Der nicht mehr postulationsfähige Prozessbevollmächtigte

Hatte ein Beteiligter einen Prozessbevollmächtigten bestellt, dem die erforderliche Postulationsfähigkeit fehlt, so führt dies nicht dazu, dass der Beteiligte nicht nach Vorschrift des Gesetzes im Sinne von § 138 Nr. 4 VwGO vertreten war.

Der nicht mehr postulationsfähige Prozessbevollmächtigte

Im hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall machte der Kläger geltend, es liege ein absoluter Revisionsgrund im Sinne von § 138 Nr. 4 VwGO vor. Er sei im Berufungsverfahren nicht entsprechend den Erfordernissen des § 67 VwGO vertreten gewesen, weil die Zulassung seines damaligen Bevollmächtigten zur Rechtsanwaltschaft im Laufe des Verfahrens widerrufen worden sei. Hieraus entstünden subjektive Rechte, die wiederum durch § 138 Nr. 4 VwGO geschützt würden. Das Bundesverwaltungsgericht folgte dem nicht:

Ist der Prozessbevollmächtigte – etwa wegen Fehlens der Anwaltseigenschaft bei Vertretungszwang (§ 67 VwGO) – nicht postulationsfähig, so bewirkt dies nicht, dass der betroffene Beteiligte nicht nach Vorschrift des Gesetzes im Sinne von § 138 Nr. 4 VwGO vertreten war.

Der Beteiligte hat dann lediglich die für die betreffende Prozesshandlung vorgeschriebene Form verfehlt1.

Das Erfordernis einer besonderen Postulationsfähigkeit dient dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Gang des Verfahrens und dem Interesse des Beteiligten an ordnungsgemäßer Beratung. Um diese Zwecke zu erreichen, schreibt das Gesetz eine bestimmte Form des prozessualen Handelns vor. Es liegt jedoch in der Verantwortung des – selbst oder durch einen gesetzlichen Vertreter – handlungsfähigen Beteiligten, eine vertretungsberechtigte Person auszuwählen, die für ihn vor Gericht wirksam handeln kann.

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Besitzt der von dem Beteiligten ausgewählte Vertreter diese Fähigkeit nicht, so beruht ein Urteil gegen den Beteiligten nicht darauf, dass dem Beteiligten verwehrt wurde, in Bezug auf das Verfahren sein Selbstbestimmungsrecht auszuüben. Es beruht vielmehr darauf, dass der ausgewählte Vertreter die von ihm geschuldete Leistung nicht erbracht hat, weil er die dazu erforderliche Befähigung nicht besaß. Konnte der Beteiligte diesen Mangel nicht erkennen, kann er unter Umständen einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Vertreter haben2.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10. Juni 2015 – 1 B 149.04

  1. vgl. BAG, NJW 1991, 1252 zum Fehlen eines absoluten Revisionsgrundes im Sinne des § 551 Nr. 5 ZPO a.F. = § 547 Nr. 4 ZPO n.F.; Eichberger in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 138 Rn. 115; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 138 Rn. 23; Neumann in: NK-VwGO § 138 Rn. 254; vgl. auch BFH/NV 2003, 175[]
  2. vgl. BAG, a.a.O.[]