Betriebsratsschulung – und ihre Erforderlichkeit

Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 iVm. Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind.

Betriebsratsschulung – und ihre Erforderlichkeit

Die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds ist von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrats über die Entsendung des Betriebsratsmitglieds zu der Schulungsveranstaltung abhängig, da § 37 Abs. 6 BetrVG nicht als Anspruch der einzelnen Betriebsratsmitglieder ausgestaltet ist. Diese Vorschrift räumt dem Betriebsrat das Recht ein, über die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern zu beschließen, deren Schulung für die Tätigkeit im Betriebsrat erforderlich ist1.

Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse in Betrieb und Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann. Bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern braucht die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden, wenn Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden. Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet zwischen der Vermittlung sog. Grundkenntnisse und anderen Schulungsveranstaltungen. Durch die Vermittlung von Grundwissen soll das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen. Für andere Schulungsveranstaltungen muss ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann2.

Die Schulung des entsandten Betriebsratsmitglieds ist nicht notwendig, wenn die in der Schulungsveranstaltung vermittelten Kenntnisse im Betriebsrat bereits vorhanden sind. Allerdings ist der Betriebsrat weder verpflichtet, die anstehenden Aufgaben auf wenige kenntnisreiche Mitglieder zu konzentrieren, noch muss er sich bei der Aufgabenerfüllung auf die Information eines einzelnen Betriebsratsmitglieds verlassen. Auch wenn ein Mitglied die erforderlichen Kenntnisse bereits besitzt, kann die sinnvolle Organisation der Betriebsratsarbeit es gebieten, auch andere Mitglieder mit der Aufgabenwahrnehmung zu betrauen. Es hängt dabei maßgeblich von der Größe und personellen Zusammensetzung sowie von der Geschäftsverteilung des Betriebsrats ab, ob und inwieweit eines oder mehrere Mitglieder über Spezialkenntnisse verfügen müssen3.

Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Er hat darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht4. Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist nicht erforderlich, wenn sich der Betriebsrat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann5. Der Betriebsrat ist allerdings nicht gehalten, anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen. Er muss nicht die kostengünstigste Schulungsveranstaltung auswählen, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält6. Der Beurteilungsspielraum des Betriebsrats bezieht sich auch auf den Inhalt der Schulungsveranstaltung. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen auch nach Ansicht des Betriebsrats im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kann eine Beschränkung der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers auf die Kosten der preiswerteren in Betracht kommen. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Kosten können auch die Dauer der Veranstaltung im Hinblick auf die behandelten Themen, die örtliche Lage der Schulungsveranstaltung und die Anzahl der zu entsendenden Betriebsratsmitglieder von Bedeutung sein7.

Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Das macht jedoch die Darlegung, weshalb das zu der Schulung entsandte Betriebsratsmitglied die dort vermittelten Kenntnisse benötigt, damit das Gremium des Betriebsrats seine gesetzlichen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann, nicht entbehrlich8.

Bei dem Begriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff.

Nicht ausreichend ist es, wenn nur einzelne Module der Veranstaltung als erforderlich anzusehen sind. Die Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung ist einheitlich zu bewerten, wenn der Veranstalter die Schulungsveranstaltung nur als einheitliches Ganzes zur Buchung anbietet.

Dem Charakter als Schulungsveranstaltung steht die Möglichkeit zum Erwerb eines Zertifikats nicht entgegen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. September 2016 – 7 AZR 699/14

  1. BAG 7.05.2008 – 7 AZR 90/07, Rn. 17; 15.05.1986 – 6 ABR 64/83, zu II 2 a der Gründe, BAGE 52, 73[]
  2. st. Rspr., vgl. BAG 14.01.2015 – 7 ABR 95/12, Rn. 10; 20.08.2014 – 7 ABR 64/12, Rn. 15 mwN; 18.01.2012 – 7 ABR 73/10, Rn. 25, BAGE 140, 277[]
  3. BAG 14.01.2015 – 7 ABR 95/12, Rn. 12[]
  4. BAG 14.01.2015 – 7 ABR 95/12, Rn. 13; 20.08.2014 – 7 ABR 64/12, Rn. 16; 18.01.2012 – 7 ABR 73/10, Rn. 27, BAGE 140, 277[]
  5. vgl. BAG 20.08.2014 – 7 ABR 64/12, Rn. 16; 18.01.2012 – 7 ABR 73/10, Rn. 27 mwN, aaO[]
  6. BAG 19.03.2008 – 7 ABR 2/07, Rn. 24[]
  7. BAG 8.02.1977 – 1 ABR 124/74, zu II 3 der Gründe mwN[]
  8. BAG 14.01.2015 – 7 ABR 95/12, Rn. 11; 18.01.2012 – 7 ABR 73/10, Rn. 27, BAGE 140, 277[]