Gegen Vollstreckungsmaßnahmen nach §§ 30 ff. HmbVwVG ist der Verwaltungsrechtsweg und nicht der Finanzrechtsweg gegeben.

Daher besteht auch keine Zuständigkeit des Finanzgerichts für einen wegen der Beitreibung von rückständigen Rundfunkbeiträgen geführtem Rechtsstreit.
Die Regelung des § 17a GVG ist auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzuwenden. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach ein Streit der Beteiligten über den richtigen Rechtsweg vereinfacht, verkürzt und zu einem möglichst frühen Zeitpunkt entschieden werden soll1.
Im Streitfall ist der beschrittene Finanzrechtsweg nicht zulässig.
Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten, soweit die Verwaltungsakte durch Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der AO zu vollziehen sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Festsetzungsbescheid ist nicht im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO nach den Vorschriften der AO zu vollziehen.
Die Vollziehung richtet sich nach dem HmbVwVG, da dieses Gesetz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 HmbVwVG im Streitfall Anwendung findet. Die Antragsgegnerin als Stelle der Freien und Hansestadt Hamburg betreibt die Vollstreckung eines im Verwaltungswege vollstreckbaren Titels.
Die Antragsgegnerin als Landesfinanzbehörde (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 AO) betreibt die Vollstreckung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HmbVwVG.
Die Antragsgegnerin ist für die Vollstreckung gemäß § 4 Satz 1 HmbVwVG i. V. m. Abschnitt III Nr. 3 der Anordnung über Vollstreckungsbehörden2 zuständig und führt gemäß § 5 Abs. 1 HmbVwVG die Vollstreckung durch.
Die Antragsgegnerin betreibt die Vollstreckung eines im Verwaltungswege vollstreckbaren Titels.
Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV)3 werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt, hier durch den NDR als Anstalt des öffentlichen Rechts, festgesetzt. Die Festsetzungsbescheide als Verwaltungsakte werden im Verwaltungsvollstreckungsverfahren öffentlich-rechtlich vollstreckt (§ 10 Abs. 6 Satz 1 RBStV).
Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 35 Abs. 1 HmbVwVG.
Gemäß § 35 Abs. 1 HmbVwVG erfolgt die Vollziehung des Festsetzungsbescheides unter entsprechender Anwendung von § 191 Abs. 1 Sätze 2 und 3, §§ 255, 256, 258, 260, 262 bis 267, 281 bis 284, § 285 Abs. 1 und §§ 286 bis 327 AO. Die entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften führt jedoch nicht zu einer „Vollziehung nach den Vorschriften der AO“ im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO.
Zwar erklärt § 35 Abs. 1 HmbVwVG eine Vielzahl von Vorschriften der AO zur Vollstreckung wegen Geldforderungen für die Beitreibung von Geldforderungen nach dem HmbVwVG (Teil 3, §§ 30 bis 37 HmbVwVG) für entsprechend anwendbar. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich allerdings nicht unbedingt eine Vollziehung „nach den Vorschriften der AO“. Denn durch das Wort „entsprechend“ wird deutlich, dass die Bezugsnorm, hier die jeweils benannte Vorschrift der AO, nicht wörtlich passt und damit nicht wörtlich bei der Ausgangsnorm, hier dem HmbVwVG, mitgelesen werden kann (Analogieverweisung)4.
Einer Vollziehung des Festsetzungsbescheides nach den Vorschriften der AO stehen systematische Erwägungen entgegen.
Unter Berücksichtigung des im HmbVwVG vorgesehenen verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzverfahrens gegen Vollstreckungsmaßnahmen richtet sich der zulässige Rechtsweg nach allgemeinem Verwaltungsrecht.
