Die strafrechtliche Garantenstellung der Eltern

Den für ihr minderjähriges Kind sorgeberechtigten Eltern kommt dem Grunde nach eine strafrechtliche Garantenstellung zu. Auch für den strafmündigen Minderjährigen trifft sie dabei eine Sicherungspflicht. Welche Maßnahmen der Eltern im Einzelfall geboten sind, um Schädigungen Dritter durch das Kind zu verhindern, hängt vor allem davon ab, ob konkrete Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten bestehen.

Die strafrechtliche Garantenstellung der Eltern

Aktuell hatte der Bundesgerichtshof einen Fall aus dem Raum Trier zu entscheiden: Die Angeklagte J. L. lebte vormals in nichtehelicher Gemeinschaft mit dem später Getöteten B. Der zur Tatzeit 16-jährige Angeklagte S.-J. L. war ihr aus einer vorausgegangenen Beziehung stammender ältester Sohn, der gleichaltrige Angeklagte W. dessen – über den gemeinsamen Vater verwandter – Halbbruder. Die Angeklagte und B. wohnten zusammen mit den drei gemeinsamen minderjährigen Kindern sowie mit S.-J. L. im eigenen Einfamilienhaus. Das Paar trennte sich spätestens im Herbst 2022. B. blieb zwar in dem Haus wohnhaft, beteiligte sich aber nicht mehr am Familienleben, nahm die Mahlzeiten nur noch selten mit den anderen ein und schlief in der Regel allein auf der Wohnzimmercouch.

Das Landgericht hat der Urteilsgründe folgende Feststellungen getroffen: Die Angeklagte J. L. lebte vormals in nichtehelicher Gemeinschaft mit dem später Getöteten B. Der zur Tatzeit 16-jährige Angeklagte S.-J. L. war ihr aus einer vorausgegangenen Beziehung stammender ältester Sohn, der gleichaltrige Angeklagte W. dessen – über den gemeinsamen Vater verwandter – Halbbruder. Die Angeklagte und B. wohnten zusammen mit den drei gemeinsamen minderjährigen Kindern sowie mit S.-J. L. im eigenen Einfamilienhaus. Das Paar trennte sich spätestens im Herbst 2022. B. blieb zwar in dem Haus wohnhaft, beteiligte sich aber nicht mehr am Familienleben, nahm die Mahlzeiten nur noch selten mit den anderen ein und schlief in der Regel allein auf der Wohnzimmercouch. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem Tattag, dem 30.12.2022, erklärte S.-J. L. in einem Gespräch mit der Angeklagten und W., er würde B. gerne töten. Die Angeklagte nickte daraufhin mit dem Kopf. Die beiden anderen unterhielten sich anschließend über die mögliche Art der Tatausführung und kamen überein, B. in diesem Fall von hinten auf den Kopf zu schlagen, wobei die Angeklagte mithörte. Kurze Zeit später äußerte sie den zwei 16-Jährigen gegenüber, „sie sollten sich mal überlegen, wie man … B. loswerden könne“. W. fasste dies nicht als Tötungsauftrag auf, sondern als Aufforderung zum Nachdenken, „wie man sich räumlich von … [jenem] distanzieren könne“. Am Abend des 30.12.2022 kam es im ersten Obergeschoss des Hauses zwischen der Angeklagten und B. zu einer verbalen Auseinandersetzung. Als S.-J. L. und W. aus diesem Anlass hinzukamen, sahen sie, wie B. in der dortigen Küche seine vormalige Lebensgefährtin am Arm ergriff. Sie fassten nunmehr gemeinsam spontan den Entschluss, ihn zu töten, um weitere Übergriffe durch ihn auf die Angeklagte zu unterbinden.

