Auskunftspflicht, die zu ihrer Erfüllung erforderlichen Reisekosten – und die Beschwer

Mit der Berücksichtigung von Reisekosten bei der Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands einer Verpflichtung zur Auskunft über das Vermögen in einer Familienstreitsache hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Auskunftspflicht, die zu ihrer Erfüllung erforderlichen Reisekosten – und die Beschwer

In der zugrunde liegenden Familiensache nehmen sich die Antragstellerin, chinesische Staatsangehörige, und der Antragsgegner, deutscher Staatsangehöriger, wechselseitig mit Stufenanträgen auf Trennungsunterhalt in Anspruch. Das Amtsgericht hat den Auskunftsanträgen beider Beteiligter stattgegeben. Auf den Widerantrag des Antragsgegners hat es die Antragstellerin unter anderem verpflichtet, „Auskunft zu erteilen über ihre Einkünfte für die Zeit vom 01.04.2016 – 31.03.2019 (…) sowie über ihr Vermögen durch ein Bestandsverzeichnis zum 26.03.2019“ und Belege vorzulegen.

Gegen den Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und sich dabei unter anderem gegen ihre Verpflichtung zur Auskunft auch über in China vorhandenes Vermögen gewandt. Das Oberlandesgericht hat nach vorherigem Hinweis die Beschwerde verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, die jetzt vor dem Bundesgerichtshof Erfolg hatte:

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die unbeschadet des Wortlauts des § 72 Abs. 2 FamFG auch in den Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen ist1, ergibt sich vorliegend aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 lit. a und b EuUnthVO, weil beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, wobei es auf die Staatsangehörigkeit nicht ankommt2.

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Zutreffend ist das Beschwerdegericht im Rahmen des als lex fori anzuwendenden deutschen Verfahrensrechts zudem davon ausgegangen, dass sich die Beschwer im Sinne des § 61 Abs. 1 FamFG eines zur Auskunft verpflichteten Beteiligten grundsätzlich nach seinem Interesse richtet, die Auskunft nicht erteilen zu müssen3. Zur Bewertung des erforderlichen Aufwands an Zeit und Kosten für die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich – von Fällen eines hier nicht in Rede stehenden Geheimhaltungsinteresses abgesehen – auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt noch einen Verdienstausfall erleidet4.

Auf dieser rechtlichen Grundlage ist der Wert der Beschwer gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 3 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer nur eingeschränkt darauf überprüfen, ob das Beschwerdegericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat5.

Auch bei Anlegung dieses eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene Wertbemessung aber rechtsfehlerhaft. Denn das Beschwerdegericht hat den von der Antragstellerin zur Darlegung ihrer Beschwer gehaltenen Vortrag gehörswidrig teilweise unberücksichtigt gelassen.

Die Antragstellerin hatte entgegen der der angefochtenen Entscheidung zugrundliegenden Annahme nämlich dargelegt, weshalb zur Erstellung des von ihr nach dem Ausspruch des Amtsgerichts geschuldeten Bestandsverzeichnisses über ihr Vermögen eine Reise nach China erforderlich sei. Sie besitze Vermögenswerte in China, darunter eine unbekannte Anzahl von OriginalKunstwerken regionaler und überregionaler Künstler. Um diesbezüglich eine Aufstellung zu fertigen, müsse sie nach China fliegen.

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Diese vom Beschwerdegericht nicht erwähnte Darstellung als glaubhaft unterstellt wäre die Notwendigkeit einer entsprechenden Reise und damit auch der hierfür anfallenden, zwanglos zur Überschreitung der Grenze von 600 € führenden Reisekosten aber dargelegt6. Denn derartige Kunstgegenstände hätte die Antragstellerin in das von ihr nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1605 Abs. 1 Satz 1 und 3, 260 Abs. 1 BGB sorgfältig zu errichtende Bestandsverzeichnis einschließlich der für die Wertermittlung maßgeblichen Umstände7 aufzunehmen. Dass ihr dies auch ohne eine Sichtung der Objekte vor Ort möglich wäre, hat das Beschwerdegericht nicht rechtlich tragfähig festgestellt.

Die Erwägung des Beschwerdegerichts, auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Antragstellerin könne davon ausgegangen werden, dass ihr in China vorhandenes Vermögen überschaubar sei und seine Darstellung keines besonderen Aufwands bedürfe, rechtfertigt es nicht, die entsprechenden Reisekosten nicht in die Wertbemessung einfließen zu lassen.

Allerdings gilt für den Wert des Beschwerdegegenstands, der in Eheund Familienstreitsachen von Amts wegen festzustellen ist, der Beibringungsgrundsatz. Der Beschwerdeführer hat daher die den Wert bestimmenden Tatsachen darzulegen und gegebenenfalls auch glaubhaft zu machen8.

Der angefochtenen Entscheidung lässt sich jedoch schon nicht entnehmen, dass das Beschwerdegericht den Vortrag zu den Kunstgegenständen überhaupt zur Kenntnis genommen hat. Abgesehen davon, dass der Antragsgegner gerade von erheblichem Vermögen der Antragstellerin in China ausgeht und zudem das Vorhandensein der Kunstwerke nicht in Abrede gestellt hat, steht die Darlegung der Antragstellerin zu diesen Gegenständen auch nicht im Widerspruch zu ihrer Behauptung, sie besitze kein Vermögen, um von dem Vermögensstamm leben zu können. Denn Wert und finanzielle Verwertbarkeit der Objekte können durchaus fraglich sein. Auch Vermögensgegenstände mit „überschaubarem Wert“ sind aber in das Bestandsverzeichnis aufzunehmen. Sofern das Beschwerdegericht bei Berücksichtigung des entsprechenden Vortrags eine Glaubhaftmachung für erforderlich halten sollte, müsste es die Antragstellerin darauf hinweisen und ihr Gelegenheit hierzu einräumen.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31. März 2021 – XII ZB 516/20

  1. BGH, Beschluss vom 14.11.2018 – XII ZB 292/16 , FamRZ 2019, 181 Rn. 25 mwN[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 19.02.2020 – XII ZB 358/19 , FamRZ 2020, 918 Rn. 10[]
  3. st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 08.07.2020 – XII ZB 334/19 , FamRZ 2020, 1572 Rn. 7 mwN; BGHZ GSZ 128, 85 = FamRZ 1995, 349, 350 f.[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 08.07.2020 – XII ZB 334/19 , FamRZ 2020, 1572 Rn. 9 mwN[]
  5. BGH, Beschluss vom 05.02.2020 – XII ZB 450/19 , FamRZ 2020, 777 Rn. 8 mwN[]
  6. vgl. zu Reisekosten etwa BGH, Beschlüsse vom 29.04.1998 – XII ZB 20/98 – BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 38; und vom 14.11.1990 – XII ZB 96/90 , FamRZ 1991, 315, 316[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2018 – XII ZB 451/17 , FamRZ 2018, 445 Rn. 11 mwN[]
  8. st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 23.09.2020 – XII ZB 490/18 , FamRZ 2021, 117 Rn. 8 mwN; und vom 09.12.2015 – XII ZB 614/14 , FamRZ 2016, 452 Rn.20 mwN[]

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