Der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO korrespondiert mit einem statthaften Einspruchsverfahren nach § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Mit dem Gesetz vom 24.06.19945 wurde § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO an den Wortlaut des § 347 Abs. 1 Nr. 2 AO angepasst, um ein Auseinanderfallen des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens und des Rechtsweges zu vermeiden6. Ein Einspruchsverfahren nach den Vorschriften der AO ist jedoch gegen Vollstreckungsmaßnahmen im Rahmen der Beitreibung von Geldforderungen nach dem HmbVwVG nicht vorgesehen. § 35 Abs. 1 HmbVwVG verweist allein auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften der AO, die für die Vollstreckung gelten, nicht aber auch auf die Vorschriften über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren. § 35 Abs. 2 HmbVwVG enthält zudem allein die Begriffe des allgemeinen verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzverfahrens. Danach findet § 324 AO mit der Maßgabe Anwendung, dass Widerspruch und Klage gegen die Arrestanordnung keine aufschiebende Wirkung haben. Dies entspricht der Terminologie des § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). § 35 Abs. 2 HmbVwVG verweist hingegen gerade nicht auf den Einspruch, der in der AO als Rechtsbehelf gegen Verwaltungsakte vorgesehen ist (§ 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) und der die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes grundsätzlich nicht hemmt (§ 361 Abs. 1 Satz 1 AO). Nach den Vorschriften der AO kann die Finanzbehörde daher den angefochtenen Verwaltungsakt von der Vollziehung aussetzen (§ 361 Abs. 2 Satz 1 AO).
Soweit § 29 Abs. 1 HmbVwVG für Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsakte zur Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen nach allgemeinem Prozessrecht den Verwaltungsrechtsweg eröffnet, steht dies den vorgenannten systematischen Erwägungen nicht entgegen. Auch wenn nach der Gesetzesbegründung die Regelungen über zu ergreifende Rechtsbehelfe (§ 75 Abs. 1 HmbVwVG alte Fassung) nunmehr in § 29 HmbVwVG systematischer geregelt werden sollten und der Verweis auf die Rechtsbehelfe gegen diese Maßnahmen entbehrlich sein sollte7, würde ein Auseinanderfallen des Rechtsweges mit jeweils eigenen Verfahrensordnungen dem Ziel des Gesetzgebers bei der Neuregelung des HmbVwVG zuwiderlaufen. Denn das HmbVwVG sollte übersichtlicher strukturiert, praktikabler gestaltet und die Vollstreckung, insbesondere die Beitreibung von Geldforderungen, effektiviert werden8. Eine Änderung der Rechtslage hinsichtlich des Rechtsschutzes war danach nicht beabsichtigt.
Des Weiteren ergibt sich aus der ausdrücklichen Rechtswegzuweisung in § 34 Abs. 4 Satz 3 HmbVwVG zu den ordentlichen Gerichten in dem dort genannten Fall, dass Rechtsschutz gegen Maßnahmen zur Beitreibung von Geldforderungen nach dem HmbVwVG im Übrigen durch die Verwaltungsgerichte gewährt wird9. Anderenfalls ergäbe sich für diesen Rechtsschutz eine Änderung der Rechtslage, für die nichts ersichtlich ist.
Teil 3 des HmbVwVG enthält im Verhältnis zur AO eigenständige Regelungen für die Verwaltungsvollstreckung, die an die Regelungen der AO nur angelehnt sind.
Auch wenn sich nach § 35 Abs. 1 HmbVwVG das Verfahren der Beitreibung im Verwaltungswege grundsätzlich nach der AO richten sollte, sind nur einige Abweichungen im Vergleich zum HmbVwVG alte Fassung entfallen und einige modernere Regelungen in das Verwaltungsvollstreckungsverfahren übernommen worden10. Die §§ 30 bis 37 HmbVwVG sind zwar an Vorschriften der AO angelehnt, wie beispielsweise die Regelungen für den Beginn der Vollstreckung, für die Mahnung, für die pflichtige Person oder für die Einstellung und Beschränkung der Vollstreckung. Die Vorschriften zur Beitreibung von Geldforderungen nach dem HmbVwVG enthalten jedoch auch eigenständige bzw. von der AO abweichende Regelungen11. So ist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVG vor Beginn der Vollstreckung die pflichtige Person zu mahnen und kann von der Mahnung nach § 31 Abs. 2 HmbVwVG unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden. Hingegen ist § 259 Satz 1 AO bereits als Ermessensvorschrift ausgestaltet, wonach der Vollstreckungsschuldner in der Regel vor Beginn der Vollstreckung gemahnt werden soll.
Aus der Historie des HmbVwVG ergibt sich ebenfalls, dass der Verwaltungsrechtsweg und nicht der Finanzrechtsweg gegeben ist.
