VBL-Startgutschriften – und die Ausbildungszeiten

Die von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder infolge ihrer Systemumstellung für so genannte rentenferne Versicherte erteilten Startgutschriften sind auch nach der Überprüfung nach den Regeln der 17. Änderung der VBL-Satzung nicht verbindlich. Das mit der Änderung eingeführte Vergleichsmodell beseitigt die vom Bundesgerichtshof in dessen Urteil vom 14.11.20071 festgestellte Ungleichbehandlung von Versicherten mit berufsnotwendig langen Ausbildungszeiten nicht. Die Unverbindlichkeit führt derzeit noch nicht dazu, dass die betroffenen Versicherten nach den vor der Systemumstellung geltenden Regeln zu behandeln sind; vielmehr ist den Tarifvertragsparteien (erneut) Gelegenheit zu geben, eine verfassungskonforme Übergangsregelung zu schaffen.

VBL-Startgutschriften – und die Ausbildungszeiten

Nachdem die Startgutschriften bereits aus diesem Grunde unverbindlich sind, hat es das Oberlandesgericht Karlsruhe vorliegend ausdrücklich offen gelassen, ob die Anwendung des so genannten Näherungsverfahrens für die Ermittlung der anzurechnenden Rente zulässig ist.

Die Übergangsregelung verletzt den Arbeitnehmer nicht in seinem Grundrecht auf Eigentum.

Grundsätzlich sind unverfallbare Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung eigentumsrechtlich geschützt. Der eigentumsrechtliche Schutz reicht allerdings nur soweit, wie Ansprüche bereits bestehen; er verschafft diese selbst aber nicht. Das Grundrecht auf Eigentum schützt daher auch unverfallbare Anwartschaften, wenn auch nicht in einer konkreten Höhe. Waren die klägerischen unverfallbaren Anwartschaften auf eine dynamische Versorgungsrente nicht in einer bestimmten Höhe geschützt, konnten sie folglich im Wege der Systemumstellung geändert werden – auch wenn damit regelmäßig eine Verringerung einhergehen sollte. Eine darüber hinausgehende eigentumsrechtlich bedenkliche Entwertung des Beschäftigtenanteils an den geleisteten Beiträgen und Umlagen ist mit der Systemumstellung nicht verbunden2. Folglich haben sowohl das Bundesverfassungsgericht2 als auch der Bundesgerichtshof die Einbeziehung von Anwartschaften nach dem BetrAVG in den Schutzbereich des Artikel 14 Absatz 1 GG verneint, soweit diese nicht bis zum Umstellungsstichtag unverfallbar geworden sind3. Mangels Eröffnung des Schutzbereiches von Art. 14 Absatz 1 GG kommt es daher insoweit nicht auf die Frage an, ob die Höhe der erteilten Startgutschrift in einem besonders hohen Maße hinter der Anwartschaft nach altem Recht zurückbleibt.

Nichts anderes ergibt sich aus europarechtlichen Vorgaben. Auch nach Artikel 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK sind Anwartschaften auf Ruhegehälter im öffentlichen Dienst nicht der Höhe nach geschützt4. Dass Artikel 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union über den Regelungsgehalt der Eigentumsgarantie des Artikel 14 Absatz 1 GG – jedenfalls im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Anwartschaften – hinausgeht, ist nicht ersichtlich.

In der aufgrund der am 03.01.2003 veröffentlichten neuen Satzung der Versorgungsanstalt ist keine Verletzung des in Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 20 Absatz 3 GG verankerten Rückwirkungsverbots zu sehen5.

Das sich aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 GG ergebende Gebot der Normenklarheit steht einer Anwendung der Übergangsregelungen nicht entgegen. Komplex wird die Ermittlung von Anwartschaften erst durch den Verweis auf die alte Satzung, die wiederum komplex, aber nicht verfassungswidrig ist und auch für die Zukunft abgelöst wird6. Trotz der weiteren Erhöhung der Komplexität durch die Einführung des § 79 Absatz 1a VBLS n. F. geht das Oberlandesgericht davon aus, dass die Grenzen der Verständlichkeit für den maßgeblichen durchschnittlichen Arbeitnehmer noch nicht erreicht sein dürften. Eine weitere Zunahme der Komplexität der Norm dürfte aber erhebliche Zweifel an der Normklarheit begründen.

Es ist aus Gleichheitsgründen nicht von vornherein geboten, jedem Versicherten einen Zuschlag zu der bei der Systemumstellung errechneten Startgutschrift zu gewähren. Der Bundesgerichtshof hat den Tarifvertragsparteien – unter Berücksichtigung des aufgrund Artikel 9 Absatz 3 GG bestehenden weiten Gestaltungsspielraums – aufgegeben, die Übergangsvorschriften neu zu regeln7. Welchen Weg sie hierbei wählen, bleibt ihnen überlassen.

Dass die VBL in denjenigen Fällen, in denen die Überprüfungsberechnung zu einer höheren Startgutschrift geführt hat, einen Zuschlag ausgewiesen hat (vgl. § 78 Absatz 4 VBLS), ist nicht bereits aus formellen Gründen zu beanstanden. Zwar sind die ursprünglich erteilten Startgutschriften für unverbindlich erklärt worden. Die Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien und die ihr folgende Satzungsänderung der VBL sind indes ohne weiteres so zu verstehen, dass die Startgutschriften – je nach Ergebnis der Überprüfung mit oder ohne Zuschlag – nach Durchführung der nach Auffassung der VBL ausreichenden Nachbesserung der Satzung wieder für verbindlich erklärt werden sollten.