Nachdem S.-J. L. und W. sich mit einem Baseballschläger sowie einem Rollgabelschlüssel bewaffnet und mehrere zu einer Schlaufe verbundene Kabelbinder an sich genommen hatten, warteten sie, bis B. das Badezimmer aufsuchte, und versteckten sich in einem angrenzenden Abstellraum. Als er das Badezimmer wieder in Richtung der Küche verließ, folgten sie ihm. S.-J. L. trat von hinten an den ahnungslosen B. heran und versetzte ihm im Wohn- und Essbereich mit dem Baseballschläger zumindest einen Schlag auf den Kopf, sodass der Getroffene rückwärts taumelte. Sodann schlug W. ihn mit dem Rollgabelschlüssel mindestens einmal gegen den seitlichen Hinterkopf. Daraufhin ging das Opfer zu Boden. Ein von S.-J. L. mit dem Baseballschläger geführter weiterer Schlag traf es am Oberschenkel. Währenddessen hielt sich die Angeklagte ununterbrochen bei geöffneter Tür in der Küche auf. Obwohl sie das Geschehen wahrnahm, verließ sie wortlos die Küche und ging in das zweite Obergeschoss, ohne die beiden anderen Angeklagten von dem fortdauernden Angriff auf ihren vormaligen Lebensgefährten abzuhalten oder ihm als examinierte Krankenschwester Hilfe zu leisten. Im Anschluss daran versetzte W. dem B. mit dem Rollgabelschlüssel zwei weitere Schläge gegen den Kopf und bewachte ihn, während sich S.-J. L. für geraume Zeit ebenfalls in das zweite Obergeschoss begab. Nach dessen Rückkehr und auf dessen Aufforderung strangulierte W. den Hals des Opfers mit den Kabelbindern, bis der Tod durch zentrales Regulationsversagen eintrat. In der Folgezeit verbrachten die drei Angeklagten die Leiche in ein Waldgebiet, wo S.-J. L. und W. sie absprachegemäß vergruben.

Das Landgericht Trier hat die Tat der Angeklagten J. L. als unterlassene Hilfeleistung nach § 323c Abs. 1 StGB gewertet, während es die Angeklagten S.-J. L. und W. in diesem Fall jeweils des – heimtückischen – Mordes für schuldig befunden hat1. Die Angeklagte sei nicht wegen eines als Mittäterin begangenen oder als Gehilfin geförderten Tötungsdelikts zu verurteilen. So mangele es für eine Strafbarkeit wegen Unterlassens an einer Garantenpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB. Die Angeklagte habe weder die Stellung einer Beschützergarantin gegenüber B. gehabt, weil nach der Trennung des Paares ein Zusammenleben ähnlich einer Wohngemeinschaft eine derartige Schutzpflicht nicht begründen könne, noch sei sie als Überwachungsgarantin verpflichtet gewesen, ihren minderjährigen Sohn von der Straftat abzuhalten.

Denn er sei als 16-Jähriger nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug gewesen, das Unrecht seines Handelns einzusehen und zu erkennen, welche Gefahren davon ausgehen. Eine psychische Beihilfe durch aktives Tun scheide aus, weil die Angeklagte die in Betracht kommenden Handlungen, namentlich das Nicken, vornahm, bevor die beiden anderen Angeklagten den konkreten Tatentschluss fassten.

Auf die zulasten der Angeklagten J.L. eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hob der Bundesgerichtshof das landgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere – als Schwurgericht tätige – Strafkammer des Landgerichts zurück; der Schuldspruch der unterlassenen Hilfeleistung halte sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht eine Beteiligung der Angeklagten J. L. an dem vorsätzlichen Tötungsdelikt rechtsfehlerhaft verneint habe:

Nach den ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen kommt in Betracht, dass das wortlose Verlassen des Tatorts anlässlich des Tötungsgeschehens die Voraussetzungen für eine Tatbeteiligung durch unechtes Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) erfüllt; die im Urteil angeführte Begründung trägt die Ablehnung einer solchen Strafbarkeit nicht. Zudem kann auf der Grundlage dieser Feststellungen entgegen der Auffassung der Jugendkammer nicht abschließend beurteilt werden, ob und inwieweit die Angeklagte zuvor auch aktive Beiträge zu der Tat geleistet hatte. Im Einzelnen: aa)) Die Angeklagte verletzte durch ihr Verhalten während der Tatausführung – unbeschadet der Frage der hypothetischen Kausalität – eine Garantenpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB.

