Vollstreckungsschutz kann nicht mehr gewährt werden, wenn die Räumung bereits durchgeführt ist.

Nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist bei Zwangsräumungen mit der Einweisung des Gläubigers in den Besitz der Räume durch Übergabe der Schlüssel diese Vollstreckungsmaßnahme beendet und kann demgemäß vom Gerichtsvollzieher nicht mehr aufgehoben werden. Vielmehr müsste eine bereits endgültig vollzogene Zwangsvollstreckungsmaßnahme rückgängig gemacht werden1. Zur Durchsetzung einer erneuten Einweisung des Schuldners in den Besitz der Räume bedarf es einer Vollstreckungsmaßnahme gemäß § 885 Abs. 1 ZPO gegen den Gläubiger. Diese setzt nach § 750 Abs. 1 ZPO einen entsprechenden Titel voraus, der nur aufgrund einer Klage im Erkenntnisverfahren erlangt werden kann2. Vor dem Hintergrund dieser fachgerichtlichen Rechtsprechung fehlen in der Verfassungsbeschwerde Ausführungen dazu, wie das Ziel, die bereits vollzogene Zwangsräumung rückgängig zu machen, im Rahmen eines Vollstreckungsschutzverfahrens erreicht werden kann. Denn der Antrag nach § 765a ZPO wird außerhalb des Erkenntnisverfahrens gestellt und ist lediglich auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und damit gerade nicht auf die Erlangung eines Titels gegenüber dem Gläubiger gerichtet.
Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung des angegriffenen Hoheitsaktes oder jedenfalls für die Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit vorliegt3. Dieses Rechtsschutzbedürfnis muss noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fortbestehen4. Bei Erledigung des mit der Verfassungsbeschwerde verfolgten Begehrens besteht das Rechtsschutzbedürfnis unter anderem in Fällen besonders tiefgreifender und folgenschwerer Grundrechtsverstöße fort, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kaum erlangen konnte5. Der Grundrechtsschutz des Beschwerdeführers würde andernfalls in unzumutbarer Weise verkürzt6. Der Umstand, dass die Fachgerichte und das Bundesverfassungsgericht häufig außerstande sind, schwierige Fragen in kurzer Zeit zu entscheiden, darf nicht dazu führen, dass eine Verfassungsbeschwerde allein wegen des vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Zeitablaufs als unzulässig verworfen wird7.
Demgemäß hätten die Beschwerdeführer substantiiert dazu ausführen müssen, weshalb die Voraussetzungen gegeben sein sollen, unter denen das Rechtsschutzbedürfnis im Verfahren der Verfassungsbeschwerde trotz Erledigung des verfolgten Begehrens fortbesteht.
Insbesondere haben die Beschwerdeführer im hier entschiedenen Fall nicht hinreichend vorgetragen, dass gegen die angegriffene Maßnahme im hierfür verfügbaren Zeitraum kein wirksamer Rechtsschutz zu erlangen war. Insoweit fehlt es angesichts der Möglichkeit der Gewährung von Eilrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht an Ausführungen dazu, weshalb die Beschwerdeführer im Nachgang zur ablehnenden Entscheidung des Landgerichts vom 30.03.2022 nach dem regelmäßigen Geschäftsgang eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zum Beginn der Vollstreckung am 31.03.2022 kaum hätten erlangen können. Dies wäre vor allem deshalb erforderlich gewesen, weil in anderen Fällen das Bundesverfassungsgericht Rechtsschutz selbst bei kurzfristiger Antragstellung gewährt hat8.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 17. Mai 2022 – 2 BvR 661/22
- vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2004 – IXa ZB 324/03 15; Beschluss vom 15.10.2009 – VII ZB 1/09 10; Beschluss vom 02.03.2017 – I ZB 66/16 5[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2004 – IXa ZB 324/03 15[↩]
- vgl. BVerfGE 81, 138 146, 294 [↩]
- vgl. BVerfGE 21, 139 30, 54 33, 247 50, 244 56, 99 72, 1 81, 138 146, 294 [↩]
- vgl. BVerfGE 81, 138 110, 77 117, 244 146, 294 stRspr[↩]
- vgl. BVerfGE 34, 165 41, 29 49, 24 81, 138 146, 294 [↩]
- vgl. BVerfGE 74, 163 76, 1 81, 138 146, 294 [↩]
- vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 15.03.2017 – 2 BvR 321/17; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 21.12.2004 – IXa ZB 324/03 16, zur Rechtslage im fachgerichtlichen Verfahren[↩]
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