Der vom Nichtgeschäftsfähigen im Betreuungsverfahren mandatierte Rechtsanwalt

Mandatiert eine nicht geschäftsfähige betroffene Person im Betreuungsverfahren einen Rechtsanwalt, ist durch Auslegung zu ermitteln, in welchem Umfang tatsächlich eine Bevollmächtigung erfolgt ist. Hierbei ist festzustellen, welche Erklärungen der betroffenen Person aus ihrer Sicht abgeben konnte und abgegeben hat1.

Der vom Nichtgeschäftsfähigen im Betreuungsverfahren mandatierte Rechtsanwalt

Um festzustellen, ob eine Verfahrensvollmacht für ein konkretes Betreuungsverfahren erteilt wurde, ist die Erklärung des Vollmachtgebers maßgeblich. Kann dieser sich später nicht mehr zu Erteilung oder Umfang der Vollmacht erklären, ist sein diesbezüglicher Wille anhand seiner zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung bekannten Erklärungen zu bestimmen, insbesondere auch anhand der Erklärungen dem Verfahrensbevollmächtigten gegenüber, der die Erklärung entgegengenommen hat. Besonders hinsichtlich der Feststellung des vom Vollmachtgeber gewünschten Umfangs der erklärten Vollmacht ist seine kognitive Leistungsfähigkeit und Vorstellungskraft zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung zu berücksichtigen.

Nach jeder eine Betreuung (neu) regelnde Entscheidung ist ein Betreuungsverfahren abgeschlossen. Dies ist schon daraus ersichtlich, dass § 271 FamFG nach den verschiedenen Betreuungsverfahren differenziert: Ziffer 1 erfasst Bestellungen und Aufhebungen der Betreuung, Ziffer 2 die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts und Ziffer 3 die sonstigen Verfahren, die eine rechtliche Betreuung betreffen. Bestätigt wird dies auch durch § 29 Aktenordnung, wonach in Liste 7 b alle Einzelentscheidungen gesondert zu erfassen sind, wenn auch unter demselben Aktenzeichen. Genauso wertet der BGH jedes Verfahren gesondert2.

Die ersten beiden im vorliegenden Fall erteilten Vollmachten beziehen sich nach den Erklärungen der Betroffenen darauf, dass Ihren Wünschen nach Verbleib in M. Geltung verschafft werden sollte und waren nur für das damalige Verfahren zur Betreuerbestellung erteilt. Eine weitere, dritte Vollmacht ist für das damalige Verfahren zur Entscheidung über einen Betreuerwechsel erteilt.

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Dies gilt, obgleich in den Vollmachtsurkunden niedergelegt ist, dass die Vollmachten in allen betreuungsgerichtlichen Angelegenheiten und für alle Instanzen gelten sollen.

Zwar ist grundsätzlich denkbar, dass eine Vollmacht für gleichartige Verfahren von vornherein erteilt wird (hier für alle betreuungsgerichtlichen Verfahren und alle Instanzen). Allerdings setzt dies voraus, dass dies vom Vollmachtgeber erklärt wurde3. Eine Vollmachtserklärung ist grundsätzlich formlos möglich4. Dabei wird durch die Vorlage einer Vollmachtsurkunde kein Rechtsschein dahingehend begründet, dass eine Prozessvollmacht erklärt wurde5. Die Vollmachtsurkunde dient zwar als Nachweis einer Vollmacht im Prozess, wenn diese zuvor wirksam erteilt wurde. Wurde sie jedoch nicht wirksam erteilt, so kann nicht aus dem Vorliegen der Urkunde ein Rückschluss auf die Erteilung gezogen werden.

