Das Verschwinden der GmbH während des Zivilprozesses

Legt der einzige Geschäftsführer einer GmbH sein Amt nieder, ist eine gegen die Gesellschaft gerichtete Klage mangels gesetzlicher Vertretung unzulässig.

Das Verschwinden der GmbH während des Zivilprozesses

Wird während eines Prozesses die beklagte GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht, bleibt sie parteifähig, wenn der Kläger substanziiert behauptet, es sei bei der Gesellschaft noch Vermögen vorhanden.

Die Amtsniederlegung des Alleingeschäftsführers

Eine GmbH, deren einziger Geschäftsführer sein Amt niedergelegt hat, ist nicht mehr prozessfähig im Sinne des § 52 ZPO1. Sie hat mit der Amtsniederlegung ihren gesetzlichen Vertreter verloren.

Daran ändert § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG in der seit dem 1. November 2008 geltenden Fassung nichts. Nach dieser Vorschrift wird die Gesellschaft bei einer Führungslosigkeit, also beim Fehlen eines Geschäftsführers, von ihren Gesellschaftern gesetzlich vertreten, wenn ihr gegenüber Willenserklärungen abzugeben oder Schriftstücke zuzustellen sind. Das betrifft etwa die Zustellung der Klageschrift. Darin erschöpft sich die Prozessführung aber nicht. Einen Prozess kann die GmbH nur führen, wenn ihre Vertreter nicht nur zur Passivvertretung, sondern auch zur Aktivvertretung befugt sind, also auch Willenserklärungen mit Wirkung für die Gesellschaft abgeben können. Eine solche Rechtsmacht haben die Gesellschafter in den Fällen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht.

Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nichts anderes. Danach soll durch § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ermöglicht werden, dass der Gesellschaft auch dann Schriftstücke zugestellt werden können, wenn ihr Geschäftsführer sein Amt niedergelegt und die Gesellschaft damit keinen gesetzlichen Vertreter mehr hat2. Nur diesen Zustellungsmangel wollte der Gesetzgeber heilen, nicht aber die Grundsätze der Prozessfähigkeit ändern. Dafür besteht auch kein Bedürfnis, weil – etwa im weiteren Verlauf eines durch Klagezustellung eingeleiteten Prozesses – der Mangel der Prozessfähigkeit durch Bestellung eines Notgeschäftsführers oder eines Prozesspflegers geheilt werden kann.

Weiterlesen:
Eigenkapitalersatz bei der AG

Die Löschung wegen Vermögenslosigkeit

Die Löschung einer vermögenslosen GmbH nach § 394 Abs. 1 FamFG (= § 141a Abs. 1 FGG aF) hat zur Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO auch ihre Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein. Die Gesellschaft ist materiell-rechtlich nicht mehr existent3. Bestehen dagegen Anhaltspunkte dafür, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bleibt die Gesellschaft trotz der Löschung rechts- und parteifähig. Dafür reicht bei einem Aktivprozess schon die bloße Tatsache, dass die Gesellschaft einen Vermögensanspruch geltend macht4. Bei einem – wie hier – Passivprozess ist die gelöschte Gesellschaft jedenfalls dann parteifähig, wenn der Kläger substanziiert behauptet, es sei bei der Gesellschaft noch Vermögen vorhanden5.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2010 – II ZR 115/09

  1. vgl. BGH, Urteil vom 08.02.1993 – II ZR 62/92, BGHZ 121, 263; Beschluss vom 07.12.2006 – IX ZR 257/05, ZIP 2007, 144 Rn. 11[]
  2. BT-Drs. 16/6140 S. 42[]
  3. BGH, Urteile vom 05.04.1979 – II ZR 73/78, BGHZ 74, 212; vom 29.09.1981 – VI ZR 21/80, ZIP 1981, 1268; und vom 28.03.1996 – I ZR 11/94, NJW-RR 1996, 805, 806; Scholz/K. Schmidt/Bitter, GmbHG, 10. Aufl., § 60 Rn. 57; Casper in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 60 Rn. 93 ff.; krit. Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 50 Rn. 44 ff.[]
  4. BGH, Urteile vom 08.10.1979 – II ZR 257/78, BGHZ 75, 178, 182 f.; vom 23.10.1958 – II ZR 127/57, WM 1959, 81, 83; vom 10.02.1977 – II ZR 213/74, WM 1977, 581; und vom 21.10.1985 – II ZR 82/85, WM 1986, 145[]
  5. BGH, Urteile vom 29.09.1967 – V ZR 40/66, BGHZ 48, 303, 307; und vom 04.06.1957 – VIII ZR 68/56, WM 1957, 975; BAG, GmbHR 2003, 1009, 1010; zur Wirkung des möglichen Kostenerstattungsanspruchs siehe BGH, Urteil vom 21.10.1985 – II ZR 82/85, WM 1986, 145[]
Weiterlesen:
Haftungsrisiko des GmbH-Geschäftsführers

Bildnachweis: