Bei der sexuellen Belästigung Jugendlicher ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung.
 
In dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Disziplinarverfahren trat der ledige und kinderlose frühere Soldat nach dem Hauptschulabschluss und einer Ausbildung zum Maler und Lackierer in die Bundeswehr ein und wurde Zeitsoldat. Zuletzt wurde er zum Stabsgefreiten befördert. Seine Dienstzeit ist beendet. Er bezieht bis Ende Juni 2026 Übergangsgebührnisse von monatlich 1 459, 71 € netto. Die Übergangsbeihilfe von 15 868, 86 € wurde zu 60 % einbehalten. Er arbeitet als Fahrzeugaufbereiter für monatlich ca. 1 800 € netto und lebt mit seiner Mutter und seiner berufstätigen Lebensgefährtin in einem Haus. Seine monatlichen Ausgaben hat er auf knapp 3 000 € beziffert.
In dem hier entschiedenen gerichtlichen Disziplinarverfahren wurde er wie folgt angeschuldigt: „Der frühere Soldat ergriff zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, vermutlich am 5.11.2021, gegen 18:00 Uhr auf dem Edeka-Parkplatz in … auf dem Fahrersitz eines Pkw sitzend, die linke Hand der neben ihm auf dem Beifahrersitz sitzenden, zu diesem Zeitpunkt – wie er wusste – 14 Jahre alten Zeugin A und führte diese zu seinem Intimbereich, wo er ihre Hand ablegte, sodass diese durch seine Hose ihn durch sein steifes Glied spüren konnte, wodurch sie sich sexuell belästigt fühlte, was er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen. Sowohl an dem vorbezeichneten Tag als auch am 11.11.2021 besorgte der frühere Soldat der 14jährigen Zeugin A Zigaretten und schrieb ihr am 29.11.2021 zwischen 15:36 Uhr und 22:06 Uhr mittels WhatsApp-Nachrichten, dass er ihr nur noch Zigaretten kaufen würde, wenn sie bereit wäre, ihn mit der Hand sexuell zu befriedigen oder es zuzulassen, dass er sie ‚fingern‘ dürfte, wodurch der frühere Soldat, wie er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, diese in ihrer Ehre herabwürdigte.“ Im sachgleichen Strafverfahren verhängte das Amtsgericht … mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 23.05.2023 gegen den früheren Soldaten wegen sexueller Belästigung in Tatmehrheit mit Beleidigung eine Geldstrafe.
Das Truppendienstgericht Süd hat dem früheren Soldaten das Ruhegehalt aberkannt1. Die hiergegen gerichtete Berufung des früheren Soldaten hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen:
Das Bundesverwaltungsgericht ist davon überzeugt, dass der frühere Soldat die in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 bezeichneten Handlungen wissentlich und willentlich beging. Dies folgt aus den entsprechenden Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 23.05.2023. Sie können der Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren nach § 127 Satz 3 in Verbindung mit § 87 Abs. 2 WDO zugrunde gelegt werden, weil der frühere Soldat sie nicht substantiiert in Zweifel gezogen hat2. Er ist gegen den Strafbefehl nicht vorgegangen und hat die Anschuldigungen in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt.
Der frühere Soldat hat damit ein Dienstvergehen begangen (§ 23 Abs. 1 SG). Er hat vorsätzlich seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG in der zur Tatzeit geltenden Fassung vom 04.08.20193 verletzt. Danach hat sich ein Soldat außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Eine solche ernsthafte Beeinträchtigung ist regelmäßig anzunehmen, wenn ein Soldat – wie hier – eine Straftat begeht, die mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich sanktioniert werden kann4.
Mit seinem Verhalten gemäß Anschuldigungspunkt 1 hat der frühere Soldat eine sexuelle Belästigung nach § 184i Abs. 1 StGB in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung vom 03.03.20205 begangen. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften des 13. Abschnitts des Strafgesetzbuchs mit schwererer Strafe bedroht ist.