Allerdings hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass die Angeklagte nicht die Stellung einer Beschützergarantin für den Getöteten hatte. Sie war nicht zu seinem Schutz verpflichtet. Zwar kann solches bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anzunehmen sein2. Mit dem tatsächlichen Ende der Gemeinschaftsbeziehung entfällt jedoch im Allgemeinen eine rechtliche Einstandspflicht zugunsten des (vormaligen) Partners3. So liegt es hier. Die Lebensgemeinschaft der Angeklagten und des Tatopfers war mit der Trennung spätestens im Herbst 2022 aufgelöst, die beide im gemeinsamen Haus auch räumlich vollzogen; damit bestand eine derartige Garantenstellung nicht mehr.

Die Angeklagte hatte dagegen im Verhältnis zu dem Angeklagten S.-J.

, ihrem minderjährigen Sohn, eine Überwachungsgarantenstellung inne. Sie handelte der daraus resultierenden Verpflichtung zuwider, ihn von der weiteren Tatausführung abzuhalten.

Nach § 1626 Abs. 1 BGB haben Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen; die elterliche Sorge ist unterteilt in die Personen- und die Vermögenssorge. Erstgenannte umfasst gemäß § 1631 Abs. 1 BGB insbesondere die Aufgabe, das Kind zu beaufsichtigen. Mit dieser Verpflichtung soll in erster Linie Gefahren für das eigene Kind begegnet werden; sie dient aber auch dazu (§ 832 BGB), Dritte vor Schaden zu bewahren4.

Den für ihr minderjähriges Kind sorgeberechtigten Eltern kommt dementsprechend dem Grunde nach eine strafrechtliche Garantenstellung zu5. Die Eltern trifft dabei sowohl eine Fürsorgepflicht als auch eine Sicherungspflicht6. Diese Pflichten sind – jedenfalls bei faktischem Zusammenleben – in ihrem Bestand von der Intensität der familiären Beziehung unabhängig7.

Die Garantenpflicht besteht auch, wenn das Kind bereits strafmündig ist.

Denn die umfassende rechtliche Einstandspflicht aus dem Gedanken der institutionellen familiären Beziehung endet – wie sich aus § 1626 Abs. 1, § 1631 Abs. 1 und § 832 BGB ergibt – nicht vor dem Eintritt der Volljährigkeit8. Für den Bestand dieser Pflicht kommt es demnach nicht auf eine Durchsetzbarkeit der faktischen Herrschaftsmacht durch die Eltern an9. Das gilt umso mehr, als bei Anerkennung dieses Kriteriums Eltern privilegiert würden, die sich durch längere pflichtwidrige Nichtausübung des Sorgerechts ihrer Einflussmöglichkeiten begeben haben10.

Davon zu unterscheiden ist, welche Anforderungen im Einzelfall an den Schutz und die Aufsicht des Minderjährigen zu stellen sind, mithin, welche zur Erfolgsabwendung geeigneten Handlungen für die Erfüllung der Garantenpflicht erforderlich und zumutbar sind. Insoweit gilt: Diese Anforderungen sind abhängig von der individuellen Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses. So sind der Überwachung, insbesondere bei älteren Kindern, Grenzen gesetzt. Das Maß der gebotenen Aufsicht über einen Minderjährigen bestimmt sich dementsprechend nach dessen Alter, Eigenart und Charakter sowie den Lebensumständen, namentlich dem Zusammenleben der betroffenen Personen. Die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen richtet sich danach, was verständige Eltern nach vernünftigen Maßstäben tun müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern11. Welche Maßnahmen geboten sind, hängt vor allem davon ab, ob konkrete Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten des Kindes bestehen12. So stellt es beispielsweise keine Überwachungspflichtverletzung durch die Eltern eines Jugendlichen dar, wenn er altersangemessen für einige Zeit unbeaufsichtigt aushäusig ist, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass er während dieser Zeit „altersübliche“ Straftaten begeht13.

