Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt.

Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht.
Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen.
Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln1.
Sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist2.
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht. Das Landgericht hat nicht rechtsfehlerfrei begründet, dass von der Beschuldigten in Zukunft mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Das Landgericht hat im Anschluss an den Sachverständigen zur Begründung seiner Gefährlichkeitsprognose ausgeführt, die Beschuldigte werde mit hoher Wahrscheinlichkeit zukünftig ohne eine therapeutische und medikamentöse Behandlung Straftaten vergleichbar den Anlasstaten am 24.03.2018 begehen. Die dem Geschädigten Z. zugefügte Körperverletzung sei jedenfalls dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Von der Beschuldigten seien in der Zukunft gleichwertige, wenn nicht sogar gefährlichere Taten unter Verwendung von Gegenständen zu erwarten. Hinsichtlich der erwarteten Verwendung von Gegenständen stützt sich das Landgericht darauf, dass die Beschuldigte bei dem Vorfall am 7.11.2018 eine Spielzeugpistole in der Hand gehabt habe, sowie darauf, dass am 22.11.2019 die Polizei unter Hinweis darauf gerufen wurde, dass die Beschuldigte in ihrer Wohnung laut herumgeschrien und mit einem Aschenbecher nach einem Passanten geworfen habe.
Diese Begründung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Die Strafkammer hat nicht in den Blick genommen und erörtert, dass die Beschuldigte lediglich die festgestellten Anlasstaten am 24.03.2018, danach bis zu ihrer vorläufigen Unterbringung am 12.12.2019 aber keine Straftaten mehr begangen hat. Die in der Zwischenzeit begangenen Vorfälle erschöpfen sich in einem Abreagieren des Erregungszustandes durch lautes und aggressives Schreien sowie Schimpfen durch die für die jeweils Anwesenden sichtbar verwirrte Beschuldigte. Der Umstand, dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über einen längeren Zeitraum hinweg keine erheblichen Straftaten begangen hat, ist aber ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger solcher Straftaten3.
Es kommt hinzu, dass die Strafkammer die Prognose, von der Beschuldigten seien in Zukunft Straftaten gegen Personen – möglicherweise – auch unter Verwendung von Gegenständen zu erwarten, nicht ausreichend belegt hat. So hat das Landgericht den dieser Prognose zugrundeliegenden Umstand, die Beschuldigte habe am 22.11.2019 tatsächlich mit einem Aschenbecher nach einem Passanten geworfen, nicht prozessordnungsgemäß aufgeklärt und festgestellt. Die Bezugnahme auf eine entsprechende Benachrichtigung der Polizei, deren Inhalt ein Polizeibeamter als Zeuge geschildert hat, reicht insoweit nicht aus. Der von dem Landgericht überdies herangezogene Umstand, dass die Beschuldigte am 7.11.2018 mit einer Spielzeugpistole in der Hand mehrfach eine Straße überquerte, vermag die Prognose, die Beschuldigte werde in der Zukunft Personen mit Gegenständen körperlich angreifen, nicht zu tragen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Mai 2020 – 1 StR 151/20
- st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21.02.2017 – 3 StR 535/16 Rn. 7; vom 21.12.2016 – 1 StR 594/16, BGHR StGB § 63 Anordnung 2 Rn. 3, 10; und vom 12.10.2016 – 4 StR 78/16 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 07.06.2016 – 4 StR 79/16 Rn. 6; BVerfG, Beschluss vom 05.07.2013 – 2 BvR 2957/12 Rn. 27; siehe auch BT-Drs. 18/7244 S. 23[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 05.06.2019 – 2 StR 42/19 Rn. 14; und vom 10.12.2014 – 2 StR 170/14 Rn.20; Beschluss vom 04.07.2012 – 4 StR 224/12 Rn. 11[↩]
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