Der frühere Soldat hat die Zeugin A in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt. Denn das gezielte Führen ihrer Hand zu seinem Intimbereich, wo er ihre Hand ablegte, sodass sie durch seine Hose sein steifes Glied spüren konnte, lässt bereits allein gemessen am äußeren Erscheinungsbild einen Sexualbezug erkennen6. Eine „körperliche Berührung“ setzt keinen Hautkontakt voraus. Es genügt, dass der Körper durch die Kleidung hindurch betroffen wird7.
Dadurch hat der frühere Soldat die Zeugin A auch im Sinne von § 184i Abs. 1 StGB belästigt. Denn sie zog sofort angewidert ihre Hand weg und stieg aus dem Auto aus. Da die erzwungene Berührung des bekleideten erigierten Gliedes auch objektiv ohne Weiteres geeignet war, sexuell belästigend zu wirken, bedarf es keiner Entscheidung, ob es allein auf das individuelle Empfinden des Opfers ankommt oder zusätzlich eine aus objektiver Perspektive zu bestimmende Eignung zur Belästigung vorliegen muss8.
Der frühere Soldat handelte vorsätzlich, weil er sich des sexuellen Charakters seines Tuns bewusst war9, sowie rechtswidrig und schuldhaft.
Die Tat ist auch nicht in anderen Vorschriften des 13. Abschnitts des Strafgesetzbuchs mit schwererer Strafe bedroht.
Es handelte sich nicht um einen versuchten oder vollendeten Missbrauch einer Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 3 Nr. 1 StGB in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung vom 21.01.201510.
§ 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt das Ausnutzen einer Zwangslage des Opfers im Sinne einer ernsten persönlichen oder wirtschaftlichen Bedrängnis des Opfers voraus. Den bedrängenden Umständen muss in spezifischer Weise die Gefahr anhaften, sexuellen Übergriffen gegenüber einem Jugendlichen in einer Weise Vorschub zu leisten, dass dieser sich ihnen nicht ohne Weiteres entziehen kann11. Der Gesetzgeber hatte als typische Fälle die „Notsituation“ drogenabhängiger oder von zu Hause fortgelaufener Jugendlicher im Blick12. In einer vergleichbaren Lage befand sich die Zeugin A nicht.
§ 182 Abs. 3 Nr. 1 StGB verlangt das Ausnutzen einer dem Täter gegenüber fehlenden Fähigkeit des jugendlichen Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung. Dabei ist wertend zu beurteilen, ob das Opfer bei der Tatbegehung nach seiner geistigen und seelischen Entwicklung reif genug war, die Bedeutung und Tragweite der konkreten sexuellen Handlung für seine Person angemessen zu erfassen und sein Handeln in Bezug auf den erwachsenen Täter danach auszurichten. Ersteres wird dann zweifelhaft sein, wenn das Opfer – etwa durch Retardierung im intellektuellen Bereich oder ausgeprägte soziale Fehlentwicklungen bedingt – einen bedeutenden Mangel an Urteilsvermögen aufweist. Die Fähigkeit zur sexuellen Autonomie gegenüber dem Täter kann im Einzelfall auch fehlen, wenn die Beziehung zwischen ihm und dem Jugendlichen auf eine sexuelle Beherrschung angelegt ist oder der Täter sich – durch dominantes oder manipulatives Auftreten – unlauterer Mittel der Willensbeeinflussung bedient. Ein weiteres Indiz für ein solches „Machtgefälle“ kann ein erheblicher Altersunterschied sein. Das Merkmal des Ausnutzens ist erfüllt, wenn sich der Täter die Unreife seines Opfers mit seinem unlauteren Verhalten bewusst zunutze macht13.
Daran gemessen war die 14-jährige Zeugin A gegenüber dem 28-jährigen früheren Soldaten trotz des Altersunterschiedes und des manipulativen Auftretens des früheren Soldaten zur sexuellen Selbstbestimmung fähig. Eine Retardierung im intellektuellen Bereich oder ausgeprägte soziale Fehlentwicklungen sind bei ihr nicht ersichtlich. Sie war in der Tatsituation auch in der Lage, gleich ihre Hand wegzuziehen und aus dem Auto auszusteigen. Ihr Vater hat damit im Einklang erstinstanzlich ausgesagt, dass sich seine Tochter nichts gefallen lasse und sage, was sie nicht wolle; das habe sie auch hier „durchziehen“ können.