Die Übergangsregelung ist aber weiterhin mit dem Gleichheitsgrundrecht nicht vereinbar. Der Bundesgerichtshof8 hat die frühere Übergangsregelung der VBL für ihre rentenfernen Versicherten als mit Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar erklärt, weil das Berechnungsmodell infolge der Inkompatibilität beider Faktoren zahlreiche Versicherte vom Erreichen des 100%-Wertes ohne ausreichenden sachlichen Grund von vornherein ausschließe; das hat er im Wesentlichen damit begründet, dass sich der die Funktion eines Unverfallbarkeitsfaktors übernehmende Multiplikator des § 18 Absatz 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG nicht nach der erreichten gesamtversorgungsfähigen Zeit, sondern lediglich nach der Zahl der Pflichtversicherungsjahre richte, gesamtversorgungsfähige Zeit und Pflichtversicherungsjahre indes deutlich voneinander abweichen könnten.

Das Oberlandesgericht versteht die Ausführungen des Bundesgerichtshofs dahin, dass das bisherige Übergangsrecht einer Überprüfung am Maßstab des Gleichheitsgrundrechts nicht standhält, weil auch Versicherte, die nach ihrer Schulentlassung eine für den angestrebten Beruf notwendige Ausbildung sofort begonnen und zügig abgeschlossen, sodann eine zusatzversorgungspflichtige Beschäftigung aufgenommen und bis zur Systemumstellung fortgesetzt haben, keine Startgutschrift erhalten, mit der sie den 100%-Wert noch erreichen könnten und sie insoweit ohne rechtfertigenden Grund anders behandelt werden als Versicherte, auf die diese Annahmen nicht zutreffen, die also etwa unmittelbar nach Schulentlassung eine duale Ausbildung im öffentlichen Dienst begonnen haben. Anders gewendet lag bisher eine Regelung vor, bei der wesentlich Gleiches – nämlich Treue zum öffentlichen Dienst von der Schulentlassung bis zur Systemumstellung – bei der Ermittlung der Startgutschriften ungleich behandelt wurde, abhängig davon, wie lange die – von der Ausbildungsdauer abhängige – Zeit der Berufstätigkeit war.

Weiterlesen:
Das ausgegliederte städtische Krankenhaus - und die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD/VKA

Der so verstandene strukturelle Mangel wird durch das mit § 79 Absatz 1a VBLS n. F. eingeführte Vergleichsmodell – schon unter Zugrundlegung des eigenen Vorbringens der VBL, nicht behoben, so dass es der Erhebung eines Sachverständigengutachtens nicht bedarf9.

Die Anwendung des § 2 Absatz 1 BetrAVG führt zu den im Urteil des Bundesgerichtshofs10 beschriebenen Ungereimtheiten. Allerdings hat die durch § 79 Absatz 1a Nr. 1 Satz 1 VBLS n. F. eingeführte Berechnung entsprechend § 2 Absatz 1 Satz 1 BetrAVG zunächst zur Folge, dass zumindest bei der Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen des Vergleichsmodells eine Berechnung mit kompatiblen Faktoren vorgenommen wird, weil sowohl im Zähler als auch im Nenner der Formel mit Pflichtversicherungszeiten – im Zähler mit der Zeit vom Beginn der Pflichtversicherung des Betroffenen bis zum Systemwechsel, im Nenner mit der Zeit vom Beginn der Pflichtversicherung des Betroffenen bis zum regelmäßigen Renteneintritt – gerechnet wird. Die Regelung hat auch – wie das Landgericht zu Recht hervorgehoben hat – im Schwerpunkt einen Zuschlag bei solchen Arbeitnehmern zur Folge, die nach dem vollendeten 25. Lebensjahr in den öffentlichen Dienst eingetreten sind. Das ist der Systematik des von der Satzung in Bezug genommenen § 2 Absatz 1 BetrAVG geschuldet, der die bei gleichem Lebensalter kürzere Pflichtversicherungszeit des später einsteigenden Versicherten ins Verhältnis zu der insgesamt erreichbaren Pflichtversicherungszeit setzt.

Das Vergleichsmodell führt jedenfalls in seiner konkreten Ausgestaltung nicht zur Behebung des vom Bundesgerichtshof festgestellten Mangels der Übergangsregelung, weil es nur dann und nur insoweit angewendet wird, als es zu einem um mindestens 7, 5 Prozentpunkte höheren Vomhundertsatz führt als die Berechnung nach dem bisher ausschließlich angewendeten Modell nach § 18 Absatz 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG. Dies hat zur Folge, dass weiterhin eine relevante und abgrenzbare Gruppe Versicherter ohne rechtfertigenden Grund vom Erreichen des 100%-Wertes ausgeschlossen ist.

Das Landgericht Karlsruhe11 geht in seiner Beurteilung des neuen Übergangsrechts davon aus, dass es unbeachtlich sei, wenn durch die Neuregelung nicht jede Ungleichbehandlung im Einzelfall beseitigt sein sollte; vielmehr sei auf die generellen Auswirkungen der Regelungen abzustellen. Dem folgt das Oberlandesgericht Karlsruhe im rechtlichen Ausgangspunkt, geht aber anders als das Landgericht davon aus, dass weiterhin eine relevante und abgrenzbare Gruppe von Personen ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandelt wird. So sind alle Versicherten der Jahrgänge 1961 und jünger sowie alle Versicherten ab dem Jahrgang 1948, die mit 25 Jahren oder jünger bei der VBL versichert wurden, aufgrund des bei der Vergleichsbetrachtung vorgesehenen Abzugs von 7, 5 Prozentpunkten von vornherein von einem Zuschlag ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus einfachen rechnerischen Erwägungen und wird im Übrigen auch durch die von der VBL vorgelegte Beispielsrechnung bestätigt. Bereits die von der VBL als Anlage B 1 vorgelegte „Übersicht zu den bis zum Rentenbeginn mit vollendetem 65. Lebensjahr erreichbaren Anwartschaften der Jahre 1947 bis 1961“ zeigt, dass Versicherte der dort genannten Jahrgänge 1959 bis 1961 in den berechneten Beispielsfällen eine Verbesserung nicht erfahren, weil das Vergleichsmodell nicht angewendet wird. Das ist auf die Anwendung des Abzugsfaktors von 7, 5 Prozentpunkten zurückzuführen. Die von der VBL vorgelegte Tabelle zeigt, dass der entsprechend § 2 BetrAVG ermittelte Vomhundertsatz für die Jahrgänge 1959 bis 1961 vor Abzug von 7, 5 Prozentpunkten höher ist als der nach § 18 BetrAVG ermittelte Vomhundertsatz.

