An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Wohnraummietrecht strenge Anforderungen zu stellen; es besteht kein Grund, im Rahmen von § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu Gunsten des Mieters einen milderen Maßstab anzulegen1. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt regelmäßig nur vor, wenn der Schuldner die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte2.

Ein solcher Ausnahmefall ist etwa dann anzunehmen, wenn der Schuldner eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung für seine Auffassung in Anspruch nehmen konnte und mit einer späteren Änderung derselben nicht zu rechnen brauchte.
Bei einer unklaren Rechtslage handelt hingegen bereits fahrlässig, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss. Der Schuldner darf nicht das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage dem Gläubiger zuschieben3. Entscheidet er sich bei zweifelhafter Rechtslage dafür, die von ihm geforderte Leistung nicht zu erbringen, geht er – von besonderen Sachlagen abgesehen4 – das Risiko, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweist, zumindest fahrlässig ein und hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er – wie in einem späteren Rechtsstreit festgestellt wird – zur Leistung verpflichtet war.
Sofern der Schuldner zu einer eigenständigen rechtlichen Beurteilung nicht in der Lage ist, muss er Rechtsrat einholen; für ein etwaiges Verschulden seines Rechtsberaters hat er nach § 278 BGB einzustehen5, wobei für einen unverschuldeten Rechtsirrtum des Rechtsberaters die oben dargestellten strengen Grundsätze gelten.
Bundesgerichtshof, Teilversäumnis – u., Schlussurteil vom 30. April 2014 – VIII ZR 103/13
- BGH, Urteile vom 11.07.2012 – VIII ZR 138/11, NJW 2012, 2882 Rn.19; vom 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, NJW 2007, 428 Rn. 27 ff. mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 11.04.2012 – XII ZR 48/10, WuM 2012, 323 Rn. 31; vom 12.07.2006 – X ZR 157/05, NJW 2006, 3271 Rn.19; vom 04.07.2001 – VIII ZR 279/00, WM 2001, 2012 unter – II 3 d; vom 28.06.1978 – VIII ZR 139/77, NJW 1978, 2148 unter – I 3, insoweit in BGHZ 72, 147 nicht abgedruckt; vom 09.02.1951 – I ZR 35/50, NJW 1951, 398; BGH, Beschluss vom 19.07.2011 – XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 12[↩]
- BGH, Urteile vom 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, aaO Rn. 25; vom 27.09.1989 – IVa ZR 156/88, NJW-RR 1990, 160, 161; vom 24.09.2013 – I ZR 187/1219[↩]
- vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 276 Rn. 23 mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 25.10.2006 – VIII ZR 102/06, aaO Rn. 21 ff.; vom 12.07.2006 – X ZR 157/05, aaO Rn.20[↩]
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