Lohnwucher vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes

Ist eine Vergütungsabrede wegen Lohnwucher nach § 138 Abs.2 BGB nichtig, schuldet die Arbeitgeberin nach § 612 BGB, der über seinen Wortlaut hinaus auch bei einer unwirksamen Vergütungsabrede Anwendung findet, die übliche Vergütung. Zu deren Bestimmung kann in Ermangelung einschlägiger tariflicher Regelungen auf den Stundenlohn con 8, 50 € nach dem MiLoG zurückgegriffen werden.

Lohnwucher vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes

In dem hier vom Arbeitsgericht München entschiedenen Fall war für ein vorgebliches „Praktikum“ mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 43 Wochenstunden ein Monatsgehalt von 300 € vereinbart, was rechnerisch einen Stundenlohn von € 1, 61 ergibt. Diese Vergütungsabrede ist wegen Lohnwucher nach § 138 Abs.2 BGB nichtig, die Arbeitgeberin schuldet nach § 612 BGB, der über seinen Wortlaut hinaus auch bei einer unwirksamen Vergütungsabrede Anwendung findet, die übliche Vergütung, da schwerlich davon ausgegangen werden kann, dass 43 Wochenstunden Dienstleistung über (hier: mehr als 5) Jahre hinweg ohne entsprechende Vergütung erwartet werden konnten.

Die Arbeitgeberin schuldet über die Ansprüche für 2015 hinaus auch für die vorangegangenen Jahre den im MiLoG geregelten Mindeststundenlohn in Höhe von € 8, 50 brutto: Die Arbeitnehmerin nahm nach Abschluss der Schule ohne spezifische Ausbildung und ungelernt ihre Tätigkeit bei der Arbeitgeberin auf. Da es im Geschäftszweig der Arbeitgeberin keine einschlägigen tariflichen Regelungen gibt und in der Regel Entgelte über zu verprovisionierende Umsätze generiert werden, sind Rückschlüsse, in welcher Höhe üblicher Weise von Berufsanfängern Entgelte erzielt werden, vorliegend nicht möglich, weil insoweit weder Tatsachen vorgetragen noch Umstände erkennbar sind. Das Gericht erachtete es deshalb für sachgerecht und angemessen, den Stundenlohn von € 8, 50 nach dem Mi-LoG, der für die geleisteten Arbeitszeiten im Jahr 2015 zugrunde zu legen ist, auch auf die vorangegangenen Jahre als übliche Vergütung heran zu ziehen.

Arbeitsgericht München, Urteil vom 11. Dezember 2015 – 36 Ca 4986/15