Das HmbVwVG alte Fassung stellte eine eigenständige Regelung dar und sollte gerade nicht auf die Vorschriften der seinerzeitigen Reichsabgabenordnung verweisen12. Mit der Änderung des HmbVwVG wurde zwar mit § 35 Abs. 1 HmbVwVG eine entscheidende neue Regelung eingeführt, wonach für die Beitreibung von Geldforderungen im Wesentlichen die Vorschriften der AO entsprechend anwendbar wurden13. Indes ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber in Abkehr von der früheren Rechtslage (§ 75 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVG alte Fassung) auch die Vorschriften für Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen ändern wollte. Aufgrund einer solchen Änderung wäre wegen des Gleichlaufs des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens mit dem Rechtsweg eine Änderung der früheren, dem Gesetzgeber bewussten Rechtslage verbunden gewesen. Eine Verweisung auf den Rechtsschutz nach den Vorschriften der AO ist im HmbVwVG jedoch nicht enthalten. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 29 Abs. 1 HmbVwVG nur eine klarstellende Regelung für Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsakte zur Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen aufgenommen.
Nach Sinn und Zweck des HmbVwVG ist gleichfalls der Verwaltungsrechtsweg und nicht der Finanzrechtsweg für den Rechtsschutz gegen Maßnahmen zur Beitreibung von Geldforderungen gegeben.
Mit der Neuregelung des HmbVwVG sollte das Gesetz unter anderem aktualisiert und die Vollstreckung, insbesondere die Beitreibung von Geldforderungen, effektiviert werden. Die einschneidendste Neuerung ergab sich danach für die Beitreibung von Geldforderungen, für die nach § 35 HmbVwVG im Wesentlichen die Vorschriften der AO entsprechend anwendbar wurden. Allerdings bezweckte der Gesetzgeber damit unter anderem eine erhebliche Verschlankung des HmbVwVG und eine stärkere Rechtsangleichung im Bereich der Beitreibung von Geldforderungen im Verwaltungswege. Ferner sollte durch die dynamische Verweisung auf die Vorschriften der AO für die Vollstreckung von Geldforderungen eine zeitnahe Anpassung sichergestellt und die Zwangsvollstreckung landes- und bundesrechtlich im Einklang fortentwickelt werden14. Diesem Sinn und Zweck des HmbVwVG würde es widersprechen, wenn durch die Neuregelung der früher vorgesehene Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nunmehr aufgespalten würde, je nachdem, ob es sich um eine Maßnahme zur Beitreibung von Geldforderungen oder um eine Maßnahme zur Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen handelt.
§ 5 Abs. 1 des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes des Bundes (VwVG) führt zu keiner anderen Beurteilung. Diese Vorschrift ordnet – anders als § 35 HmbVwVG – ausdrücklich das Verwaltungszwangsverfahren nach den dort aufgezählten Vorschriften der AO gesetzlich an.
Der Rechtsstreit ist an das zuständige Verwaltungsgericht Hamburg zu verweisen, weil es sich nach den vorstehenden Ausführungen um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt und die Streitigkeit keinem anderen Gericht zugewiesen ist.
Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 22. Oktober 2015 – 1 V 108/15
- BT-Drs. 11/7030, 36 f.; vgl. auch BFH, Beschluss vom 06.02.2001 – VII B 277/00, BFHE 194, 26, BStBl II 2001, 306; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl. 2013, § 17 Rz. 7, m. w. N.[↩]
- Amtl. Anz. 1999, 1457, zuletzt geändert durch Artikel 12 der Anordnung vom 26.10.2010, Amtl. Anz.2010, 2129[↩]
- verkündet als Art. 1 der Anlage des Gesetzes zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 15.02.2011, HmbGVBl.2011, 63, in Kraft getreten am 01.01.2013, HmbGVBl.2012, 430[↩]
- Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. – 2008, Bundesanzeiger Nr. 160a vom 22.10.2008, Rz. 232[↩]
- BGBl I 1994, 1395[↩]
- BT-Drs. 12/7427, 39; Braun, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 33 FGO Rz.195[↩]
- vgl. Mitteilungen des Senats an die Bürgerschaft, Bü-Drs. 20/4579, 32[↩]
- Bü-Drs. 20/4579, 14[↩]
- vgl. Drucksache 20/4579, S. 35[↩]
- Bü-Drs. 20/4579, 35[↩]
- vgl. auch Bü-Drs. 20/4579, 15[↩]
- Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Nr. 83 vom 24.05.1960, 1960, 377 f.[↩]
- Bü-Drs. 20/4579, 14 und 35[↩]
- Bü-Drs. 20/4579, 14 f.[↩]