Für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs infolge erfolgreicher Insolvenzanfechtung ist unerheblich, ob der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch ein originär gesetzlicher Anspruch ist.

Der Bundesfinanzhof ist insoweit nicht verpflichtet, nach § 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes das Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes einzuleiten. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs infolge erfolgreicher Insolvenzanfechtung steht weder im Widerspruch zu der des Bundesgerichtshofs noch zu der des Bundesarbeitsgerichts1.
Für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs infolge erfolgreicher Insolvenzanfechtung ist unerheblich, ob der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch ein originär gesetzlicher Anspruch ist. Denn durch die -bezogen auf den Streitfall- in den Jahren 2008 und 2010 infolge der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO erfolgte Rückgewähr der gezahlten Beträge an den Insolvenzverwalter sind die für die Bemessung des Umsatzes maßgeblichen Entgelte i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG aus den von der GmbH bezogenen Leistungen (nachträglich) jedenfalls uneinbringlich geworden. Aufgrund dieser Rückgewähr lebten gemäß § 144 InsO die ursprünglichen Zahlungsansprüche der Gläubiger der GmbH wieder auf. Die Ansprüche der Gläubiger sind Insolvenzforderungen i.S. des § 38 InsO und wegen der Insolvenz der GmbH uneinbringlich i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG. Deshalb haben die Gläubiger der GmbH ihre Umsatzsteuer zu berichtigen; ebenso ist zeitgleich auch die Vorsteuer für die von der GmbH bezogenen Leistungen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen2.
Ebenso wenig ist der Bundesfinanzhof hier gehalten, den Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens anzurufen.
Nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs verpflichtet Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL, der die Fälle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes betrifft, die Mitgliedstaaten, die Steuerbemessungsgrundlage und mithin den Betrag der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer immer dann zu vermindern, wenn der Steuerpflichtige nach der Bewirkung eines Umsatzes die gesamte Gegenleistung oder einen Teil davon nicht erhält. Diese Bestimmung ist Ausdruck eines fundamentalen Grundsatzes der MwStSystRL, nach dem Bemessungsgrundlage die tatsächlich erhaltene Gegenleistung ist und aus dem folgt, dass die Steuerverwaltung als Mehrwertsteuer keinen höheren als den dem Steuerpflichtigen gezahlten Betrag erheben darf3.
Die unionsrechtliche Rechtslage ist danach hinreichend geklärt. Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union besteht -entgegen der Ansicht des Insolvenzverwalters- danach nicht4. Allein der Umstand, dass der Unionsgerichtshof einen Fall wie den vorliegenden noch nicht entschieden hat, rechtfertigt keine EuGH-Vorlage5.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. September 2017 – XI R 18/16
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 256, 571, BStBl II 2017, 735, Rz 20; in BFHE 257, 465, BStBl II 2017, 738, Rz 28; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 257, 465, BStBl II 2017, 738, Rz 20, m.w.N.[↩]
- vgl. dazu EuGH, Urteile Kraft Foods Polska vom 26.01.2012 – C-588/10, EU:C:2012:40, UR 2012, 610, Rz 26 f.; Almos Agrarkülkereskedelmi vom 15.05.2014 – C-337/13, EU:C:2014:328, UR 2014, 900, Rz 22; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. dazu z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 30.08.2010 – 1 BvR 1631/08, NJW 2011, 288, unter B.II. 1.; vom 06.09.2016 1 BvR 1305/13, NVwZ 2017, 53, Rz 7; ferner BFH, Urteil vom 13.07.2016 – VIII K 1/16, BFHE 254, 481, BStBl II 2017, 198, Rz 26 ff.; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 31.05.2017 – XI R 39/14, BFH/NV 2017, 1330, Rz 62; – XI R 40/14, BFHE 258, 495, BFH/NV 2017, 1396, Rz 59[↩]