Dass ein Zuschlag für alle Angehörigen des Jahrgangs 1961 und jünger nicht zu erreichen ist, zeigt die folgende – auf ganzen Jahren basierende und damit gewisse Unschärfen hinnehmende – Beispielsrechnung. Ein dem Jahrgang 1961 angehörender Versicherter, der mit 28 Jahren und damit 1989 in den öffentlichen Dienst eingetreten ist, erhält gemäß § 18 Absatz 2 Ziff. 1 BetrAVG eine Startgutschrift in Höhe von 27 Prozent (= 12 Jahre x 2, 25%). Der Unverfallbarkeitsfaktor gemäß § 2 Absatz 1 BetrAVG beträgt12 32, 43 Prozent. Der gemäß § 79 Absatz 1a Ziff. 2 VBLS geforderte Schwellenwert von 7, 5 Prozentpunkten wird nicht erreicht. Auch ein Versicherter des Jahrgangs 1961, der mit 25 Jahren in den öffentlichen Dienst eingetreten ist, erreicht gemäß § 18 Absatz 2 BetrAVG bei Systemwechsel zwar eine um 6, 75 Prozentpunkte höhere Anwartschaft13, der Unverfallbarkeitsfaktor beträgt in diesem Falle 15/40 also 37, 5 Prozent. Auch hier wird der Schwellenwert nicht erreicht. Selbst ein von der Vergleichsberechnung gemäß § 2 Absatz 1 BetrAVG strukturell begünstigter „älterer Späteinsteiger“, der bei der VBL erstmals mit 30 Jahren versichert wurde und der dem Jahrgang 1961 angehört, kann den Schwellenwert nicht erreichen (§ 18 Absatz 2 BetrAVG: 22, 5 Prozent und Unverfallbarkeitsfaktor von 28, 57 Prozent).

Weiterlesen:
TVöD-Jahressonderzahlung - und der Pfändungsschutz

Dass es sich bei den ausbildungsbedingt später eintretenden Versicherten der Jahrgänge 1961 und jünger um eine größere, abgrenzbare Gruppe von Betroffenen handelt, liegt auf der Hand. Die von der VBL vorgelegte Anlage B 2 zeigt, dass allein für ab dem vollendeten 23. Lebensjahr eintretende Versicherte der Jahrgänge 1961 bis 1978 mehr als 450.000 Startgutschriften erteilt wurden, von denen zahlreiche14 Versicherte mit berufsnotwendig langer Ausbildung betroffen sind.

Auch für eine weitere abgrenzbare und zahlenmäßig nicht zu vernachlässigende Gruppe, nämlich die Gruppe derjenigen rentenfernen Versicherten, die mit unter 25 Jahren erstmals versichert wurden, verbleibt es – unabhängig von Einkommen und jedenfalls für alle Angehörigen der Jahrgänge ab 1948 – bei der bisherigen Startgutschrift, da die gemäß § 79 Absatz 1 a Ziff. 2 Satz 1 VBLS erforderliche Differenzschwelle von 7, 5 Prozentpunkten bereits rechnerisch nicht zu erreichen ist. Dies ist Folge der strukturellen Begünstigung eines höheren Eintrittsalters durch die Berechnung gemäß § 2 Absatz 1 BetrAVG15. Je älter ein rentenferner Versicherter bei Einstieg in das System der VBL war, umso eher wird der Abstandsschwellenwert von 7, 5 Prozentpunkten erreicht, da ein Vergleich der für ältere Späteinsteiger strukturell günstigen Berechnung gemäß § 2 Absatz 1 BetrAVG mit der mit dem späteren Einstiegsalter zwingend einhergehenden geringeren Anzahl von Pflichtversicherungsjahren bis zum Systemwechsel – und damit einem niedrigen Wert bei der Berechnung gemäß § 18 Absatz 2 Ziff. 1 BetrAVG – zu einer großen Differenz führt.

Dieser in der Vergleichsberechnung strukturell – unabhängig vom Einkommen – angelegte Mechanismus führt dazu, dass der geforderte Schwellenwert mit niedrigerem Einstiegsalter – auch von älteren rentenfernen Versicherten – nicht erreicht werden kann. Dies zeigt das folgende – mit vollen Jahren rechnende und damit gewisse Unschärfen hinnehmende – Berechnungsbeispiel:

Für einen Versicherten des Jahrgangs 1948, der mit 25 Jahren, also 1973, bei der VBL zusatzversichert wurde, errechnet sich gemäß § 79 Absatz 1a VBLS i. V. m. § 18 Absatz 2 Ziff. 1 BetrAVG für die bis zur Systemumstellung erreichten 28 Jahre Pflichtversicherungszeiten ein Vomhundertsatz von 63 Prozent (= 28 x 2, 25%). Der Unverfallbarkeitsfaktor gemäß § 2 Absatz 1 BetrAVG beträgt – bei einer gerundeten Rechnung auf volle Jahre – 70 Prozent (= 28 – Jahre bis Systemwechsel /40 – Jahre bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs). Der in § 79 Absatz 1a VBLS festgelegte Schwellenwert wird nicht erreicht. Dieser Befund ergibt sich für die mit 25 Jahren eintretenden Versicherten aller Jahrgänge ab 1948. Ein Einstieg im Alter von 25 Jahren dürfte für die in der Ausgangsentscheidung des Bundesgerichtshofs in den Blick genommen Versicherten mit längerer Ausbildungsdauer geradezu typisch sein. Bei fast allen Pflichtversicherten mit einem Eintrittsalter von höchstens 25 Jahren bleibt es damit bei der Berechnung gemäß § 18 Absatz 2 BetrAVG. Die im Alter von 21 bis 25 Jahren in den öffentlichen Dienst eintretenden Versicherten können nicht über die Regelung des § 18 Absatz 2 BetrAVG eine Vollversorgung erreichen, da sie – im Unterschied zu den mit 20 Jahren und darunter erstmals Versicherten – 44, 44 Pflichtversicherungsjahre bis zum 65. Lebensjahr nicht erreichen können.

