Das private Veräußerungsgeschäft des Einzelrechtsnachfolgers

„Angesetzter“ Wert i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG ist der Wert, der der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt worden ist.  Ist die Entnahme steuerlich nicht erfasst worden, ist der „angesetzte“ Wert der Buchwert.

Das private Veräußerungsgeschäft des Einzelrechtsnachfolgers

Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Als Anschaffung gilt gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe. Bei unentgeltlichem Erwerb ist dem Einzelrechtsnachfolger für Zwecke dieser Vorschrift die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG).

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist der Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 EStG der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. In den Fällen des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG oder § 16 Abs. 3 EStG angesetzte Wert (§ 23 Abs. 3 Satz 3 EStG).

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An die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten tritt der Wert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG nur insoweit, als er der Steuerfestsetzung des Steuerpflichtigen, der das Wirtschaftsgut entnommen hat, zugrunde gelegen hat. Wird ein Wirtschaftsgut ohne Aufdeckung der stillen Reserven (erfolgsneutral) aus dem Betriebsvermögen entnommen, ist der bis zum Zeitpunkt der Entnahme in der Bilanz (Vermögensübersicht) bzw. im Anlagenverzeichnis erfasste Buchwert der „angesetzte“ Wert i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG.

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG. Danach tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der „angesetzte“ (Entnahme-)Wert. Ein Wert ist nur im Sinne der Norm „angesetzt“, wenn er einer Steuerfestsetzung zugrunde gelegen hat. Wird ein Wirtschaftsgut erfolgsneutral entnommen, entspricht der angesetzte Wert dem Buchwert des Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Entnahme. Denn bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entsteht durch die Ausbuchung des Wirtschaftsguts in Höhe des Buchwertes eine Vermögensminderung. Die Erfolgsneutralität dieser Buchung kann daher nur durch den Ansatz einer Entnahme in derselben Höhe erreicht worden sein. Nichts anderes gilt, soweit das Wirtschaftsgut bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs  3 EStG aus dem laufend zu führenden Verzeichnis (§ 4 Abs. 3 Satz 5 EStG) „entnommen“ worden ist.

Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Durch den Ansatz des Entnahmewertes, der der Steuerfestsetzung des Rechtsvorgängers zugrunde gelegen hat, wird sichergestellt, dass Wertsteigerungen (stille Reserven), die in dem Zeitraum zwischen Anschaffung oder Herstellung und Entnahme entstanden sind und der Entnahmebesteuerung unterlegen haben, bei der späteren Veräußerung nicht erneut steuerlich erfasst und damit doppelt besteuert werden. Sind aber stille Reserven tatsächlich nicht erfasst worden, so kann es zu keiner Doppelbesteuerung kommen. Zudem soll durch die Bezugnahme auf den angesetzten (Entnahme-)Wert sichergestellt werden, dass im Falle einer steuerbaren Veräußerung alle bis zur Veräußerung entstandenen stillen Reserven einmal der Besteuerung unterworfen werden. Denn es ist von dem angesetzten und nicht von dem anzusetzenden Entnahmewert auszugehen. Der angesetzte Entnahmewert tritt daher auch dann an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, wenn er fehlerhaft zu hoch oder zu niedrig angesetzt worden ist1.

