Tätigkeit bei Konkurrenzunternehmen

Ein Schadensersatzanspruch lässt sich dann nicht aus § 60, 61 HGB herleiten, wenn ein Arbeitnehmer unter Verstoß gegen § 241 Abs. II BGB für ein Konkurrenzunternehmen tätig wird, während er von seiner Arbeit unter Verrechnung von Urlaubsansprüchen unwiderruflich freigestellt ist. Es können sich aber Schadensersatzansprüche aus § 289 BGB ergeben.

Tätigkeit bei Konkurrenzunternehmen

Seinen Vergütungsanspruch gegen den bisherigen Arbeitgeber behält der Arbeitnehmer mangels anderer Vereinbarung.

Mit dieser Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg die Klage eines Arbeitgebers abgewiesen: In diesem Fall haben sich die Parteien gestritten um die Verpflichtung des Beklagten, seine bei der Fa. A. GmbH erhaltene Vergütung für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 in Höhe von insgesamt EUR 13.829,29 an die Klägerin auf Grund von behauptetem wettbewerbswidrigen Verhalten herauszugeben, zumindest sich aber die dort erzielte Vergütung auf seine Ansprüche gegenüber der Klägerin anrechnen zu lassen. Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter.

  • Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, da es dafür an einer Rechtsgrundlage fehlt. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden.
    1. § 61 HGB ist nicht anwendbar. Dem steht nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht durch das rechtskräftige Teilurteil vom 10.09.2010 den Beklagten zur Auskunftserteilung unter Anwendung dieser Norm verurteilt hat. Bei einer Stufenklage schafft das Teilurteil auf Rechnungslegung keine Rechtskraft für den als Vorfrage bejahten Anspruchsgrund1.

      Das Fehlverhalten des Klägers erfüllt nicht den Tatbestand des § 60 Abs. 1 HGB, denn er hat nicht im Geschäftsbereich des eigenen Arbeitgebers während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Geschäfte gemacht. Unter „Geschäftemachen” i.S. des § 60 Abs. 1 HGB ist jede, wenn auch nur spekulative, auf Gewinnerzielung gerichtete Teilnahme am geschäftlichen Verkehr zu verstehen, die nicht nur zur Befriedigung eigener privater Bedürfnisse des Handlungsgehilfen erfolgt2. Daran fehlt es bereits. Der Beklagte war als Arbeitnehmer tätig, er hat keine Geschäfte gemacht, sondern seine Arbeitsleistung in den Dienst eines Konkurrenten der Klägerin gestellt. Damit liegt schon gar kein Verstoß gegen § 60 Abs. 1 HGB vor3, so dass auch eine Anwendung von § 61 HGB als dessen Rechtsfolge ausscheidet. Auch ist nichts vorgetragen dafür, dass er für Vermittlung einzelner Geschäfte eine gesonderte Vergütung wie eine Provision erhalten hat.

      Darüber hinaus scheidet selbst bei Annahme eines Verstoßes gegen § 60 HGB nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Herausgabe der bezogenen Vergütung nach § 61 Abs. 1 HGB aus, weil es an den Voraussetzungen für die Anwendung dieser Norm fehlt, die ein Eintrittsrecht in die gemachten Geschäfte regelt, nicht aber ein umfassendes Eintrittsrecht in die Rechtsstellung des wettbewerbswidrig handelnden Arbeitnehmers. Schließlich kann die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin ihres (größten) Konkurrenten tätig werden.

      Auch eine analoge Anwendung des § 61 Abs. 1 HGB scheidet aus. Die Vorschrift hat eine andere Zielrichtung als die Abschöpfung des erzielten Arbeitsverdienstes. Sie dient zwar auch einem pauschalierten Schadensersatz, beschränke sich aber darauf, den Schaden durch entgangene Geschäfte abzuschöpfen4. Den Schaden, der durch die allgemeine Unterstützung, die der Beklagte dem Konkurrenzunternehmen zukommen lässt, entsteht, erfasst sie eben nicht.