Auch bei denjenigen Versicherten, die nach Vollendung des 20., aber vor Vollendung des 25. Lebensjahrs erstmals versichert wurden, handelt es sich um eine abgrenzbare und relevante Gruppe.

Für mit höherem Lebensalter in den öffentlichen Dienst einsteigende Versicherte gilt der bereits dargestellte und auch aus der Anlage B 1 ablesbare Befund, dass nämlich mit sinkendem Eintrittsalter nur ältere Jahrgänge den Schwellenwert erreichen können. Wie viele Jahrgänge jeweils überhaupt den Schwellenwert erreichen können, hängt aufgrund der rechnerischen Systematik des § 2 Absatz 1 BetrAVG, die ältere Späteinsteiger begünstigt, wiederum vom Einstiegsalter ab. Je höher das Einstiegsalter ist, umso eher wird der Schwellenwert der Vergleichsberechnung erreicht.

Es lässt sich schließlich auch nicht feststellen, dass für die betroffenen Versicherten die Anforderungen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits nach dem bisherigen Modell und für sie wegen Nichtanwendung des Vergleichsmodells bereits durch die Anwendung des § 18 BetrAVG erfüllt waren. (Auch) für diese Jahrgänge gilt, dass das bisherige Modell der Übergangsregelung unter Gleichbehandlungsgrundsätzen untauglich ist, weil inkompatible Faktoren bei der Berechnung der Startgutschrift eingesetzt werden. Die VBL weist zwar – wie oben ausgeführt – zu Recht darauf hin, dass der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnommen werden kann, dass jedem Späteinsteiger grundsätzlich ein Zuschlag zur bisherigen Startgutschrift zu gewähren sei. Daraus folgt aber umgekehrt nicht, dass es zulässig wäre, bestimmte Jahrgangsgruppen und Versicherte mit einem bestimmten – typischerweise ausbildungsbedingt verzögerten – Einstiegsalter eine systematisch stimmige Berechnung der Startgutschrift von vornherein zu verweigern. In diesem Zusammenhang ist es auch kein rechtfertigender Grund, dass es dem betroffenen Teil jüngerer rentenferner Versicherter leichter als den älteren Betroffenen fallen würde, Versorgungslücken durch eigene Anstrengungen, etwa den Aufbau einer Altersversorgung nach privatem Versicherungsrecht, auszugleichen. Derartige Überlegungen können es rechtfertigen, insgesamt in das Betriebsrentenniveau jüngerer Versicherter stärker einzugreifen als in dasjenige älterer Versicherter. Sie erlauben es aber nicht, für eine nicht kleine Gruppe – derjenigen der rentenfernen Versicherten mit langen Ausbildungszeiten – die Startgutschriften nach einem systematisch nicht konsistenten Modell zu berechnen.

Weiterlesen:
Heimarbeit - und die Entgeltsicherung in der Kündigungsfrist

Soweit die VBL meint, dass bei der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht allein die jeweiligen Startgutschriften zu vergleichen seien, sondern dass vielmehr die bei Eintritt in das Rentenalter bestehenden Anwartschaften (aus Startgutschriften und nach der Systemumstellung erworbenen Versorgungspunkten) und die sich hieraus ergebende Zusatzrente verglichen werden müssten, so geht dies fehl.

In seiner Entscheidung vom 25.09.201316 hatte der Bundesgerichtshof die Frage aufgeworfen, ob die von dem Arbeitnehmer behauptete und durch ein Beispiel auch belegte Ungleichbehandlung zwischen der Gruppe der rentennahen Versicherten mit berufsständischer Grundversorgung und der Gruppe der rentenfernen Versicherten mit berufsständischer Grundversorgung möglicherweise deshalb nicht zu einer gegen Artikel 3 Absatz 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung führt, weil nur eine kleine Gruppe, nämlich diejenige der „rentennäheren rentenfernen“ Versicherten im Ergebnis eine Besserstellung erfahren würde oder weil der behauptete Vorteil der Gruppe der rentenfernen Versicherten mit berufsständischer Zusatzversorgung gegenüber der Gruppe der rentennahen Versicherten mit berufsständischer Zusatzversorgung möglicherweise durch andere mit der Systemumstellung einhergehende Nachteile „kompensiert“ wird.

Hier geht es jedoch um die Frage, ob durch die von den Tarifvertragsparteien beschlossene und mit der Neufassung des § 79 VBLS umgesetzte Satzungsänderung der vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGHZ 174, 127 Tz. 122 ff. festgestellte Verfassungsverstoß beseitigt wurde. Der Bundesgerichtshof hatte gerügt, dass viele Versicherte – gerade die ausbildungsbedingt später in den öffentlichen Dienst Eintretenden – ohne sachlichen Grund infolge der Inkompatibilität der gewählten Berechnungsfaktoren vom Erreichen der Vollversorgung von vornherein ausgeschlossen sind17. Bei diesem Befund bleibt es für eine Vielzahl der rentenfernen Versicherten, die aufgrund ihrer – vergleichsweise längeren – Ausbildung erst zu einem späteren Zeitpunkt zusatzversicherungspflichtig werden. Betroffen sind im Übrigen auch ältere rentenferne Jahrgänge ab 1948, sofern ihr Einstiegsalter bei 25 Jahren und darunter liegt.