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Dieses Auslegungsergebnis wird durch die Gesetzeshistorie bestätigt. Mit der Neuregelung des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.19992 wurde erstmals auch die Veräußerung eines zuvor aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführten Grundstücks innerhalb der zehnjährigen Frist der Besteuerung unterworfen. In dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 09.11.19983 wird zur Begründung angeführt: „Nicht selten kommt es vor, daß Steuerpflichtige bei der Entnahme von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen einen Wert angeben, der sich dann im Rahmen einer späteren steuerfreien Veräußerung aus dem Privatvermögen heraus als zu niedrig erweist. Die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, derartigen Praktiken durch genauere Prüfung des Entnahmewertes entgegenzuwirken, sind angesichts der sachtypischen Beweisnot gering. Daher wird die Veräußerung zukünftig nach § 23 EStG besteuert, wenn die Entnahme bei Grundstücken und ähnlichen Rechten weniger als zehn Jahre […] zurückliegt.“ Hintergrund der Neuregelung war damit jedenfalls auch, dass im Fall einer steuerbaren Veräußerung innerhalb von zehn Jahren auch die stillen Reserven nachträglich besteuert werden, die bereits im Zeitpunkt der der Veräußerung vorgehenden Entnahme hätten aufgedeckt und besteuert werden müssen. Dieser Besteuerungsansatz fußt damit auch auf der Annahme, dass eine rückwirkende Änderung des Steuerbescheids, in dem der zutreffende Entnahmegewinn zu erfassen gewesen wäre, nicht (mehr) in Betracht kommt. Auf Vorschlag des Finanzausschusses vom 03.03.19994 wurde zur Konkretisierung der maßgebenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei einer vorherigen Entnahme § 23 Abs. 3 Satz 2 EStG (nunmehr Satz 3) in das Gesetz aufgenommen und auf den „anzusetzende[n]“ Wert abgestellt. Da unter anzusetzendem Wert im Sinne der Regelung auch der im Zeitpunkt der Entnahme zutreffende Wert subsumiert werden konnte, drohte das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, bisher nicht erfasste Entnahmegewinne im Zeitpunkt der Veräußerung nachträglich der Besteuerung zuzuführen, verfehlt zu werden. Deshalb wurde durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 vom 22.12.19995 nunmehr in Satz 3 das Wort „anzusetzende“ durch das Wort „angesetzte“ ersetzt, um dem vom Gesetzgeber im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 zum Ausdruck gebrachten Willen besser Rechnung zu tragen6.

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Der Einwand, im Rahmen der Berechnung des Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG sei der „angesetzte Wert“ i.S. des § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG erstmals gemäß der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu ermitteln, wenn -wie im Streitfall- im Zeitpunkt der Entnahme des Grundstücks kein Wert angesetzt worden sei, bleibt ohne Erfolg. § 23 Abs. 3 EStG lässt keine Auslegung zu, einen der Besteuerung nicht zugrunde gelegten Teilwert nachträglich (fiktiv) zu ermitteln und bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen. Ein Steuerpflichtiger, der -wie im Streitfall- keinen Entnahmegewinn erklärt hat, darf nach § 23 Abs. 3 EStG nicht besser gestellt sein als ein Steuerpflichtiger, der einen solchen zu niedrig erklärt hat.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht zu Recht nur die ursprünglichen Anschaffungskosten des ursprünglichen Grundstückseigentümers in Höhe von 11.582 € bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 1 und 3 EStG berücksichtigt. Denn dieser hat das Grundstück, welches er nach den Feststellungen des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz7 mit einem Buchwert in Höhe von 11.582 € in seinem Betriebsvermögen erfasst hatte, erfolgsneutral entnommen. Es ist daher davon auszugehen, dass das Grundstück bei der Überführung vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen mit dem Buchwert (11.582 €) ausgebucht -und dieser Wert mithin bei der Besteuerung „angesetzt“- worden ist. Dementsprechend betragen die den Veräußerungspreis in Höhe von 570.600 € mindernden und den beiden Rechtsnachfolgern A und B, auf die – V das Grundstck unentgeltlich übertragen hatte, gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG zuzurechnenden Anschaffungskosten des – V 11.582 €. Der im Streitjahr zu erfassende Veräußerungsgewinn beträgt mithin (570.600 € ./. 11.582 € =) 559.018 €.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. Dezember 2021 – IX R 3/21

  1. vgl. T. Carlé in Korn, § 23 EStG Rz 80; Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Rz 303; Kube in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 23 Rz 12[]
  2. BGBl I 1999, 402[]
  3. BT-Drs. 14/23, S. 179 f.[]
  4. BT-Drs. 14/443, S. 29[]
  5. BGBl I 1999, 2601[]
  6. BT-Drs. 14/2070, Bericht des Finanzausschusses zum Steuerbereinigungsgesetz 1999, S.19[]
  7. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 08.12.2020 – 3 K 1277/20[]