    2. Für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB fehlt es an einem konkreten Vortrag der Klägerin bezüglich eines eingetretenen Schadens. Das Fehlverhalten des Klägers stellt zwar einen Verstoß gegen § 241 Abs. 2 BGB dar. Dem Arbeitnehmer ist es grundsätzlich untersagt, während des Bestehens seines Arbeitsverhältnisses seine Dienste und Leistungen Konkurrenten zur Verfügung zu stellen (BAG, Urt. v. 28.01.2010 – 2 AZR 1008/08, DB 2010, 1709, Rn. 21f.). Es besteht hier kein Anlass, über eine inhaltliche Begrenzung der Reichweite des im laufenden Arbeitsverhältnis bestehenden Wettbewerbsverbots im Hinblick auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nachzudenken und im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob die anderweitige Tätigkeit zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers führt5.

      Das Wettbewerbsverbot nach § 241 Abs. 2 BGB in Anwendung der Wertungen des § 60 HGB gilt entgegen der Auffassung des Beklagten auch in einem Arbeitsverhältnis, in dem die Parteien eine einvernehmliche Freistellung bis zu seiner feststehenden Beendigung vereinbart haben. Die Klägerin trägt weiterhin die volle Vergütung des Beklagten. Sie hat zwar auf seine Arbeitsleistung verzichtet, nicht aber auf die Einhaltung der sonstigen Vertragspflichten des Beklagten. Der Beklagte verfügt als ehemaliger Produktionsmanager und technischer Leiter über erhebliche fachliche Kenntnisse, so dass es sich bei seiner Tätigkeit um das Gegenteil von bloßen Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug handelt. Diese nicht bei voller Bezahlung durch die Klägerin ohne deren Zustimmung in die Dienste eine Konkurrenten zu stellen, bleibt jedenfalls für diese Arten von Tätigkeiten bis zum letzten Tag des Arbeitsverhältnisses eine aus § 241 Abs. 2 BGB folgende Pflicht des Klägers. Eine konkludente Aufhebung dieser Pflicht liegt nicht vor, denn mangels entsprechender Vereinbarung einer Anrechnung von Zwischenverdienst6 konnte der Beklagte nicht davon ausgehen, dass die Klägerin ihm auch eine Arbeitsaufnahme bei einem Konkurrenten gestatten wollte7.

      Rechtsfolge dieses Verstoßes ist es, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin schadensersatzpflichtig ist. Zu einem eingetretenen Schaden hat die Klägerin aber nichts vorgetragen, so dass sie ihren Anspruch nicht darauf stützen kann.

    3. Auch aus § 285 BGB lässt sich die begehrte Zahlung nicht herleiten. Die Anwendung von § 285 BGB auf Arbeitsverhältnisse ist streitig8. Selbst wenn man von seiner Anwendbarkeit ausgeht9 fehlt es hier an einer Leistungsverpflichtung, von der der Beklagte nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen (§ 275 Abs. 3, § 326 Abs. 1 BGB) von der Pflicht zur Leistung frei wird. Die Leistungsverpflichtung des Beklagten entfiel nämlich nur deswegen, weil die Parteien dies durch die Freistellungsvereinbarung selbst so gewollt hatten.

      Der Beklagte schuldete nicht die Erbringung von Arbeitsleistung, sondern die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit. Die erzielte Vergütung hat er aber für seine Arbeitsleistung und nicht für den Verstoß gegen diese Unterlassungspflicht erhalten. Daher fehlt es auch an der Kongruenz zwischen dem „Gegenstand“, von dessen Leistung der Beklagte wegen (verschuldeter) Unmöglichkeit der Einhaltung des Wettbewerbsverbotes frei geworden ist und dem erhaltenen „Ersatz“, nämlich dem Arbeitslohn.

      Ein Anspruch aus § 285 BGB könnte sich nur dann ergeben, wenn die Vorschrift als umfassende Regelung eines Vorteilsausgleichs verstanden würde10. Aber auch dann würde seine Anwendung hier scheitern, weil die Vergütungsansprüche des Beklagten gegen seinen neuen Arbeitgeber keine Ersatzansprüche sind, sondern eine erbrachte Leistung, nämlich seine Arbeit, die er ansonsten wegen der Freistellung nicht hätte erbringen müssen.