Der systematische und einen Gleichheitsverstoß begründende Fehler ist darin zu sehen, dass Versicherte, die nach ihrer Schulentlassung eine für den angestrebten Beruf notwendige Ausbildung sofort begonnen und zügig abgeschlossen, sodann eine zusatzversorgungspflichtige Beschäftigung aufgenommen und bis zur Systemumstellung fortgesetzt haben, keine Startgutschrift erhalten, mit der sie den 100%-Wert noch erreichen könnten und sie insoweit ohne rechtfertigenden Grund anders behandelt werden als Versicherte, auf die diese Annahmen nicht zutreffen, die also etwa unmittelbar nach Schulentlassung eine duale Ausbildung im öffentlichen Dienst begonnen haben. Den ausbildungsbedingt später Einsteigenden wird damit im Verhältnis zu der Gruppe der jünger in den öffentlichen Dienst eintretenden – ohne rechtfertigenden Grund – eine ihrer bis zur Systemumstellung erbrachten Lebensarbeitsleistung entsprechende Startgutschrift versagt. Dieser der Berechnung gemäß § 79 Absatz 1 VBLS i. V. m. § 18 Absatz 2 BetrAVG innewohnende Gleichheitsverstoß bleibt für eine Vielzahl von ausbildungsbedingt später Einsteigenden nach wie vor erhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch demjenigen rentenfernen Versicherten, der kurz nach der Systemumstellung das Zusatzversorgungsystem verlässt, ein angemessener Anteil an seinen bis dahin erwirtschafteten Anwartschaften verbleiben muss.

Auf die von der VBL unter Hinweis auf die Entscheidungen des Landgerichts Berlin sowie im Hinblick auf eine Schrift von Fischer/Siepe18 aufgeworfene Frage, ob Nachteile jüngerer Jahrgänge bei den Startgutschriften im Verhältnis zu den Startgutschriften älterer Jahrgänge durch nach der Systemumstellung erworbene Versorgungspunkte ausgeglichen werden, kommt es nicht an. Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang erwogen, dass die von der VBL geleistete Rente bei den jüngeren rentenfernen Versicherten stärker als bei den älteren Mitgliedern dieser Personengruppe von den nach der Systemumstellung erworbenen Versorgungspunkten geprägt wird und der Startgutschrift daher für deren Rentenberechnung ein verhältnismäßig geringeres Gewicht zukommt. Das rechtfertigt es aber nicht, ihnen für die Zeit vom Beginn der Pflichtversicherung bis zur Systemumstellung eine gleichheitsgemäße Startgutschrift zu versagen, also eine solche, die den Umstand berücksichtigt, dass der Pflichtversicherungseintritt für einen bestimmten Personenkreis wegen berufsbedingter Ausbildungszeiten hinausgeschoben ist.

Zudem geht selbst aus der von der VBL zum Beleg dieser These vom Ausgleich eines Nachteils bei der Startgutschrift durch nach der Systemumstellung erworbene Anwartschaften vorgelegten Unterlage nicht hervor, dass durch die nach der Systemumstellung erworbenen Anwartschaften die Voll-Leistung in Höhe von 70 Prozent des Bruttogehaltes oder 91, 75 Prozent des Nettogehaltes erreicht werden kann. Die Verwendung der von der VBL in der Anlage B 1 angeführten „Hochrechnung“, gebildet aus dem Beispiel von Hebler ZTR 2011, 534, 536, begegnet zudem grundlegenden Bedenken. Diese betreffen sowohl die Wahl eines Eintrittsalters von 30 Jahren, die Wahl eines deutlich unter dem Durchschnitt liegenden Nettoeinkommens und die Heranziehung eines fiktiven, nicht zum angenommenen Nettoeinkommen passenden Wertes bei der gesetzlichen Rente19.

Weiterlesen:
Beschäftigungspflicht und Weisungsrecht

Soweit die Tarifvertragsparteien zu der Beurteilung gekommen sind, eine Differenz von 7, 5 Prozentpunkten „noch als angemessen“ anzusehen20, rechtfertigt dies die Regelung nicht.

Zwar sind die Grundsätze, die für die Überprüfung von Gesetzen am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes entwickelt worden sind, auf die Kontrolle von Tarifverträgen nicht vollständig übertragbar, weil der Einschätzungsprärogative und den Beurteilungs- und Bewertungsspielräumen der Tarifvertragsparteien Rechnung getragen werden muss21. Das erlaubt es den Tarifvertragsparteien aber nicht, einen – wie hier – bereits in einem gerichtlichen Verfahren festgestellten Gleichheitsverstoß nur für einen Teil des betroffenen Personenkreises und für diesen nur mit Einschränkungen zu korrigieren.

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann auch nicht entnommen werden, dass ein gewisser Abschlag – den die Tarifvertragsparteien auf 7, 5 Prozentpunkte festgelegt haben – auf die errechenbare Höchstversorgung hinzunehmen sei. Der Bundesgerichtshof hat gefordert, dass das System der Berechnung der Anwartschaften so ausgestaltet sein müsse, dass auch ein wegen berufsnotwendiger Ausbildung später einsteigender Zusatzversicherter – bei Hochrechnung des Systems – die Vollversorgung erreichen kann22. Er hat in diesem Zusammenhang beanstandet, dass das frühere Berechnungsmodell für die Startgutschriften dazu führte, dass Arbeitnehmer mit längeren Ausbildungszeiten „überproportionale“ Abschläge hinnehmen müssten. Er hat damit einen Vergleich zwischen den Arbeitnehmern mit längerer Ausbildungszeit und solchen Versicherten hergestellt, auf die dieses Merkmal nicht zutrifft. Als überproportional – also vom gleichen Verhältnis abweichend23 – ist demnach jeder Abschlag anzusehen, der Arbeitnehmer mit längeren Ausbildungszeiten stärker in ihrer Chance beschneidet, eine Vollversorgung zu erreichen als die Vergleichsgruppe. Dem Wort „überproportional“ lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass die überverhältnismäßigen Eingriffe (lediglich) vermindert werden müssen, aber dem Grunde nach erhalten bleiben dürfen.

