eine Öffnung bei Nacht aufweisen5. Für Notlagen wäre die Möglichkeit einer Notöffnung vorzuhalten3. Eine Nutzungsmöglichkeit des Weges mit nur einem Schlüssel wäre dann ebenso zu gewährleisten wie eine Arretierung der Torflügel, um ein Zufallen der Torflügel zu verhindern.

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Notwegerecht - und die ordnungsgemäße Grundstücksnutzung

Eine konkrete Notwendigkeit für eine blickdurchlässige Ausführung der Tore ab 1 m Höhe haben die Wegerechtsberechtigten nicht dargetan. Bei verkehrsüblicher Sorgfalt lässt sich auch ein entsprechendes blickundurchlässiges Tor im Freien ohne Gefahren öffnen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 9. Dezember 2014 – 9a U 8/14

  1. OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.07.2014 – 12 U 1553[]
  2. so für Tore zur öffentlichen Straße auch OLG Karlsruhe, a.a.O.; NJW-RR 2006, 1678; 1991, 785; OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 763[]
  3. vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.07.2014 – 12 U 1553[][]
  4. s. Palandt/Bassenge, 73. Aufl.2014, § 1004 Rn. 51; Gursky, in: Staudinger, BGB – Neubearbeitung 2012, § 1004 Rn. 147 m.w.N.[]
  5. s. OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 785[]