Wenn die Auszubildende die Fristen und Termine notiert…

Ein Rechtsanwalt darf die Eintragung von Fristen und Terminen grundsätzlich nicht auf noch auszubildende Kräfte übertragen1.

Wenn die Auszubildende die Fristen und Termine notiert…

Nach § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt ein zweites Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist (§ 345 ZPO), der Berufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. Eine zulässige Berufung setzt also die schlüssige Darlegung voraus, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden sei2.

Die Verschuldensfrage ist nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand3. Wird die fehlende oder unverschuldete Säumnis nicht schlüssig dargelegt, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen4.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt regelmäßig sein voll ausgebildetes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal mit der Notierung und Überwachung von Fristen betrauen5. Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Unverzichtbar sind insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal, die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals6.

Die Fristeintragung und überwachung darf allerdings grundsätzlich nicht auf noch auszubildende Kräfte übertragen werden, denen die notwendige Erfahrung fehlt7. Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von diesem Grundsatz zugelassen werden kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine umso wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder durch ausgebildete und erfahrene Angestellte gewährleistet sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden eingetragenen Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Fristenkalender reichen nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von einem Auszubildenden vorgenommenen Eintragungen zu gewährleisten. Vielmehr ist ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit der jeweiligen Akte erforderlich7.

Insofern gelten für die Eintragung von Terminen durch Auszubildende nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine geringeren Anforderungen. Ein Auszubildender darf auch nicht damit betraut werden, bereits vom Rechtsanwalt vorgegebene Fristen in den Kalender einzutragen, ohne dass die ordnungsgemäße Erledigung jeweils anhand der Akten überprüft wird8. Zwischen der kalendermäßigen Eintragung von konkret vorgegebenen Fristen einerseits und Terminen andererseits besteht hinsichtlich der hieran zu stellenden Anforderungen kein Unterschied, der es rechtfertigen würde, bezüglich des Umfangs der erforderlichen Erledigungskontrolle zu differenzieren. In dem einen wie dem anderen Fall gilt vielmehr, dass in jedem Einzelfall eine wirksame Kontrolle der Tätigkeit eines Auszubildenden gewährleistet sein muss, sei es durch den Anwalt selbst oder durch hierzu geeignete Angestellte.

Diesem Erfordernis genügte im hier entschiedenen Fall nach Ansicht des Bundesgerichtshofs der dargelegte Organisationsablauf in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten nicht. Es ist bereits nichts dafür ersichtlich, dass der Auszubildenden K. die Eintragung des Termins wegen Personalmangels oder aus einem vergleichbar triftigen Grund übertragen wurde. Abgesehen davon ergibt sich aus dem Vorbringen, dass die Erledigung der Aufgabe nicht anhand von Fristenkalender und Akte kontrolliert wurde.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. November 2015 – XII ZB 407/12

  1. im Anschluss an BGH Beschluss vom 22.04.2009 – IV ZB 22/08 – RuS 2009, 393[]
  2. BGH Beschluss vom 06.10.2011 – IX ZB 148/11 , NJW-RR 2011, 1692 Rn. 5 mwN[]
  3. BGH Urteil vom 22.03.2007 – IX ZR 100/06 , NJW 2007, 2047 Rn. 6 mwN[]
  4. BGH Beschluss vom 06.10.2011 – IX ZB 148/11 , NJW-RR 2011, 1692 Rn. 5[]
  5. BGH, Beschluss vom 09.07.2014 XII ZB 709/13 FamRZ 2014, 1624 Rn. 12 mwN[]
  6. BGH Beschluss vom 22.04.2009 – IV ZB 22/08 RuS 2009, 393 Rn. 8 mwN[]
  7. BGH Beschluss vom 22.04.2009 – IV ZB 22/08 RuS 2009, 393 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 11.09.2007 XII ZB 109/04 FamRZ 2007, 2059 Rn. 16; und vom 15.11.2000 XII ZB 53/00 FuR 2001, 273, 274 mwN[][]
  8. BGH Beschluss vom 22.04.2009 – IV ZB 22/08 RuS 2009, 393 Rn. 2, 8 f.[]