Was die Betroffene mit ihrer Unterschrift erklärt hat, ist – da sie sich selbst zu nicht mehr äußern kann – anhand der Schilderung des Prozessbevollmächtigten zu bestimmen, der die Erklärungen entgegen genommen hat. Die Betroffene hat die ersten beiden Vollmachten erteilt mit dem Ziel, anwaltlichen Rat und Unterstützung im damals laufenden Betreuungsverfahren zu erhalten, um ihre Interessen hinsichtlich der medizinischen Versorgung und insbesondere des Aufenthalts durchzusetzen. Hierzu hat Rechtsanwalt R. schriftsätzlich ausgeführt, dass die Betroffene sich mit diesem Anliegen an ihn gewandt habe. Rechtsanwalt R. wollte diesen Auftrag der Betroffenen durch Beschwerde gegen den Betreuungsbeschluss umsetzen, und zwar zunächst mit dem Antrag auf Betreuerentlassung, dann durch die Anträge auf Betreuungsaufhebung und Kontrollbetreuung (hilfsweise: Betreuerwechsel). Dass die Betroffene darüber hinaus eine weitergehende Mandatierung auch der Sozia, Rechtsanwältin Hec., und für weitere Verfahren erklärt haben könnte, ist nicht ersichtlich. Weitergehende Erklärungen, die in den Vollmachtsurkunden niedergelegt sind, können ihr nicht zugerechnet werden. Sie war – und davon konnte sich auch das Amtsgericht in der Anhörung überzeugen – nicht in der Lage zu erklären, dass sie in allen betreuungsgerichtlichen Verfahren in allen Instanzen vertreten werden will. Sie konnte allenfalls sagen, dass sie in M. bleiben wolle und zur Erreichung dieses Zwecks einen Anwalt mandatieren, der das von ihr gewünschte Ziel mit den geeigneten Mitteln (hier Beschwerde; ggf. Betreuungsaufhebung oder Betreuerwechsel) verfolgen sollte. So hat auch der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Betroffene lediglich hinsichtlich der Versorgung durch ihren langjährigen Arzt und hinsichtlich des Aufenthalts eine stabile Auffassung gebildet habe. Nur in diesen Punkten hat sie sich erklärt.

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Der später eingegangene Widerruf kann der Betroffenen hingegen nicht zugerechnet werden. Es kann nicht sicher festgestellt werden, ob die Unterschrift von ihr stammt. Selbst wenn man davon ausgeht, ist nicht nachvollziehbar, welche Erklärung die Betroffene mit ihrer Unterschrift abgegeben hat. Der erneuten Vollmacht hätte es demnach nicht bedurft. Dass sie einen weiteren Umfang als die zuvor erteilte Vollmacht haben könnte, ist nicht erkennbar.

Mit der rechtskräftigen Entscheidung über die Betreuerbestellung war das Verfahren, in dem die Betroffene Rechtsanwalt R. bevollmächtigt hat, abgeschlossen.

Die dritte Vollmacht bezieht sich auf das zu jenem Zeitpunkt zu entscheidende Verfahren hinsichtlich eines des Betreuerwechsels, das durch Beschluss des Landgerichts Mannheim ebenfalls bereits rechtskräftig abgeschlossen wurde. Davon ausgehend, dass der von Rechtsanwalt R. unterzeichnete Aktenvermerk der Richtigkeit entspricht, wurde er für das Verfahren hinsichtlich des Betreuerwechsels von der Betroffenen mandatiert. Sie habe zu ihm gesagt: „Sie sind doch mein Anwalt“. Dabei hat sich ausweislich des Aktenvermerks das Gespräch auf den anstehenden Betreuerwechsel bezogen. Dass die Betroffene darüber hinaus erklärt haben könnte, weitergehende Vollmacht für künftige betreuungsgerichtliche Verfahren zu erteilen, ist ebenso wenig ersichtlich wie die Mandatierung von Frau Rechtsanwältin Hec., über die -soweit aus der Akte ersichtlich- von und mit der Betroffenen nie gesprochen wurde. Eine derart komplexe Erklärung der Betroffenen ist auch hier auszuschließen.

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Amtsgericht Mannheim, Beschluss vom 4. Mai 2015 – 2 Ha XVII 523/11

  1. Fortführung von BGH, Beschluss vom 30.10.2013 – XII ZB 317/13[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 30.10.2013 – XII ZB 317/13, Rd.-Nr. 21, wo er auf ein „Vorverfahren“ in der selben Betreuung verweist[]
  3. BGH a.a.O., Rd-Nr.20[]
  4. Münchner Kommentar – Toussaint, 4. Auflage, § 80 Rd-Nr. 5; Zöller-Vollkommer, ZPO, 30. Auflage, § 80 Rd.-Nr.5[]
  5. Münchner Kommentar, a.a.O., Rnd.-Nr. 3; Zöller a.a.O. Rd.-Nr. 5 a.E.[]