Bei Anlegung der aufgezeigten Maßstäbe ist auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen ein strafbares unechtes Unterlassen der Angeklagten J. L. jedenfalls nicht auszuschließen.

Zum einen war sie dem 16-jährigen Angeklagten S.-J. L. gegenüber als sorgeberechtigte Mutter garantenpflichtig. Denn nach den zu den persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellungen versteht es sich von selbst, dass sie das Sorgerecht für ihn innehatte. Hinzu tritt, dass sie und ihr Sohn in häuslicher Gemeinschaft lebten. Die Garantenstellung ist, wie dargelegt, losgelöst davon zu beurteilen, ob der 16-Jährige für die – von der Angeklagten nicht verhinderte – Tat im Sinne des § 3 Satz 1 JGG strafrechtlich verantwortlich ist.

Zum anderen standen der Angeklagten zur Erfolgsabwendung voraussichtlich geeignete Mittel zur Verfügung. Nach den Darlegungen in den Urteilsgründen hätte sie ihrem Sohn, als sie den von ihm eingeleiteten Angriff auf das Tatopfer erkannte, die Fortsetzung der Tat untersagen können; zusätzlich hätte sie – als examinierte Krankenschwester – eine Erstversorgung vornehmen können.

Für die Angeklagte bestand die begründete Aussicht, durch verbales Einschreiten das Leben ihres vormaligen Lebensgefährten zu retten, es zumindest aber, was als den Erfolg in seiner konkreten Gestalt abwendender Beitrag genügt14, mehr als nur geringfügig zu verlängern: Spätestens in Reaktion auf den von der Angeklagten wahrgenommenen ersten Schlag auf B. Kopf wäre es ihr – wovon sich das Landgericht überzeugt hat – möglich gewesen, durch ein solches Eingreifen ihren Sohn von der weiteren Tatausführung abzuhalten. Es liegt nahe, dass B. zu diesem Zeitpunkt noch nicht tödlich verletzt war. Selbst wenn Gegenteiliges der Fall gewesen sein sollte, kommt in Betracht, dass sein Tod durch die nachfolgenden Schläge und das Zuziehen der um den Hals gelegten Kabelbinder erheblich beschleunigt worden wäre. Des Weiteren wäre zu erwarten gewesen, dass ein verbales Einschreiten der Angeklagten auch die weitere Tatausführung durch den Angeklagten W. verhindert hätte. Ein Weiterhandeln dieses Angeklagten auf eigene Faust hätte eher ferngelegen. Denn im Verhältnis zu ihm war der Angeklagte S.-J. L. derjenige, der Anweisungen erteilte und Entscheidungen traf; der Sohn der Angeklagten war Initiator und treibende Kraft des Geschehens.

Schließlich war ein solches Eingreifen für die Angeklagte zumutbar.

Insoweit unterscheiden sich, wie ausgeführt, die an das Verhalten der Eltern zu stellenden Anforderungen, die im Fall der Ankündigung und begonnenen Begehung einer (zumal schwerwiegenden) Straftat durch das minderjährige Kind – wie hier – zu stellen sind, von denjenigen, die gelten, wenn kein konkreter Anhalt für ein deliktisches Handeln von ihm besteht.

Das Landgericht hat demzufolge eine Beteiligung der Angeklagten am Tötungsdelikt durch Unterlassen rechtsfehlerhaft verneint. Die Frage, ob ein Einschreiten von ihr tatsächlich den konkreten Todeserfolg im beschriebenen Sinne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet hätte15 oder sie zumindest diese Vorstellung hatte, lässt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beantworten. Eine entsprechende Überzeugungsbildung ist der tatrichterlichen Beweiswürdigung vorbehalten. Für die Strafkammer ist es darauf im Hinblick auf die angenommene Strafbarkeit nach § 323c StGB konsequenterweise nicht angekommen16.