Ein Abschlag von 7, 5 Prozentpunkten lässt sich – wenn man zur Berechnung der Startgutschrift das Vergleichsmodell wählt – auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, dass dieser nicht zu einer einseitigen Belastung der Versicherten mit längeren Ausbildungszeiten, sondern aller Versicherter führe. Zwar ist im Ansatzpunkt richtig, dass der Abzug bei allen Vergleichsberechnungen nach dem neuen Übergangsrecht vorgenommen wird und nicht nur bei den Angehörigen derjenigen Gruppe, deren Benachteiligung der Bundesgerichtshof festgestellt hatte. Darauf kommt es bei der Kontrolle des neuen Satzungsrechts aber auch nicht entscheidend an, sondern darauf, ob das eingeführte Vergleichsmodell trotz des Abzugs von 7, 5 Prozentpunkten noch geeignet ist, die vorherige Ungleichbehandlung zu beseitigen. Das ist aus den oben näher ausgeführten Gründen nicht der Fall.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht24 kann ein bei der Prüfung des Gleichheitsgrundrechts zu berücksichtigender zulässiger Differenzierungsgrund auch in der Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung, Generalisierung und Pauschalierung von Sachverhalten liegen. Die damit verbundene Belastung ist hinzunehmen, wenn sie nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Bei der Prüfung der Intensität des Verstoßes sind auf der einen Seite die Belastung des Betroffenen, auf der anderen die mit der Typisierung verbundenen Vorteile zu berücksichtigen, insbesondere die Verwaltungserfordernisse. Die VBL hat bei der Reform des Übergangsrechts für die rentenfernen Versicherten ein Modell gewählt, das keine individuellen Feststellungen erfordert, ob ein Versicherter aufgrund berufsnotwendig langer Ausbildung nur kurze Pflichtversicherungszeiten bis zur Systemumstellung zurückgelegt hatte. Verwaltungserfordernisse rechtfertigen es aber nicht, ein Vergleichsmodell zu wählen, das von vornherein eine größere und abgrenzbare Gruppe von Versicherten mit berufsbedingt längeren Ausbildungszeiten nicht erfasst.

Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall eine Härtefallregelung in Betracht zu ziehen ist. Grundsätzlich bringt jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich, die unter den Voraussetzungen für eine am Maßstab des § 242 BGB orientierte, korrigierende Einzelfallentscheidung auszugleichen sind25. Allerdings liegen die Voraussetzungen für eine solche Härtefallprüfung zumindest derzeit nicht vor. Ausgangspunkt für eine solche Prüfung wäre ein wirksames Übergangsrecht für rentenferne Versicherte. Nur auf der Grundlage einer bestehenden Satzungsregelung kann festgestellt werden, ob ein Versicherter aufgrund außergewöhnlicher Umstände einer besonderen Härte ausgesetzt ist. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so kann kein Vergleichsmaßstab ermittelt werden, den es möglicherweise zu korrigieren gälte. Da die Übergangsregelung für rentenferne Versicherte, die wegen berufsnotwendiger Ausbildung später in den öffentlichen Dienst eingestiegen sind, weiterhin nicht den Anforderungen des Artikel 3 Absatz 1 GG entspricht, muss eine Einzelfallprüfung derzeit unterbleiben.

Der Mangel der Übergangsregelung führt – entsprechend dem Hilfsantrag – dazu, dass die von der VBL erteilte Startgutschrift für unverbindlich zu erklären ist; auf eine Rentenberechnung nach dem Satzungsrecht vor der Systemumstellung – wie mit dem Hauptantrag verlangt – besteht dagegen derzeit noch kein Anspruch.

Weiterlesen:
Urlaub und Elternzeit

Die Unwirksamkeit der Übergangsregelung hat nicht zur Folge, dass der frühere Tarifvertrag und die darauf aufbauenden Satzungsbestimmungen der VBL weiterhin anzuwenden sind. Das Oberlandesgericht hält nicht den gesamten Tarifvertrag, auf dem die Systemumstellung der VBL beruht, für unwirksam, sondern nur Teile der Übergangsregelungen für rentenferne Versicherte. Ob dies insgesamt zur Nichtigkeit führt, ist nach der Vorschrift des § 139 BGB zu beurteilen26. Hier ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien von der Systemumstellung nicht insgesamt abgesehen hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit von Teilen der für die ursprünglich rentenfernen Jahrgänge getroffenen Übergangsregelung bewusst gewesen wäre. Es hätte nicht im Interesse der Tarifvertragsparteien gelegen, in diesem Falle das von ihnen für notwendig erachtete Konzept der Umgestaltung der betrieblichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst vollständig scheitern zu lassen.

Das Oberlandesgericht sieht einen Grund für die Unwirksamkeit der neuen Übergangsregelung darin, dass von dem in entsprechender Anwendung des § 2 Absatz 1 BetrAVG ermittelten Faktor 7, 5 Prozentpunkte abgezogen werden. Das rechtfertigt es aber nicht, die Übergangsregelung unter Wegfall dieses Abzugs aufrechtzuhalten. Zwar gilt das Verbot geltungserhaltener Reduktion nach § 310 Absatz 4 Satz 1 BGB nicht für Tarifverträge und damit auch nicht für die Satzung der VBL, soweit sie – wie hier – Tarifrecht umsetzt27. Der Wegfall des Abzugsfaktors unter Aufrechterhaltung des Vergleichsmodells im Übrigen hätte aber zur Folge, dass auch eine Reihe von Versicherten bessergestellt würde, für die dies zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht geboten war28. Insoweit ist den Tarifvertragsparteien Gelegenheit zu geben, eine Lösung zu suchen, die zielgenau, aber auch umfassend den vom Bundesgerichtshof festgestellten strukturellen Mangel beseitigt.