      Zudem besteht hier kein Anlass zu einer Vorteilsausgleichung: Die Klägerin hat keinen messbaren Schaden erlitten und hätte auch, wenn der Beklagte sich korrekt verhalten hätte, ihm die Vergütung ohne Gegenleistung zahlen müssen. Demgegenüber hat sich der Beklagte einer Leistungsverpflichtung gegenüber seinem neuen Arbeitgeber unterworfen. Er musste Arbeitsleistung erbringen, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn er sich an das Wettbewerbsverbot gehalten hätte. Hier liegt gar keine Vermögensverschiebung zu Lasten der Klägerin vor.

      Auch hinsichtlich der vergleichbaren Situation einer verbotenen Erwerbstätigkeit während des Erholungsurlaubs entgegen § 8 BUrlG wird von der Rechtsprechung eine „Abschöpfung“ des verbotswidrig erzielten Verdienstes oder eine Anrechnung auf das Urlaubsentgelt abgelehnt11.

    Die Klägerin hat daher keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Herausgabe der bei der A 2 GmbH erzielten Vergütung. Der Hauptantrag ist daher unbegründet.

  • Auch die Hilfsanträge sind unbegründet. Sie sind der Sache nach darauf gerichtet, dass sich der Beklagte die bei der A 2 GmbH erzielte Vergütung auf die Ansprüche gegen die Klägerin anrechnen lässt bzw. zu viel gezahlte Vergütung zurückzahlt nach § 812 Abs. 1 BGB. Auch dazu fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
    1. Eine Anrechnung nach § 615 S. 2 BGB scheidet aus, weil sich die Vergütungsansprüche des Beklagten nicht aus Annahmeverzug der Klägerin ergeben, sondern unmittelbar aus der Vergütungsfortzahlungsvereinbarung bei unwiderruflicher Freistellung aus dem gerichtlichen Vergleich. Annahmeverzug würde demgegenüber voraussetzen, dass für den Beklagten noch Arbeitspflicht besteht, was gerade durch die Freistellung nicht mehr der Fall ist12.
    2. Auch lässt sich der gerichtliche Vergleich vom 01.12.2009 nicht dahin auslegen, dass die Parteien hier stillschweigend eine Anrechnung der Vergütung für den Fall eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot des § 241 Abs. 2 BGB vereinbart hätten. Das scheitert bereits daran, dass mit der Freistellung nach § 2 S.1 des Vergleiches auch die Urlaubsansprüche des Klägers erfüllt werden sollten. Ein wirksamer Vorbehalt der Anrechnung von Zwischenverdienst setzt voraus, dass der Urlaub hinsichtlich seines Beginns und seines Endes im Freistellungszeitraum festgelegt wird13. Das haben die Parteien hier gerade nicht gemacht, so dass eine konkludente Verrechnungsvereinbarung unzulässig wäre, weil sie der Erfüllung der Urlaubsansprüche entgegenstünde.
    3. Eine Anrechnung der erzielten Vergütung kommt auch nicht nach § 313 BGB in Betracht. Es handelt sich bei der verbotswidrigen Tätigkeit nicht um eine Störung der Geschäftsgrundlage der Freistellungsvereinbarung. Danach kann eine Partei eine Vertragsanpassung verlangen, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, oder wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

      Der Umstand, dass der Beklagte unerlaubte Tätigkeit für einen Konkurrenten erbracht hat, ist nicht Geschäftsgrundlage in diesem Sinne, sondern ein gesetzliches Verbot, gegen das er verstoßen hat. Hieraus folgen Schadensersatzpflichten, nicht aber ein Anspruch auf Vertragsanpassung des Inhaltes, dass doch eine Anrechnung erfolgt, die im vorliegenden Fall durch die dann nicht mehr gegebene Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht ohne weiteres angenommen werden kann.

