Bei einem Streit um eine Eingruppierung hat das Arbeitsgericht Feststellungen dazu zu treffen, welche konkreten Aufgaben die Arbeitnehmerin wahrnimmt und wie die Arbeitsorganisation ausgestaltet ist. Dabei ist zu bestimmen, ob die Tätigkeit der Arbeitnehmerin aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang oder mehreren Arbeitsvorgängen besteht1.

Bei der Annahme eines Arbeitsvorgangs ist es zur Erfüllung der qualifizierenden tariflichen Anforderung – hier Ergotherapie „bei Patientinnen oder Patienten mit Demenz“ – ausreichend, wenn diese innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegt. Nicht erforderlich ist, dass innerhalb eines Arbeitsvorgangs das Qualifizierungsmerkmal seinerseits in dem von § 12 Abs. 2 Satz 2, Satz 5 TVöD/VKA bestimmten Maß anfällt2. Falls die Tätigkeit der Arbeitnehmerin aus mehreren Arbeitsvorgängen besteht, von denen einer oder mehrere die tariflichen Anforderungen des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA erfüllen, wird zu prüfen sein, ob diese Arbeitsvorgänge zeitlich mindestens zur Hälfte der Arbeitszeit anfallen.
Eine Ergotherapie bei Patientinnen oder Patienten mit Demenz iSd. Entgeltgruppe 9b TVöD/VKA setzt voraus, dass die Demenz im Zeitpunkt der Behandlung ärztlich diagnostiziert ist. Das ergibt die Auslegung der Tarifregelung3.
Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff der Demenz nicht eigenständig definiert. Bei der Auslegung ist daher anzunehmen, dass der Begriff in dem Sinne verwendet wird, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind4. Die Tarifregelung findet sich in Teil B der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA im Bereich für Beschäftigte in Gesundheitsberufen. Dies spricht dafür, dass der Begriff der Demenz in einem medizinischen Sinne verwendet wird. Bei einer Demenz handelt es sich danach um eine chronisch progrediente Störung der kognitiven, sozialen und emotionalen Gehirnfunktionen, die über mindestens sechs Monate besteht. Leitsymptome sind Gedächtnisverlust und chronische Verwirrtheit. Diagnostiziert wird eine Demenz klinisch-neurologisch, psychiatrisch, mittels kranialer Bildgebung sowie Demenz-Tests5.
Eine Ergotherapie bei Patientinnen oder Patienten „mit“ Demenz setzt begrifflich voraus, dass die Demenz im Zeitpunkt der ergotherapeutischen Behandlung vorliegt. Für das Ausreichen lediglich von Anzeichen einer Demenz bietet der Wortlaut keine Anhaltspunkte.
Auch aus der Tarifsystematik ergibt sich, dass lediglich Anzeichen einer Demenz für die Erfüllung des tariflichen Qualifizierungsmerkmals nicht genügen. Die Prävalenz einer Demenzerkrankung nimmt mit steigendem Lebensalter zu. Bei über 90-Jährigen beträgt sie rund 35 vH. Häufige Vorstufe einer Demenz sind im höheren Alter eine mäßige Beeinträchtigung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Denkvermögen ohne wesentliche Alltagseinschränkungen, wobei 20 bis 30 vH dieser Fälle jährlich in eine Demenz übergehen5. Gedächtnis, Aufmerksamkeits, Konzentrations- und Intelligenzstörungen können aber auch Folgen des physiologischen Alterungsprozesses sein6. Bei der Ergotherapie in der Geriatrie, welche die Erkrankungen alter Menschen betrifft7, stellt es daher insgesamt keine Besonderheit dar, dass die Patientinnen und Patienten kognitive Beeinträchtigungen aufweisen. Nach dem Tarifvertrag stellt die Aufgabe Ergotherapie in der Geriatrie bereits an sich eine schwierige Aufgabe dar, die ausweislich der zugehörigen Protokollerklärung nach Entgeltgruppe 9a TVöD/VKA zu vergüten ist. Steht nicht fest, ob die erkannten Symptome Anzeichen einer Demenz oder lediglich der Vorstufe einer Demenz oder Ausfluss des physiologischen Alterungsprozesses sind, ergeben sich keine Unterschiede bei der Aufgabenwahrnehmung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Dezember 2023 – 4 AZR 322/22
- vgl. dazu etwa BAG 16.08.2023 – 4 AZR 339/22, Rn. 18; ausf. 26.04.2023 – 4 AZR 275/20, Rn.20 ff. [zu § 22 BAT]; 9.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 27 ff., BAGE 172, 130 [zu § 12 TV-L][↩]
- st. Rspr., etwa BAG 9.09.2020 – 4 AZR 195/20, Rn. 65 ff. mwN, BAGE 172, 130 [zu § 12 TV-L]; 22.02.2017 – 4 AZR 514/16, Rn. 41[↩]
- zu den Maßstäben der Tarifauslegung zB BAG 12.12.2018 – 4 AZR 147/17, Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326[↩]
- BAG 16.08.2023 – 4 AZR 301/22, Rn. 35 mwN[↩]
- Pschyrembel Online, letzte Aktualisierung des Artikels 3/2022[↩][↩]
- vgl. Pschyrembel Online,letzte Aktualisierung des Artikels 5/2021[↩]
- BAG 31.01.2018 – 10 AZR 387/17, Rn. 26[↩]
Bildnachweis:
- Ergotherapie: Ryutaro Tsukata