Der verfassungsrechtlich geschützte Anspruch auf Justizgewährung, der im Sinne praktischer Konkordanz mit der durch Artikel 9 Absatz 3 GG geschützten Tarifautonomie zum Ausgleich zu bringen ist29, gebietet eine gerichtlich gestaltende Regelung des Übergangsrechts – noch – nicht.

Die Tarifvertragsparteien haben weiterhin verschiedene Möglichkeiten, die Ungleichbehandlung von Versicherten mit längeren Ausbildungszeiten bei der Berechnung der Startgutschriften auszugleichen. Es ist – noch – nicht geboten, in deren Auswahlermessen etwa dadurch einzugreifen, dass eine individuelle Berechnung der Startgutschrift unter konkreter Berücksichtigung von Ausbildungszeiten ohne Pauschalierungsmöglichkeiten angeordnet wird. Zwar ist seit der Systemumstellung mittlerweile so viel Zeit vergangen, dass von „rentenfernen“ Personen nur noch mit Blick auf den rechtlich allerdings maßgeblichen Stichtag der Systemumstellung gesprochen werden kann. Angesichts der Komplexität der Materie, der finanziellen Auswirkungen der Neuregelung und der Anzahl möglicher Neuregelungen kann aber eine gestaltende gerichtliche Neuregelung nicht vorgenommen werden. Eine dritte Nachbesserungsmöglichkeit der Tarifvertragsparteien oder eine nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss erneute mehrjährige Prüfungsphase bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung müssten die Versicherten indes nicht hinnehmen.

Der Bundesgerichtshof hatte in seinen Erwägungen zu der Frage, ob bereits eine gerichtliche Übergangsregelung angezeigt oder diese den Tarifvertragsparteien zu überlassen sei, unter anderem darauf hingewiesen, dass das Interesse an alsbaldiger Klärung bei den rentenfernen Versicherten weniger stark zu gewichten sei als bei rentennahen Versicherten30. Diese Überlegung vermag mittlerweile nur noch eingeschränkt Geltung zu beanspruchen, weil die ersten zum Zeitpunkt der Systemumstellung als „rentenfern“ bezeichneten Jahrgänge das Rentenalter erreicht haben und dies für weitere Jahrgänge bevorsteht. Gleichwohl ist zu sehen, dass weiterhin ein beträchtlicher Teil der Versicherten, die zum Zeitpunkt der Systemumstellung bei der VBL versichert waren, das Rentenalter noch nicht erreicht haben, ferner, dass für die von der Übergangsregelung Betroffenen nicht das „ob“ einer Rentenzahlung bis zu einer erneuten Neuregelung offen bleibt, sondern nur für einzelne die Höhe des Anspruchs betreffenden Fragen. Vor diesem Hintergrund misst das Oberlandesgericht dem Recht der Tarifvertragsparteien, vorrangig selbst über die Gestaltung der Systemumstellung der ursprünglich rentenfernen Jahrgänge zu entscheiden, derzeit noch höheres Gewicht zu.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe weist schließlich auf Folgendes hin:

Der Bundesgerichtshof hat den Parteien im Urteil vom 14.11.2007 aufgegeben, die Auswirkungen des Näherungsverfahrens erneut zu prüfen31. Deren Beurteilung in qualitativer und quantitativer Hinsicht zielt auf eine flächendeckende Beurteilung, die die Sachkunde eines Sachverständigen erfordert32. Der Bundesgerichtshof hat in einem anderen Zusammenhang verlangt, die tatsächlichen quantitativen Auswirkungen einer behaupteten Ungleichbehandlung festzustellen33.

Die VBL hat sich bislang darauf berufen, die Auswirkungen des Näherungsverfahrens anhand konkreter Kassenbestandsdaten (Versicherungsbestandsdaten) untersucht zu haben. So sei eine aussagekräftige Untersuchung für Versicherte möglich gewesen, die zum Umstellungsstichtag zwischen 47 und 54 Jahre alt gewesen seien und für die eine Rentenauskunft der gesetzlichen Rentenversicherung für die Berechnung einer rentennahen Startgutschrift vorgelegen habe. Diese Ergebnisse seien durch eine stichprobenartige qualitative Untersuchung, insbesondere auch von Versicherungsläufen rentenferner Versicherter ergänzt worden. Die genannten Untersuchungen wurden bislang nicht vorgelegt.

Weiterlesen:
Fehlender Zugang zu Verschlusssachen

Soweit die Tarifvertragsparteien bei der Neuregelung des Übergangsrechts an der Anwendung des Näherungsverfahrens festhalten wollen, werden sie die Ergebnisse der von ihnen bei den betroffenen Zusatzversorgungskassen hierzu veranlassten Untersuchungen spätestens in einem künftigen gerichtlichen Verfahren vollständig offenlegen müssen, das heißt in einer Weise, die die Methodik der Untersuchung – einschließlich der Auswahl der Datensätze – und die Zahl der betrachteten Fälle erkennen lässt. Die Untersuchung wird zeigen müssen, dass für eine nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen ermittelte repräsentative Auswahl von Versicherten die Auswirkungen des Näherungsverfahrens erhoben und ermittelt worden ist, in wie vielen Fällen sich das Näherungsverfahren zum Nachteil der Versicherten auswirkt und wie hoch die negative Abweichung im Durchschnitt und in der Spitze ist, ferner, bei welchen Ausgangsbedingungen typischerweise besonders starke Abweichungen auftreten. Bei der Auswahl der zu untersuchenden Versicherten wird zu berücksichtigen sein, dass angesichts des Zeitablaufs seit der Systemumstellung mittlerweile für eine deutlich größere Zahl von Versicherten Daten über die tatsächliche Höhe ihrer gesetzlichen Rente zur Verfügung stehen dürften.