Dahinstehen kann, ob die Angeklagte überdies als Überwachungsgarantin aufgrund Ingerenz eine Erfolgsabwendungspflicht traf, weil sie – nach der Überzeugung der Jugendkammer des Landgerichts Trier – bei dem Gespräch mit den beiden anderen Angeklagten vor dem Tattag durch ihr Nicken auf das von ihrem Sohn geäußerte Tötungsansinnen zum Ausdruck brachte, dass sie es billigte17.

Zudem kommt in Betracht, dass die Angeklagte im Vorfeld aktive Beiträge zur Tötung des B. leistete. In diesem Fall wäre für die Abgrenzung, ob strafbares Tun oder Unterlassen vorliegt, auf den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit abzustellen18. Auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen lässt sich beides ebenfalls nicht abschließend beurteilen.

Insbesondere in dem Nicken der Angeklagten auf das Tötungsansinnen ihres Sohnes einige Zeit vor dem Kerngeschehen könnte eine nach § 27 Abs. 1 StGB relevante Tatförderung liegen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Angeklagten S.-J. L. und W. zu diesem Zeitpunkt den Tatentschluss noch nicht gefasst hatten, sondern nur ersichtlich „tatgeneigt“ waren. Denn ein Gehilfenbeitrag kann bereits im Vorbereitungsstadium der Tat erbracht werden, selbst wenn der Haupttäter zur Tatbegehung noch nicht entschlossen ist19. Dies gilt auch für die psychische Beihilfe in der Form, dass der Haupttäter ausdrücklich oder konkludent in seinem Willen zur Tatbegehung bestärkt wird20: Eine solche psychisch vermittelte Hilfeleistung zu einer Zeit zu erbringen, bevor der Haupttäter den Tatentschluss fasst, ist nicht ausgeschlossen21. Denn der Zeitpunkt einer Beihilfehandlung ist von demjenigen zu unterscheiden, zu dem sie sich letztlich auf die Haupttat auswirkt. So kann die zustimmende Erklärung zu einem deliktischen Verhalten unter der Voraussetzung abgegeben werden, dass der Empfänger sich erst noch zu einer (weiteren) konkreten Tat entschließt; der Erklärende braucht dabei nicht den Willen zu haben, den Entschluss hervorzurufen, und die nachfolgende Entschließung muss nicht ein Ergebnis der Erklärung sein22. Gleichwohl kann diese Äußerung eine den Willen zur Tatbegehung fördernde Wirkung haben.

Ebenso wenig folgt aus § 26 StGB, dass in das Vorfeld des Tatentschlusses fallende psychische Einflussnahmen unter der dort normierten Schwelle generell straflos sind23. Denn mit den niedrigeren Anforderungen an die psychische Beihilfe, etwa im Hinblick auf den Gehilfenvorsatz24, korrespondiert eine zwingende Milderung des Strafrahmens nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB.

Zu dem Nicken der Angeklagten auf das Tötungsansinnen des S.-J. L. hätte es demnach näherer Feststellungen bedurft. Es besteht die zumindest nicht fernliegende Möglichkeit, dass er und W. sich, als sie sich zur Tötung des B. entschieden, durch die vor dem Tattag gezeigte zustimmende Geste der Angeklagten in dem Vorhaben bestätigt fühlten und diese selbst hiermit gerechnet hatte.

Daneben wäre denkbar, dass die von der Angeklagten im Vorfeld der Tat an die Angeklagten S.-J. L. und W. gerichtete Äußerung, „sie sollten sich mal überlegen, wie man … B. loswerden könne“, eine Tatförderung darstellt, wenngleich W. sie im Sinne eines Wunsches nach räumlicher Distanzierung deutete.

Denn dazu, wie der Sohn der Angeklagten sie wertete und wie sie von ihr gemeint war, verhalten sich die Urteilsgründe nicht.

Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Schuldspruchs. Dessen Änderung durch den Bundesgerichtshof kommt nicht in Betracht. So ermöglichen die getroffenen Feststellungen nicht die abschließende Beurteilung, ob die Angeklagte den Todeserfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte verhindern oder mehr als nur geringfügig verzögern können, sie Mittäterin oder Gehilfin war25, sich ihr Vorsatz – was allerdings naheliegt – auf den Todes-, nicht nur einen Körperverletzungserfolg erstreckte und sie sich das Mordmerkmal der Heimtücke zurechnen lassen muss26.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Oktober 2025 – 3 StR 11/25

  1. LG Trier, Urteil vom 27.08.2024 – 2a KLs 8032 Js 2825/23.jug[]
  2. vgl. Albrecht, Begründung von Garantenstellungen in familiären und familienähnlichen Beziehungen, 1998, S. 216; Kretschmer, JR 2008, 51, 52; LK/Weigend, StGB, 13. Aufl., § 13 Rn. 38; SSWStGB/Kudlich, 6. Aufl., § 13 Rn. 26[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 24.07.2003 – 3 StR 153/03, BGHSt 48, 301, 305[]
  4. s. BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12, NJW 2013, 1441 Rn. 14, 16; BeckOGK BGB/Kerscher, Stand: 1.08.2025, § 1631 Rn. 44; BeckOK BGB/Veit/Schmidt, 75. Ed., § 1631 Rn. 7 mwN; NK-BGB/Rakete-Dombek/Berning, 4. Aufl., § 1631 Rn. 8; ähnlich Staudinger/Lettmaier [2020], BGB, § 1626 Rn. 320[]
  5. s. AnwKStGB/Gercke/Hembach, 3. Aufl., § 13 Rn. 9; LK/Weigend, StGB, 13. Aufl., § 13 Rn. 26; MünchKomm-StGB/Freund/Rostalski, 5. Aufl., § 13 Rn. 105; NK-StGB/Gaede, 6. Aufl., § 13 Rn. 51; TK-StGB/Bosch, 31. Aufl., § 13 Rn. 52; ferner BGH, Urteil vom 03.07.2003 – 4 StR 190/03, BGHR StGB § 225 Misshandlung 1[]
  6. zur Fürsorgepflicht s. BGH, Urteile vom 17.12.1954 – 1 StR 183/54, BGHSt 7, 268, 272; vom 20.12.1983 – 1 StR 746/83, NStZ 1984, 164; zur Sicherungspflicht s. RG, Urteil vom 27.10.1938 – 5 D 673/38, RGSt 72, 373, 374; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.1986 – 5 Ss 296/86 – 232/86 I, NJW 1987, 201; ferner Böhm, Garantenpflichten aus familiären Beziehungen, 2006, S. 29, 32[]
  7. vgl. SSW-StGB/Kudlich, 6. Aufl., § 13 Rn.19; außerdem BGH, Beschluss vom 13.10.2016 – 3 StR 248/16, NStZ 2017, 401; Urteil vom 29.09.2021 – 2 StR 491/20, NStZ 2022, 601 Rn. 13 [jeweils hinsichtlich der Verpflichtung eines volljährigen Kindes zum Schutz der mit ihm zusammenwohnenden Mutter im Hinblick auf § 1618a BGB aF][]
  8. s. Geisler, Die strafrechtliche Behandlung von Eltern minderjähriger Täter, 2003, S. 82 f.; Otto, FS Herzberg, 2008, S. 265, 266 f.; LK/Weigend, StGB, 13. Aufl., § 13 Rn. 26; TK-StGB/Bosch, 31. Aufl., § 13 Rn. 52; vgl. auch Staudinger/Bernau [2022], BGB, § 832 Rn. 9 mwN[]
  9. vgl. aber Schünemann, Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, 1971, S. 330[]
  10. s. Geisler aaO, S. 81[]
