Der gemeine Wert nicht börsennotierter Anteile an Kapitalgesellschaften, der sich nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ableiten lässt, ist nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln. Die Schätzung des Werts der Beteiligung kann u.a. durch eine individuelle Unternehmensbewertung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erfolgen, insbesondere aus einer solchen nach IDW S 11.

Ein Sachverständigengutachten, das von einem Beteiligten außergerichtlich eingeholt und in das finanzgerichtliche Verfahren als urkundlich belegter Beteiligtenvortrag eingebracht wird, bindet das Finanzgericht nicht2. Allerdings kann es vom Finanzgericht seiner Entscheidung unter der Voraussetzung zugrunde gelegt werden, dass keiner der Beteiligten substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit erhebt3. Besteht dagegen Streit über die Richtigkeit der Methodik eines (Unternehmensbewertungs-)Gutachtens oder streiten sich die Beteiligten ‑wie vorliegend- über den Ansatz einzelner Berechnungsparameter eines ansonsten methodisch beanstandungsfreien Gutachtens, bedarf dies der Sachaufklärung durch das Finanzgericht gemäß § 76 Abs. 1 FGO.
Fehlt dem Finanzgericht für eine entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellung die eigene Sachkunde, ist es grundsätzlich gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2, § 82 FGO i.V.m. §§ 402 ff. der Zivilprozessordnung das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen einzuholen. Dies gilt insbesondere, wenn die Bewertung eines Unternehmens streitig ist und sich daher die Notwendigkeit einer solchen Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen4. Entscheidet das Finanzgericht dagegen aufgrund eigener Sachkunde, muss es im Urteil darlegen, worauf diese Sachkunde beruht5.
Nach diesen Grundsätzen erweist sich ein Vorgehen des Finanzgerichts, einzelne Wertansätze des eingereichten ‑und von ihm als methodisch ordnungsgemäß angesehenen- Unternehmensbewertungsgutachtens ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen und ohne Darlegung eigener Sachkunde durch eigene Werte zu ersetzen, als verfahrensfehlerhaft.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Juni 2019 – X R 38/17
- vgl. statt vieler Schiffers, DStZ 2009, 548, 550[↩]
- BFH, Urteile vom 06.02.2014 – VI R 61/12, BFHE 244, 395, BStBl II 2014, 458, Rz 25, sowie vom 21.09.2016 – X R 58/14, BFH/NV 2017, 275, Rz 39[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 07.01.2015 – I B 42/13, BFH/NV 2015, 1093, Rz 15, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 05.10.2018 – IX B 48/18, BFH/NV 2019, 39, Rz 4, m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 82 FGO Rz 56[↩]
- BFH, Entscheidungen vom 14.12 1976 – VIII R 76/75, BFHE 121, 410, BStBl II 1977, 474, unter 3., sowie vom 21.12 2011 – VIII B 88/11, BFH/NV 2012, 600, Rz 4, m.w.N.; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 82 FGO Rz 143[↩]