Die VBL könnte die Vorlage von Untersuchungen, die die Tarifvertragsparteien zu den Auswirkungen des Näherungsverfahrens angestellt haben, nicht unter Hinweis auf die Darlegungs- und Beweislast der Versicherten verweigern. Sie trifft insoweit, weil nur sie sich über die Tarifvertragsparteien in zumutbarer Weise Kenntnisse verschaffen kann, eine sekundäre Darlegungslast. Die einzelnen Versicherten können Daten zu der Frage, ob dem Gleichheitsgrundrecht Genüge getan ist, hingegen nicht in zumutbarer Weise vortragen. Die VBL kann die Versicherten nicht darauf verweisen, sie mögen zur Darlegung eines Gleichheitsverstoßes Erkenntnisse nutzen, die ihre Prozessbevollmächtigten anlässlich der Bearbeitung anderer Mandate erlangt haben könnten; darlegungspflichtig ist die jeweilige Partei, nicht ihr Prozessbevollmächtigter. Die aus anderen Mandaten erlangten Daten würden zudem keine repräsentative Auswahl darstellen.

Der Bundesgerichtshof hat den Tarifvertragsparteien Wege aufgezeigt, wie die gleichheitswidrige Behandlung berufsbedingt später einsteigender Versicherter beseitigt werden kann7. Das Oberlandesgericht geht davon aus, dass die Tarifvertragsparteien den festgestellten Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 GG nicht nur durch die vom Bundesgerichtshof aufgezeigten Wege, sondern auch dadurch beheben können, dass sie dem – durch die Verwendung unvereinbarer Faktoren (§§ 18 Absatz 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG, § 79 Absatz 1 Satz 1 VBLS, 33 Absatz 1 Satz 1 ATV) – benachteiligten Versicherten die Anrechnung von Zeiten ermöglichen, die aufgrund besonderer Anforderungen eines Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst erforderlich waren34. Auf dessen Antrag hin wäre dem Versicherten auf der Grundlage einer konkreten Betrachtung der persönlichen Verhältnisse ein Zuschlag zur Startgutschrift gewähren, der die Ungleichbehandlung beseitigt. In einem solchen Antrag müsste der Versicherte bislang nicht berücksichtigte Zeiten darlegen und glaubhaft machen. Allerdings wäre der Versicherte, sofern er eine konkrete Berechnung seiner Startgutschrift beantragt, gehalten, zusätzlich eine individuelle Hochrechnung seiner Sozialversicherungsrente oder berufsständischen Zusatzsatzversorgung beizubringen. Auf diese Weise könnten mögliche konkrete Vor- und Nachteile der bislang pauschalierenden Berechnung ausgeglichen werden.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 12 U 104/14

  1. BGHZ 174, 127[]
  2. BVerfG ZTR 2013, 668 Tz. 21-23[][]
  3. BGHZ 174, 127 Tz. 43[]
  4. EGMR NVwZ 2006, 1274, 1275; BVerfG ZTR 2013, 668 Tz. 22[]
  5. BVerfG ZTR 2013, 668 Tz. 24[]
  6. BVerfG ZTR 2013, 668 Tz. 44 zu den rentennahen Versicherten[]
  7. BGHZ 174, 127 Tz. 149[][]
  8. BGHZ 174, 127, Tz. 133[]
  9. im Ergebnis ebenso LG Berlin, Urteil vom 22.01.2014 – 23 O 144/13; Urteil vom 27.03.2014 – 7 O 208/13 33 ff.[]
  10. BGHZ 174, 127, Tz. 126, 68 ff.[]
  11. LG Karlsruhe, Urteil vom 28.02.2014 – 6 O 145/13[]
  12. 12/37[]
  13. 15 Jahre x 2, 25%= 33, 75%[]
  14. vgl. BGHZ 174, 127, Tz. 133[]
  15. vgl. Hebler ZTR 2011, 534, 537[]
  16. BGH, Urteil vom 25.09.2103 – IV ZR 207/11, VersR 2014, 89[]
  17. BGH aaO Tz. 133[]
  18. Fischer/Siepe, Neuregelung der rentenfernen Startgutschriften aus ökonomischer und finanzmathematischer Sicht, Juli 2011, Rev.03.2013, www.startgutschriften-arge.de[]
  19. vgl. Fischer/Siepe „Die Zahlenbeispiele aus ZTR und BetrAV im Lichte aktueller Gerichtsurteile, Stand 12.05.2014 S. 7 ff., zitiert aus www.startgutschriften-arge.de/standpunkte[]
  20. vgl. insoweit Hebler ZTR 2011, 534, 536[]
  21. BGHZ 174, 127 Tz. 60[]
  22. BGHZ 174, 127 Tz. 136[]
  23. vgl. zur Wortbedeutung von „proportional“ Duden, Band 1, 26. Auflage, S. 853[]
  24. BVerfGK 13, 455, Tz. 55 f. zur Anwendung dieser Grundsätze auf die Satzung der VBL[]
  25. BGH NVwZ-RR 2010, 487 Tz. 18-21[]
  26. vgl. BAGE 1, 258 46[]
  27. BGHZ 174, 127, Tz. 147[]
  28. zu den gegen eine Anwendung des § 2 Absatz 1 BetrAVG sprechenden Gründen vgl. auch BGHZ 174, 127, Tz. 126[]
  29. BGHZ 174, 127, Tz. 143[]
  30. BGHZ 174, 127, Tz. 146[]
  31. BGHZ 174, 127 Tz. 120[]
  32. BGH aaO Tz. 119[]
  33. BGH BetrAV 2014, 189 Tz. 37; VersR 2014, 89 Tz. 35[]
  34. vgl. BGH aaO Tz. 136[]