  11. s. BGH, Urteile vom 27.11.1979 – VI ZR 98/78, NJW 1980, 1044, 1045; vom 15.11.2012 – I ZR 74/12, NJW 2013, 1441 Rn. 16 [jeweils zu § 832 BGB]; OLG Celle, Beschluss vom 21.11.2007 – 32 Ss 99/07, NJW 2008, 1012, 1013; LK/Weigend, StGB, 13. Aufl., § 13 Rn. 27[]
  12. vgl. BGH, Urteile vom 15.11.2012 – I ZR 74/12, aaO, Rn. 24; vom 11.06.2015 – I ZR 7/14, NJW 2016, 950 Rn. 32[]
  13. s. LK/Weigend aaO[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 23.10.1985 – 3 StR 300/85, StV 1986, 59; MünchKomm-StGB/Schneider, 5. Aufl., § 212 Rn. 3[]
  15. zur hypothetischen Kausalität s. BGH, Beschluss vom 09.03.2022 – 4 StR 200/21, NStZ 2023, 153 Rn. 16 f.; Fischer/Anstötz, StGB, 72. Aufl., Vor § 13 Rn. 39 mwN[]
  16. vgl. BGH, Urteile vom 04.07.1984 – 3 StR 96/84, BGHSt 32, 367, 381; vom 01.09.2020 – 1 StR 373/19, NStZ 2021, 236 Rn. 11[]
  17. allgemein zu den Voraussetzungen der Ingerenzhaftung s. BGH, Urteil vom 02.08.2023 – 5 StR 80/23, NStZ 2024, 222 Rn. 18 ff.; Beschluss vom 05.11.2024 – 6 StR 258/24 24; Fischer/Anstötz, StGB, 72. Aufl., § 13 Rn. 47 ff. mwN[]
  18. vgl. BGH, Beschluss vom 17.02.1954 – GSSt 3/53, BGHSt 6, 46, 59; Urteil vom 12.07.2005 – 1 StR 65/05, NStZ-RR 2006, 174, 175; Beschluss vom 19.10.2011 – 1 StR 233/11, BGHSt 57, 28 Rn. 12 mwN[]
  19. s. BGH, Urteile vom 31.10.2019 – 3 StR 322/19 8; vom 20.08.2024 – 5 StR 326/23, NJW 2024, 3246 Rn. 28[]
  20. allgemein zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer solchen Tatförderung s. BGH, Urteil vom 20.12.2018 – 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10 Rn. 95; Beschluss vom 22.08.2019 – StB 21/19 27, 30[]
  21. vgl. BGH, Beschluss vom 13.12.2023 – AK 90/23 15 ff.; ferner – für die bewusste Schaffung von Bedingungen für Straftaten – BGH, Beschluss vom 20.09.2016 – 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252 Rn. 17, 23 aE; Urteil vom 20.12.2018 – 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10 Rn. 105, 107; aA LK/Schünemann/Greco, StGB, 14. Aufl., § 27 Rn. 39 [„denklogisch unmöglich“], Rn. 60 [„begrifflich unmöglich“][]
  22. entsprechend für die Erteilung eines Rats bereits RG, Urteil vom 26.03.1896 – Rep. 813/96, RGSt 28, 287 f.[]
  23. so aber LK/Schünemann/Greco, StGB, 14. Aufl., § 27 Rn. 60[]
  24. vgl. BGH, Beschlüsse vom 14.10.2014 – 3 StR 167/14, wistra 2015, 148 Rn. 33 mwN; vom 13.12.2023 – AK 90/23 17[]
  25. zu Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Unterlassen s. BGH, Urteile vom 25.09.1991 – 3 StR 95/91, NStZ 1992, 31; vom 12.02.2009 – 4 StR 488/08, NStZ 2009, 321 f.; Beschluss vom 18.10.2018 – 3 StR 126/18, NStZ 2019, 341[]
  26. zur Möglichkeit eines „Heimtücke-Mordes“ durch Unterlassen s. BGH, Beschluss vom 07.07.2009 – 3 StR 204/09 5; Fischer/Fischer, StGB, 72. Aufl., § 211 Rn. 45; LK/Rissing-van Saan/Zimmermann, StGB, 13. Aufl., § 211 Rn. 127 mwN[]

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