Der frühere Soldat hat sich auch keines sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 3 StGB in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung vom 04.11.201614 strafbar gemacht. Das gezielte Führen der Hand der Zeugin A zu seinem Intimbereich, war keine sexuelle Handlung im Sinne des § 177 StGB. Zwar wies dieses Verhalten nach seinem äußeren Erscheinungsbild den dafür erforderlichen sexuellen Bezug auf15. Es war aber nicht – wie von § 184h Nr. 1 StGB gefordert – in Bezug auf das von § 177 StGB geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung von einiger Erheblichkeit.
Das bloße Berühren des Geschlechtsteils über der Kleidung ist nicht ohne Weiteres eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB16. Erheblich im Sinne dieser Norm sind nur solche sexualbezogenen Handlungen, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen. Dazu bedarf es regelmäßig einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus17. Bei Tatbeständen, die – wie etwa § 182 StGB – dem Schutz von Kindern oder Jugendlichen dienen, sind an das Merkmal der Erheblichkeit geringere Anforderungen zu stellen als bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Erwachsener18, zu denen § 177 Abs. 1 StGB zählt19. Als maßgebliche Umstände für die Bewertung kommen neben der Intensität und Dauer des Kontakts etwaige begleitende Handlungen wie Berührungen des Körpers, das Verhältnis zwischen Täter und Opfer und die konkrete Tatsituation in Betracht20. Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen des § 177 StGB das mehrfache Erzwingen des Berührens des bedeckten Geschlechtsteils als sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit gewertet21. Hier hat der frühere Soldat jedoch nur ein einziges Mal kurz die Hand der Zeugin A auf seinen bekleideten erigierten Penis gelegt. Diese zog sofort ihre Hand weg und stieg aus dem Auto aus. Eine besondere Intensität des Kontaktes ergibt sich daraus nicht. Das Bundesverwaltungsgericht sieht daher die Erheblichkeitsschwelle mit Blick auf das von § 177 StGB geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung nicht mit hinreichender Gewissheit als überschritten an.
Auch das Verhalten gemäß Anschuldigungspunkt 2 begründet eine Verletzung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht.
Der frühere Soldat hat damit eine Beleidigung nach § 185 StGB in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung vom 30.03.202122 begangen.
Eine Beleidigung ist ein Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgebung der Nicht- oder Missachtung23. Ein Angriff auf die Ehre liegt vor, wenn der Täter einem anderen zu Unrecht Mängel nachsagt, die, wenn sie vorlägen, den Geltungswert des Betroffenen minderten24. Bei sexuell motivierten Äußerungen kann sich eine Herabsetzung des Betroffenen nur durch das Hinzutreten besonderer Umstände unter Würdigung des Gesamttatgeschehens ergeben25. Solche besonderen Umstände bestehen hier darin, dass der frühere Soldat mit seiner WhatsApp-Nachricht, dass er der Zeugin A durch das Angebot von Zigaretten für sexuelle Handlungen Käuflichkeit unterstellte und sie damit sinngemäß einer Prostituierten gleichstellte. Damit ist eine Missachtung ihrer Ehre zum Ausdruck gekommen, die den Beleidigungstatbestand erfüllt26. Der frühere Soldat handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
Die Beleidigung ist auch disziplinarisch relevant. Da der Strafrahmen des § 185 StGB keine Verhängung einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich ermöglicht, bedarf es zur Begründung einer allein aus Zweifeln an der Rechtstreue resultierenden Disziplinarwürdigkeit dieser außerdienstlichen Straftat zusätzlicher Umstände27. Solche bestehen hier in dem unmittelbaren Zusammenhang zur sexuellen Belästigung gemäß Anschuldigungspunkt 128.
Nicht hingegen hat sich der frühere Soldat des versuchten sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen nach § 182 Abs. 2 und 4 StGB in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung vom 21.01.201510 in Verbindung mit §§ 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Nach § 182 Abs. 2 StGB wird eine Person über 18 Jahren bestraft, die eine Person unter 18 Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Der Versuch ist gemäß § 182 Abs. 4 StGB strafbar. Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB).