      Auch soweit die Klägerin vorträgt, sie sei nicht zuletzt deshalb bereit gewesen, dem Beklagten Vergütung für die Monate Dezember 2009 und Januar 2010 ohne Arbeitsleistung zu zahlen, weil sie sich sicher glaubte, dass der Beklagte in dieser Zeit nicht auch noch einer Konkurrenztätigkeit nachgehen würde, berührt dies die Geschäftsgrundlage nicht. Ersten musste die Klägerin dem Beklagten Vergütung zahlen – sie hatte nur die Wahl, ob sie auf seine Arbeitsleitung verzichtet. Was sie getan hätte, wenn sie gewusst hätte, dass der Beklagte sie – aus ihrer Sicht – hintergeht, trägt sie selbst nicht vor. Ihre Handlungsalternative hätte dann darin bestanden, den Kläger nicht frei zu stellen – aber die Vergütungszahlung wäre jedenfalls nicht veränderbar gewesen.

    4. Ein Anspruch auf Anrechnung des Verdienstes bei der A 2 GmbH kommt auch nicht nach § 242 BGB in Betracht. Der Beklagte hat die Vergütung nicht durch treuwidriges Verhalten gegenüber der Klägerin erlangt, sondern in erster Linie dadurch, dass er Arbeitsleistung erbracht hat.

      Die entstandene Situation führt auch nicht zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis, wenn der Beklagte „doppelt kassiert“. Zum einen ist Zwischenverdienst grundsätzlich nicht anzurechnen gewesen, so dass die Klägerin bei einer nicht verbotenen Tätigkeit des Beklagten auch keine Möglichkeit gehabt hätte, den anderweitigen Verdienst anzurechnen Die Klägerin ist außerdem ausreichend gegen derartige Verstöße geschützt. Sie hat grundsätzlich ein Recht zur fristlosen Kündigung, sie kann Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn ihr auch zuzugeben ist, dass ein konkreter Schadenseintritt im Einzelfall schwer nachzuweisen ist, sie kann Vertragsstrafen vereinbaren und sie kann außerdem vereinbaren, dass derartig erzielter Verdienst anzurechnen ist, wenn gleichzeitig die konkreten Urlaubssprüche zeitlich genau bestimmt sind.

    Aus dem Grund sind auch die Hilfsanträge der Klägerin, unabhängig von der Frage der Richtigkeit der Berechnung, unbegründet und die Berufung ist auch hier zurückzuweisen.

  • Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12. September 2011 – 9 Sa 45/11

    1. BGH Urt. v. 20.02.1969 -VII ZR 101/67, NJW 1969, S. 880; 14.11.1984 – VIII ZR 228/83, NJW 1985, S. 862[]
    2. BAG, Urt. v. 15.02.1962 – 5 AZR 79/61[]
    3. BAG, Urt. v. 15.02.1962 – 5 AZR 79/61AP Nr. 1 zu § 61 HGB II.2.b) d. Gründe; MüKo – HGB / v. Hoyningen – Huene, § 60 Rn. 41[]
    4. BAG, Urt. v. 15.02.1962 – 5 AZR 79/61 II.1. der Gründe[]
    5. BAG Urt. v. 24.03.2010 – 10 AZR 66/09[]
    6. dazu BAG Urt. v. 19.03.2002 – 9 AZR 16/01, NZA 2002, 1055[]
    7. BAG Urt. v. 06.09.2006 – 5 AZR 703/05, Rn 22, NZA 2007, 36[]
    8. MüKo BGB/Emmerich, § 285 rn 5 m.w.N[]
    9. dazu Löwisch, NJW 2003, S. 2049; Staudinger/Löwisch/Caspers, BGB 2009, § 285 Rn. 24[]
    10. Staudinger/ Löwisch/Caspers, BGB 2009, § 285 Rn. 3ff[]
    11. BAG Urt. v. 25.02.1988 – 8 AZR 596/85[]
    12. BAG Urt. v. 23.01.2001 – 9 AZR 26/00, AP Nr. 93 zu § 615 BGB; Urt. v. 19.03.2002 – 9 AZR 16/01 NZA 2002, 1055 Rn. 29[]
    13. BAG Urt. v. 19.03.2002 – 9AZR 16/01 NZA 2002, 1055 Rn. 39[]
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