Entbindung von Schöffen – und ihre Überprüfung

Der Bundesgerichtshof überprüft die Entbindung von Schöffen lediglich am Maßstab der Willkür1.

Entbindung von Schöffen – und ihre Überprüfung

Eine über den Willkürmaßstab hinausgehende Richtigkeitsprüfung kommt angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 336 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht in Betracht und ist auch verfassungsrechtlich nicht erforderlich2.

Während berufliche Gründe nur ausnahmsweise die Verhinderung eines Schöffen rechtfertigen können3, ist der auf anberaumte Sitzungstage fallende und mit Ortsabwesenheit einhergehende Erholungsurlaub eines Schöffen ein Umstand, der regelmäßig zur Unzumutbarkeit der Dienstleistung führt4.

Sinn und Zweck des Erholungsurlaubs ist es, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen5. Um dies gewährleisten zu können, ist der Urlaub grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren (vgl. § 7 Abs. 2 BUrlG). Auch nicht (mehr) im Arbeitsprozess stehende Schöffen haben – insbesondere unter Gesundheitsaspekten – ein berechtigtes Interesse daran, längere Zeit urlaubsbedingt ortsabwesend zu sein. Die Unterbrechung eines auf längere Dauer angelegten Erholungsurlaubs zum Zweck der Teilnahme an einer Hauptverhandlung kann vor diesem Hintergrund Schöffen in aller Regel nicht zugemutet werden6.

Bei der antragsgemäßen Entbindung eines Schöffen aufgrund eines von diesem angezeigten Urlaubs liegt deshalb Willkür in aller Regel fern7.

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Macht der Schöffe einen derartigen Verhinderungsgrund geltend, darf der Vorsitzende sich mit seiner Erklärung begnügen, wenn er sie für glaubhaft und weitere Nachforschungen für überflüssig hält8. Nur ausnahmsweise können Rückfragen und Nachforschungen geboten sein, etwa wenn der Schöffe wegen längeren Urlaubs im Geschäftsjahr bereits von der Dienstleistung befreit worden war oder wenn ein Anhaltspunkt dafür besteht, dass der Schöffe sich der Teilnahme an der Hauptverhandlung zu entziehen versucht9. Die Verschiebung eines länger geplanten Erholungsurlaubs ist für den Schöffen in aller Regel unzumutbar10, dahingehende Fragen des Vorsitzenden sind mithin regelmäßig entbehrlich. Wie der Schöffe seinen Erholungsurlaub verbringt, ist seine Sache und unterliegt deshalb nicht der Erforschung und Bewertung durch den Vorsitzenden. Zur Erfüllung der Anforderungen aus § 54 Abs. 3 Satz 2 GVG genügt es bei einer Befreiung wegen Erholungsurlaubs, die Gründe für die Entbindung stichwortartig zu dokumentieren11.

Nach diesen Maßstäben lag auch in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall eine willkürliche Verletzung von § 54 Abs. 1 GVG aufgrund der Schöffenentbindungen fern: Beim Schöffen Kl. stand eine länger geplante Urlaubsreise außerhalb Berlins seinem Einsatz an terminierten Sitzungstagen entgegen. Dass der von diesem Schöffen gestellte Entbindungsantrag aktenmäßig in Verlust geraten war und deshalb die Sache unter Einbindung seiner Ehefrau telefonisch geklärt wurde, ist rechtlich irrelevant. Die antragsgemäße Entbindung des Hilfsschöffen Ku. beruhte ebenfalls auf dessen Angabe, an terminierten Hauptverhandlungstagen aufgrund Urlaubs nicht zur Verfügung zu stehen. Die Entbindung ist durch den geschäftsplanmäßigen Vertreter und damit von dem zuständigen Richter getroffen worden. Angesichts des in Haftsachen besonders gewichtigen Gebots schleuniger Erledigung war die Strafkammer auch nicht gehalten, der Verhinderung eines Schöffen durch verzögernde Unterbrechung der Hauptverhandlung (§ 229 Abs. 1 StPO) Rechnung zu tragen.

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Das hiergegen ins Feld geführte Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 14.12 201612 steht der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG entgegen. Der 2. Strafsenat teilt in dieser Entscheidung die von der bisherigen Rechtsprechung aufgestellten Maßstäbe – andernfalls er nach § 132 Abs. 2 GVG hätte verfahren müssen – und wendet sie nur in besonderer Weise auf einen Einzelfall an.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8. Mai 2018 – 5 StR 108/18

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 05.08.2015 – 5 StR 276/15, NStZ 2015, 714; näher Arnoldi, NStZ 2015, 714; 2017, 492[]
  2. eingehend BGH, Urteil vom 22.11.2013 – 3 StR 162/13, BGHSt 59, 75, 79 f. mwN[]
  3. vgl. nur BGH, Beschluss vom 21.06.1978 – 3 StR 81/78, BGHSt 28, 61, 66; Urteil vom 04.02.2015 – 2 StR 76/14, NStZ 2015, 350[]
  4. vgl. LR/Gittermann, 26. Aufl., § 54 GVG Rn. 6[]
  5. vgl. BAG NJW 2012, 3529[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 05.08.2015 – 5 StR 276/15 aaO[]
  7. vgl. BGH, Beschluss vom 05.08.2015 – 5 StR 276/15, NStZ 2015, 714; Urteil vom 05.01.1982 – 5 StR 426/81[]
  8. vgl. BGH, Urteile vom 08.12 1976 – 3 StR 363/76, NJW 1977, 443; vom 22.06.1982 – 1 StR 249/81, NStZ 1982, 476; vom 14.12 2016 – 2 StR 342/15, NStZ 2017, 491, 492[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 08.12 1976 – 3 StR 363/76, NJW 1977, 443[]
  10. vgl. LR/Gittermann, 26. Aufl., § 54 GVG Rn. 6; vgl. auch BGH, Urteil vom 08.12 1976 – 3 StR 363/76 aaO[]
  11. BGH, Beschluss vom 05.08.2015 – 5 StR 276/15, NStZ 2015, 714[]
  12. BGH, Urteil vom 14.12 2016 – 2 StR 342/15, NStZ 2017, 491[]
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