Zwar handelt es sich bei den in Aussicht gestellten Zigaretten um ein Entgelt. Denn darunter fällt jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB). Auch sind die vom früheren Soldaten angestrebten Verhaltensweisen der Zeugin A (sexuelle Befriedigung des früheren Soldaten mit der Hand oder Zulassung, dass er sie „fingert“), sexuelle Handlungen von einiger Erheblichkeit. Jedoch fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen zur Tat. Noch nicht tatbestandsmäßige Handlungen begründen eine Versuchsstrafbarkeit nur, wenn sie nach dem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals so dicht vorgelagert sind, dass das Geschehen bei ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmündet29. Das vom früheren Soldaten begehrte Verhalten der Zeugin A war jedoch nach seiner Vorstellung von ihrer Bereitschaft, sich auf sein sexuelles Ansinnen einzulassen, und damit von einem wesentlichen Zwischenakt abhängig30.
Bei der Bemessung von Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme sind nach § 60 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen. Insoweit legt das Bundesverwaltungsgericht ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde, das hier zur Aberkennung des Ruhegehalts führt.
Auf der ersten Stufe bestimmt das Bundesverwaltungsgericht zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.
Der Schwerpunkt des nach § 18 Abs. 2 WDO einheitlich zu ahndenden Dienstvergehens ist in der sexuellen Belästigung einer Jugendlichen gemäß Anschuldigungspunkt 1 zu sehen. Eine gefestigte Rechtsprechung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen besteht insoweit nicht. Es entspricht dem Gebot kohärenter Rechtsprechung, in solchen Fällen von einer Dienstgradherabsetzung auszugehen.
Bei einer sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 5 StGB ist im Fall eines jugendlichen Opfers Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen wie beim sexuellen Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen die Höchstmaßnahme31. Denn diese Taten sind in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Der Täter greift damit in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, weil Kinder und Jugendliche wegen ihrer fehlenden bzw. noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten können. Zugleich benutzt der Täter die Person eines Kindes oder Jugendlichen als „Mittel“ zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes und verletzt dadurch dessen durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte unantastbare Menschenwürde. Auch schädigen diese Taten regelmäßig das Ansehen des Täters schwerwiegend. Denn der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sittlicher Gefährdung wird – trotz „Liberalisierung“ der gesellschaftlichen Anschauungen auf diesem Gebiet – von der Bevölkerung nach wie vor sehr ernst genommen. Verstöße gegen die einschlägigen strafrechtlichen Schutzbestimmungen werden weiterhin als verabscheuungswürdig angesehen und setzen den Täter kritischer Resonanz und Missachtung aus. Darüber hinaus hat die sexuelle Nötigung eines Jugendlichen wie der strafbare sexuelle Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen durch einen Soldaten, der als Teil der staatlichen Gewalt die Würde des Menschen zu achten und zu schützen hat (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG), auch im dienstlichen Bereich aus der Sicht eines vorurteilsfreien und besonnenen Betrachters eine nachhaltige Ansehensschädigung zur Folge. Denn dadurch wird das Vertrauen, das der Dienstherr in die Selbstbeherrschung, Zuverlässigkeit und moralische Integrität des Soldaten setzt, von Grund auf erschüttert. Wer als Soldat in dieser Weise versagt, beweist damit erhebliche Persönlichkeitsmängel32.
Zwar ist eine sexuelle Belästigung nach § 184i StGB mit einem geringeren Strafmaß bedroht als eine sexuelle Nötigung gemäß § 177 Abs. 5 StGB. Richtet sich eine sexuelle Belästigung jedoch gegen einen Jugendlichen, so ist dies wie bei einer sexuellen Nötigung eines Jugendlichen aus den vorstehenden Gründen besonders verwerflich und disziplinarisch ahndungswürdig. Da eine sexuelle Belästigung eines Jugendlichen wegen der geringeren Eingriffsintensität jedoch regelmäßig geringere Auswirkungen auf das Opfer hat als eine sexuelle Nötigung eines Jugendlichen, ist es angemessen, insoweit von der zweitschärfsten Maßnahmeart der Dienstgradherabsetzung (§ 60 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 64 WDO) auszugehen.
Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung der auf der ersten Stufe angesetzten Regelmaßnahme gebieten. Danach ist hier ein Übergang zur Höchstmaßnahme geboten. Diese besteht für den früheren Soldaten, der Angehöriger der Reserve ist und wegen der fortlaufenden Übergangsgebührnisse und der teilweise einbehaltenen Übergangsbeihilfe gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 WDO als Soldat im Ruhestand gilt, nach § 60 Abs. 2 Nr. 4 i. V. m. § 67 WDO in der Aberkennung des Ruhegehalts.
Zwar spricht für den früheren Soldaten, dass er in der Berufungshauptverhandlung geständig und reuig war. Weitere mildernde Umstände sind jedoch nicht ersichtlich.
Vielmehr liegen zahlreiche erschwerende Umstände vor.
Zum einen tritt zur sexuellen Belästigung gemäß Anschuldigungspunkt 1 die Beleidigung gemäß Anschuldigungspunkt 2 hinzu.
Des Weiteren wirft das von der Zeugin A erläuterte und durch ihren Chatverkehr mit dem früheren Soldaten belegte Vortatgeschehen, das im angefochtenen Urteil zutreffend zusammengefasst worden ist, ein schlechtes Licht auf die Persönlichkeit des früheren Soldaten. Daraus ergibt sich, dass die Taten Auswuchs einer sich über mehrere Monate erstreckenden und sich immer weiter steigernden Bedrängung des Opfers waren, was auf eine Verfestigung sozialschädlicher Persönlichkeitsstrukturen beim früheren Soldaten schließen lässt. Dass das Vortatgeschehen nicht als Dienstvergehen angeschuldigt worden ist, steht der Einbeziehung in die Maßnahmeerwägungen zur Bewertung der Persönlichkeit des früheren Soldaten und des Umfangs der Beeinträchtigung des in ihn gesetzten Vertrauens nicht entgegen33.
Auch die strafrechtliche Vorbelastung des früheren Soldaten lässt negative Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu34. So wurde er rund drei Jahre vor dem Dienstvergehen zu einer siebenmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, Beleidigung und vorsätzlichem unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe nebst verbotener Munition verurteilt. Selbst wenn entsprechend dem Beschluss des Verwaltungsgerichts … vom 12.07.2019 davon ausgegangen wird, dass er entgegen dem Strafurteil keine versuchte gefährliche Körperverletzung beging, sondern nur fahrlässig die körperliche Unversehrtheit dreier Personen gefährdete, ändert dies nichts daran, dass er sich weder durch die empfindliche strafrechtliche Ahndung noch durch seine deshalb erfolgte zwischenzeitliche Entlassung davon abhalten ließ, erneut straffällig zu werden. Dadurch hat er sich als unempfindlich für pflichtenmahnende Einwirkungen erwiesen, was gravierende Persönlichkeitsmängel offenbart35.
Des Weiteren wurde der frühere Soldat mit Disziplinargerichtsbescheid vom 02.05.2023 nicht nur wegen des dem vorstehend genannten Strafverfahren zugrundeliegenden Verhaltens, sondern zudem wegen eines im Jahr 2018 begangenen Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht nach § 8 Alt. 2 SG mit einem 12-monatigen Beförderungsverbot nebst Bezügekürzung belegt. Die dem früheren Soldaten insoweit zum Vorwurf gemachte Aufbewahrung einer Büste von Adolf Hitler, eines Reichskriegsflaggenabzeichens mit Hakenkreuz und Abbildungen von Hermann Göring und Joseph Goebbels hat er nach seiner Aussage in der Berufungshauptverhandlung bis heute nicht eingestellt. Er hat erklärt, dass er die Gegenstände lediglich in den Keller verbracht, sich aber wegen einer Sammelleidenschaft nicht davon getrennt hat. Dies zeigt, dass ihm trotz der pflichtenmahnenden Einwirkung der Besitz nationalsozialistischer Devotionalien wichtiger ist als die Verminderung des damit verbundenen Eindrucks einer verfassungsilloyalen Gesinnung. Dies erweckt allgemeine Zweifel an seiner Bereitschaft, seine privaten Interessen seinen Dienstpflichten unterzuordnen.
Zum Nachteil des früheren Soldaten sind ferner seine unterdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen zu berücksichtigen, von denen die Stellungnahme des stellvertretenden Disziplinarvorgesetzten vom 21.09.2023 und die erstinstanzliche Aussage des Disziplinarvorgesetzten zeugen.
Das Dienstvergehen hatte schließlich nachteilige psychische Auswirkungen für die Geschädigte. Sie hat – von ihrem Vater als Zeugen bestätigt – erklärt, im Nachgang Angst gehabt zu haben; vom früheren Soldaten an der Schule abgefangen zu werden. Auch hat sie bekundet, dass durch die Taten ihr Verhältnis zu Männern gebrochen worden sei.
Bei einer Gesamtwürdigung sind die zahlreichen erschwerenden Umstände so gewichtig, dass zur Höchstmaßnahme überzugehen ist. In einem solchen Fall kann auch eine Überlänge des Disziplinarverfahrens keine maßnahmemildernde Wirkung mehr entfalten36.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10. April 2025 – 2 WD 34.24
- TDG Süd, Urteil vom 06.08.2024 – S 5 VL 24/23[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 08.07.2021 ?- 2 WD 22.20 13 m. w. N. zu § 84 Abs. 2 WDO a. F.[↩]
- BGBl. I S. 1147[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 01.10.2020 – 2 WD 20.19 21 m. w. N.[↩]
- BGBl. I S. 431[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.03.2018 – 4 StR 570/17 -? NJW 2018, 2655 Rn. 35[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.05.1992 – 2 StR 73/92 6[↩]
- offen gelassen in BGH, Beschluss vom 13.03.2018 – 4 StR 570/17 – NJW 2018, 2655 Rn. 40[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 13.03.2018 – 4 StR 570/17 – NJW 2018, 2655 Rn. 41 m. w. N.[↩]
- BGBl. I S. 10[↩][↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 16.06.2020 – 6 StR 82/20 7 m. w. N.[↩]
- vgl. BT-Drs. 12/4584 S. 8[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 18.11.2020 – 4 StR 422/19 6[↩]
- BGBl. I S. 2460[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2017 – 3 StR 87/17 6[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2017 – 3 StR 87/17 6; Beschluss vom 16.05.2017 – 3 StR 122/17 4[↩]
- BGH, Beschluss vom 06.11.2024 – 4 StR 308/24 6[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 06.07.1983 ?- 2 StR 350/83 3; und vom 16.05.2017 – 3 StR 122/17 6[↩]
- vgl. BT-Drs. 18/9097, S. 23; BGH, Beschluss vom 14.02.2023 – 2 StR 403/22 – BGHSt 67, 261 Rn. 46[↩]
- BGH, Urteil vom 21.09.2016 – 2 StR 558/15 15[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 30.01.2001 – 4 StR 569/00 6[↩]
- BGBl. I S. 441[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.05.1951 ?- 2 StR 153/51 4[↩]
- BGH, Beschluss vom 02.11.2017 ?- 2 StR 415/17 13[↩]
- BGH, Beschluss vom 02.11.2017 – 2 StR 415/17 14[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 19.09.1991 ?- 1 StR 509/91 4[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 16.01.2020 – 2 WD 2.19 21[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.2022 ?- 2 WD 14.21, NVwZ 2022, 1814 Rn. 65[↩]
- BGH, Beschluss vom 11.05.2021 – 5 StR 42/21 4 m. w. N.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 11.05.2021 – 5 StR 42/21 4 m. w. N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 27.07.2010 – 2 WD 5.09 – juris LS 1; vom 02.05.2019 – 2 WD 15.18 20; und vom 09.12.2021 – 2 WD 29.20 – 26[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 02.05.2019 – 2 WD 15.18 21 m. w. N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 04.06.2020 ?- 2 WD 10.19 – juris LS 1 und Rn. 51; und vom 08.07.2021 – 2 WD 22.20 33[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.1991 ?- 1 D 92.90 23[↩]
- BVerwG, Urteil vom 06.10.2021 – 2 WD 3.21 23 m. w. N.[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 04.06.2020 – 2 WD 10.19 60 m. w. N.[↩]









